Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der 1. FC Köln - am Scheideweg zu Hause

Lesezeit: 3 min

Von Philipp Selldorf, Köln

Seit Armin Veh jetzt nach nicht mal zwei Jahren im Dienst des 1. FC Köln erklärt hat, die Arbeit mit dem Auslaufen seines Vertrags spätestens im nächsten Sommer zu beenden, macht sich mancher Kölner nicht mehr nur Sorgen um den Verein, sondern gleich um die ganze Stadt. Vehs Beschluss rührt am Selbstverständnis der Kölner. Hatte es ihm etwa nicht gefallen in der schönsten Stadt Deutschlands, über deren Himmel die Sterne tanzen?

Der Augsburger Schwabe Veh, 58, hat es in den knapp zwei Jahren seiner Amtszeit verstanden, die üblichen und von den Kölnern für unvermeidlich erachteten Liebeserklärungen an den Verein und den Geißbock, die Stadt und seine Bewohner zu vermeiden. Als er am Feiertag erläuterte, warum er entschieden hat, den vom Präsidenten Werner Wolf in Aussicht gestellten Folgevertrag auszuschlagen, war konsequenterweise von sentimentalen oder gefühlsmäßigen Aspekten keine Rede, lediglich von persönlichen und professionellen Beweggründen.

Veh hat, wie das seine Art ist, unabhängig und frei seine eigene Wahl getroffen. Es sei dabei nicht "um irgendwelche Personen" gegangen oder um Differenzen innerhalb der Klubführung (von denen es im Laufe der zwei Jahre einige gab), sondern um die private Motivation, sagte er: "Ich habe nicht mehr so viel Zeit, ich bin nächstes Jahr 59, das ist nahe an 60", und da stelle er sich die Frage: "Wie soll mein Leben aussehen? Wie will ich es gestalten?" Als Manager müsse man "powern", meint er, aber er habe sich lang genug im Fußballgeschäft aufgerieben. Die Arbeit beim 1. FC Köln, so lässt sich das deuten, hat ihm gewissermaßen den Rest gegeben.

Es ist nicht so, dass die Klub-Oberen von den Gedankengängen des Geschäftsführers überrascht wurden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der FC nun erneut eine schwierige Etappe auf dem Weg seines monumentalen Umbruchs bewältigen muss. Seit dem Zerfall der Idylle, die unter dem sportlichen Führungsduo Jörg Schmadtke/Peter Stöger bestanden hatte, sieht sich der Klub binnen zwei Jahren einem rasenden existenziellen Wandel unterworfen - Abstieg, Entlassungen von Führungskräften, Vorstandskrise, Funktionärsintrigen und Neuwahlen inbegriffen.

Nun kommt es vielen FC-Sympathisanten vor, als hätten sie alles, was gerade geschieht, kürzlich schon mal erlebt: dass der Manager geht, die Mannschaft keinen Erfolg hat und der Trainer auf unsicherem Posten steht. Veh hat seinen Beschluss zwar, wie er sagt, schon Wochen vor den jüngsten Niederlagen getroffen, doch dessen Bekanntmachung fällt in eine Zeit voller Anspannung und fügt weitere Unruhe hinzu. Der FC sei ein Klub, der am Scheideweg zu Hause sei, so hat es ein Mitarbeiter treffend ausgedrückt.

Nach der 2:3-Niederlage beim Pokalspiel in Saarbrücken wurden Zweifel an der Wirksamkeit von Achim Beierlorzers Trainerarbeit laut. Als Veh jetzt im Hinblick auf das bedeutungsvolle Abstiegskampfderby bei Fortuna Düsseldorf am Sonntag mit der sogenannten Trainerfrage konfrontiert wurde, hat er der Pressesprecherin Lil Zercher erst mal mitgeteilt, dass die Pressekonferenz lang genug gedauert habe, sonst werde "das hier zu viel" - aber die Antwort hat er nicht verweigert. Einerseits, sagte Veh, sei eine Trainerdiskussion "nichts Außergewöhnliches", sondern "völlig normal", andererseits sei dies etwas, was er niemals machen werde: ein Ultimatum zu stellen. "Ein Ultimatum ist Theorie, aber ich lebe in der Praxis." Die Forderung an den Trainer, ein Ergebnis zu liefern, "wäre oberflächlich und hätte mit Führung nichts zu tun"; die Mannschaft könne ja hervorragend spielen und trotzdem verlieren.

Das waren zwar weise Worte, doch was sie in der Praxis wert sind, das vermag wohl auch Veh nicht vorherzusagen. Beierlorzer ist, anders als der von Veh im Frühjahr entlassene Aufstiegscoach Markus Anfang, ein Trainer seiner Wahl, er genießt glaubhaft die Unterstützung des Managers. Nur ist der Manager halt demnächst nicht mehr da, nichts und niemand garantiert Vehs Verbleib bis zum Vertragsende im Sommer, seine Gestaltungsmacht lässt nach. Um die Nachfolge gibt es bereits Gerüchte. In Bielefeld sah sich Arminia-Präsident Hans-Jürgen Laufer schon veranlasst, dem Sportchef Samir Arabi ins Gewissen zu reden, damit er nicht auf die Idee kommt, ins Rheinland überzulaufen. Als logischer Kandidat gilt auch Horst Heldt, zurzeit ungebunden, der zudem den Vorteil hat, Rheinländer zu sein und einst beim FC gespielt zu haben. Der Nachteil ist, dass ihn Finanzchef Alexander Wehrle schon vor zwei Jahren nach Köln zu locken versucht hatte und dabei bitter enttäuscht wurde. Wie es heißt, will der Klub diesmal mit Hilfe eines Personalberaters nach Vehs Nachfolger fahnden.

Achim Beierlorzer muss andere Schicksalsfragen beantworten. Zum Beispiel, wie er das Problem mit Anthony Modeste löst. Der Mittelstürmer galt vor der Saison als Versicherung für den Klassenverbleib, aber der 31 Jahre alte Franzose schießt nicht bloß keine Tore - er hat auch keine Chancen mehr dazu. Modeste brauche Hilfe zur Selbsthilfe, sagt Beierlorzer: "Er hat es selbst kölsch formuliert: Er muss sein Torjäger-Kostüm wiederfinden." Eine kölsche Lösung wäre gerade in Düsseldorf das richtige Mittel, um die gedrückte Stimmung beim FC zu heben.

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Quelle:
SZ vom 02.11.2019
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