1. FC Köln:Weltpolitik im Geißbockheim

Training 1 FC Köln 2 Fussball Bundesliga Saison 2018 2019 Geißbockheim Koeln Deutschland Datum 29

Gehört als Vorsitzender des Mitgliederrates der Vereinsführung an: Stefan Müller-Römer (links) mit Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle.

(Foto: Eduard Bopp/imago)
  • Stefan Müller-Römer, Vorsitzender des Mitgliederrates des 1. FC Köln, kritisierte im Kölner Stadt-Anzeiger die Verhältnisse in China.
  • Der Klub distanzierte sich: Müller-Römer habe "ausschließlich seine private Meinung wiedergegeben", teilte Präsident Werner Wolf mit.
  • Im Klub fürchtet man, dass der FC in China auf eine schwarze Liste gesetzt werden könnte - und dass die Expansion der Bundesliga auf dem asiatischen Markt gefährdet sein könnte.

Von Philipp Selldorf, Köln

Bisher hat es noch keine Anweisung der kommunistischen Partei-Führung an den Sender PPTV gegeben, die Übertragungen des 17. Spieltags der Fußball-Bundesliga aus dem Programm zu nehmen, aber im Kölner Geißbockheim herrschte am Freitag immer noch bange Sorge, ob nicht doch der größte anzunehmende Unfall eintritt. Den Verantwortlichen des 1. FC Köln ist es äußerst unangenehm, dass ihre hausinterne Kabale die Expansion der Bundesliga auf dem sagenhaften asiatischen Markt gefährden könnte, und so hoffen sie nun, dass die Chinesen einen Unterschied machen zwischen Mesut Özil und Stefan Müller-Römer.

Tatsächlich haben beide nicht viel gemeinsam: Der eine ist ein Weltstar des Fußballs mit Fangemeinde auf allen Kontinenten. Der andere ist Rechtsanwalt mit Kanzlei im Kölner Agnesviertel, den man wegen seiner Funktionärstätigkeit beim FC zwar in Ehrenfeld, Raderthal, Esch, Pesch und Kalk kennt, aber schon jenseits der Stadtgrenzen eher nicht. Deshalb erreichten den Klub während der Woche Fragen aus der Zentrale der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt, wer dieser Herr Müller-Römer sei, und wie man seine schrillen Äußerungen zu deuten habe.

Eines hat der Kölner Jurist nämlich doch gemeinsam mit dem prominenten Profi aus London. Wie Özil, 31, hat auch Müller-Römer, 51, die Verhältnisse in China kritisiert. Während Özil per Twitter auf das Schicksal der unterdrückten Uiguren hinwies und die Solidarität der Muslime einforderte, ging Müller-Römer im Kölner Stadt-Anzeiger in die Vollen: In China werde "ein totaler Überwachungsstaat aufgebaut, wie ihn sich Orwell nicht schlimmer hätte ausdenken können", Menschenrechte würden "in massiver Form missachtet". Was ihn folgern ließ: "Als gemeinnütziger Verein können wir eine so totalitäre und brutale Diktatur nicht unterstützen."

Allein der laufende TV-Vertrag mit China bringt der Liga binnen fünf Jahren 250 Millionen Euro

Nebenbei äußerte Müller-Römer die Ansicht, dass "unsere Wirtschaftsführer in Teilen völlig naiv" seien, weil sie sich bei ihren vielfältigen Geschäften von den Chinesen ausnutzen ließen.

Özil wurde wegen seiner Kritik von Peking quasi zur unerwünschten Person erklärt, man löschte ihn aus einem prominenten Videospiel, und das Fernsehen musste die Übertragung eines Arsenal-Spiels gegen Manchester City absagen. Müller-Römer kommt zwar in keinem Videospiel vor, dafür haben die Kölner einen Shitstorm in den sozialen Medien empfangen. Für Beunruhigung sorgte überdies ein, wie es heißt, "weltweites Medienecho". Aus rheinischer Lokalpolitik ist ein kleines Stück Weltpolitik geworden.

So wie sich in London mit Rücksicht auf die China-Geschäfte der FC Arsenal von Mesut Özil, seinem bestbezahlten Angestellten, distanzierte, so nahm nun auch der 1. FC Köln Abstand von Müller-Römer, der als Vorsitzender des Mitgliederrates der erweiterten Vereinsführung angehört. Müller-Römer habe "ausschließlich seine private Meinung wiedergegeben", teilte Präsident Werner Wolf mit.

Um aktuelle Geschäftsbeziehungen ging es dabei aber nicht mehr, die hatte man ohnehin bereits storniert. Aus der vor einem Jahr vereinbarten Beteiligung am Aufbau einer Fußballakademie in der Stadt Shenyang ist der Klub ausgestiegen. Dass der 1. FC Köln dieses Vorhaben nicht vertiefte - obwohl es ihm 1,8 Millionen Euro eingebracht hätte -, dazu hatte Müller-Römer schon im Spätsommer in seiner Zeit als Interimspräsident beigetragen. Jetzt fürchtet man im Klub, dass der FC wegen der Äußerungen des Funktionärs in China auf eine schwarze Liste gesetzt werden könnte. Wenn China als Markt für Werbung und andere Aktivitäten wegbreche, sei das ein schwerer wirtschaftlicher Schaden, heißt es im Geißbockheim, auch heimische Sponsoren wie Ford und die Deutsche Post seien durch ihr Engagement in Asien betroffen.

Müller-Römer wäre wahrscheinlich nicht beleidigt, wenn man ihn als hartnäckigen Unruhestifter bezeichnete, Harmoniestreben gehört nicht zu seinen Eigenheiten. Bisher beschränkte sich sein Wirken auf die Vereinspolitik, unter anderem sorgte er mit dem Mitgliederrat für die Formierung und Einsetzung des seit September amtierenden Vorstandes und - unter anderem - dafür, dass ein Interessent wie der prominente CDU-Politiker Wolfgang Bosbach nicht kandidierte.

Ruhe und Frieden haben sich daraus für den FC nicht ergeben. Der neue Vorstand ist vor Erreichen der 100-Tage-Marke wegen Unstimmigkeiten auseinandergefallen, und dass Müller-Römer jetzt von seinem Wunsch-Präsidenten Wolf öffentlich zurechtgewiesen wurde, zeugt von den chronisch konträren Beziehungen in der Vereinsführung. Nun drohen die Kölner Wirren sogar auf die Geschäfte der gesamten Bundesliga überzugreifen, denn China ist das Kerngebiet des sagenhaften asiatischen Marktes. Neben den USA ist das Land der wichtigste Auslandspartner, viele Klubs unterhalten Büros in China, allein der laufende TV-Vertrag bringt der Liga binnen fünf Jahren 250 Millionen Euro.

Einstweilen jedoch gibt es keine Direktiven aus Peking, die Partie zwischen Köln und Bremen steht weiter im Programm - ein Spitzenspiel im Kampf gegen den Abstieg, mit dem sich der FC auch noch beschäftigen muss.

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