Um zehn nach drei am Sonntagnachmittag war die Welt für die Fans des 1. FC Köln so schön und rund, wie sie idealerweise sein sollte. Der Stadionsprecher in Müngersdorf hatte soeben eine Nachricht durchgegeben, die das Herz der Kölner Anhänger erfreute: „Der Entlastungszug nach Düsseldorf um 16:44 Uhr – fällt aus“, hatte er mitgeteilt, und nicht nur in der Südkurve war spontaner Jubel ausgebrochen. Besser hätte man sich’s ja nicht ausmalen können: Der FC würde die Punkte behalten und an die Tabellenspitze zurückkehren, und die Fans der Fortuna müssten mit langen Gesichtern auf ihre Heimreise warten.
Nun, die Düsseldorfer mögen ein wenig länger am Bahnsteig gestanden haben, doch die Schadenfreude war zum Schluss auf ihrer Seite. Nicht nur, weil ihr Team noch das 1:1 schaffte und über die sechsminütige Nachspielzeit retten konnte, sondern auch, weil die Umstände des Ausgleichs zu Häme und Erheiterung taugten. Der Kölner Verteidiger Joel Schmied hatte im Strafraum ein Handspiel begangen, das an einen alten Vers aus Franz Beckenbauers Präsidentenzeit erinnerte, wenn er über seine Bayern spottete: „Ich weiß nicht, was sie hier heute spielen – aber Fußball ist es nicht.“
Schmied hatte in der 87. Minute für einen Moment die Sportart gewechselt. Er blockte den Ball wie ein Volleyballer am Netz, Schiedsrichter Michael Bacher zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt, und wenn es auch danach die übliche knapp halbstündige Videoprüfung gab, so lag der Fall doch völlig klar. Den Strafstoß setzte Isak Johannesson ins Netz, und die Kölner hatten allen Grund zum Ärger über einen fahrlässig verpassten Etappensieg. „Bitter, einfach richtig bitter, wir haben zwei Punkte verschenkt“, sagte FC-Trainer Gerhard Struber und schüttelte den Kopf, als sei großes Unrecht geschehen. Den Wunsch, Aufstiegskonkurrent Fortuna in der Tabelle zu distanzieren, hatte sich seine Mannschaft selbst versagt.
Das Spiel hatte nicht den Charakter einer heißen Familienfehde, was vor allem an den Düsseldorfern lag
Köln gegen Düsseldorf am Sonntag vor den Karnevalstagen, da stellte sich umso mehr die Grundsatzfrage: linke oder rechte Rheinseite, Kölsch oder Alt, Alaaf oder Helau, gotischer Dom oder silberner Porsche? All diese zentralen Themen im jahrhundertealten Städtevergleich würden am Sonntag verhandelt werden. Dachte man.
Aber das Spiel hatte nicht den Charakter einer heißen Familienfehde, was vor allem an den Düsseldorfern lag, denen Trainer Daniel Thioune offenbar ein bisschen zu viel Respekt vor den Kölnern beigebracht hatte. „Unsere Idee war es, dass wir über weite Strecken des Spiels die Qualität und die harten Attacken des Gegners aushalten müssten“, verriet er später. Prompt verzichteten seine Spieler auf eigene Spielanteile und zogen sich in ihre Deckung zurück. Gelegentliche Kontervorstöße scheiterten an Fehlpässen und technischen Schwächen, Shinta Appelkamp und Myron van Brederode kamen ihren Aufgaben als Vermittler zwischen Defensive und Offensive nicht nach. „Unsere erste Halbzeit war sicherlich schwach“, stellte Thioune fest.
Die Kölner verdienten immerhin ein Lob für beharrliches Bemühen. Besonders Spielmacher Florian Kainz und Linton Maina fielen positiv auf, und folgerichtig war es eine Kombination der beiden, die den Gastgebern das 1:0 bescherte. Struber durfte sich bestätigt fühlen: „Wir wussten, dass der Gegner destruktiv sein würde, aber wir wussten auch, dass wir ihn uns zurechtlegen würden.“ Doch statt den Druck aufrechtzuerhalten und Fortuna vom eigenen Strafraum fernzuhalten, ließen die Kölner der Fortuna auf einmal Platz für eigene Initiative. So habe seine Elf doch noch „angefangen, Fußball zu spielen“, sagte Thioune. Ein Lattenschuss von Vincent Vermeij (84.) hätte für die Kölner genug der Warnung sein müssen, doch sie ließen sich noch tiefer zurückdrängen, statt zum Gegenangriff überzugehen.
Wo die Kölner nun stehen im zähen Rennen der zweiten Liga, wissen sie wohl selbst nicht. Immer noch tun sie sich schwer damit, ein eigenes Spiel zu entwickeln, das hat sich auch nach der Einkaufsoffensive im Winter nicht geändert. Während zumindest Kainz nach langwierigen Verletzungsproblemen allmählich in Form kommt, haben sich die Profis, die Sportchef Christian Keller für stramme sechs Millionen Euro Ablöse ins Haus holte, noch nicht hervortun können. Mittelstürmer Imad Rondic und Rechtsaußen Jusuf Gazibegovic konnten am Sonntag wenigstens darauf verweisen, dass sie keinen Schaden angerichtet hätten. Dem Verteidiger und Teilzeit-Volleyballer Schmied hingegen war das nicht vergönnt.