Bundesliga:Neues Kölner Lebensgefühl

1. FC Koeln v Sport-Club Freiburg - Bundesliga

Ismail Jakobs feiert den nächsten Kölner Erfolg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC gewinnt gegen Freiburg 4:0 und sammelt unter der Regie des handfesten Trainers Gisdol einen Punktevorrat für den Klassenerhalt.
  • Vor allem dank der Tore von Jhon Cordoba und der Zuarbeit des von Schalke geliehenen Offensivpartners Mark Uth.

Von Philipp Selldorf, Köln

Simon Terodde, 31, hätte im Januar zu einem Meisterschaftsanwärter gehen können, einem Klub mit großem Namen, der schon den größten aller Europapokale gewonnen hat. Aber der Mittelstürmer hat dankend darauf verzichtet, die Anfrage des Hamburger SV zu bejahen und in die zweite Liga zu wechseln. Terodde kennt die zweite Liga zur Genüge, er hat dort schon so viele Tore in Aalen, Aue, Bielefeld und natürlich auch in der Zweitligahauptstadt Sandhausen geschossen - insgesamt 118 in 220 Spielen -, dass es für zwei oder drei Mittelstürmerkarrieren reichte. Wäre er nun vom 1. FC Köln zum HSV weitergezogen, dann hätte er an seinem Lexikon-Eintrag über die ewigen Meisterschützen im Unterhaus arbeiten können (Platz eins belegt der legendäre Dieter Schatzschneider vor dem gleichfalls legendären Karl-Heinz Mödrath). Doch er hätte damit auch eingestanden, dass an den Gerüchten, die immer über ihn verbreitet wurden, etwas dran ist: dass er als Torjäger in der zweiten Liga ein König, in der ersten Liga aber nur ein Angreifer unter vielen ist.

Derzeit ist Terodde meistens auf Kölns Ersatzbank anzutreffen, und als er am Sonntagnachmittag um kurz nach fünf den Platz betreten durfte, gab es zwar eine Menge euphorischen Applaus, aber dieser galt vor allem dem Mann, den er ersetzte: Jhon Cordoba, der zum Kölner 4:0-Sieg gegen den SC Freiburg mehr als nur das 2:0 beigetragen hatte.

Zu Cordobas Vorzugsmomenten gehörten auch jene Szenen, in denen er sich als vorausgeschickte Angriffsspitze im Alleingang gegen eine Übermacht von schubsenden, stoßenden, checkenden Abwehrspielern behauptete, so dass es aussah, als besäße er die Kräfte des versteinerten Superhelden "das Ding". Cordobas enorme Wucht ist keine Neuigkeit, darüber wusste die Branche schon zu seinen Mainzer Zeiten Bescheid, weshalb er auf dem Markt begehrt und für die Kölner mal sehr teuer war. Doch inzwischen ist aus dem Rammbockstürmer auch ein ernst zu nehmender Torjäger geworden. In der zweiten Liga hatte er das angedeutet, als er für den Aufstieg des FC 20 Treffer stiftete, und neuerdings hat er auch in der ersten Liga den Lauf, den Simon Terodde so ersehnt: sieben Tore binnen neun Spielen, sechs davon unter der Regie von Trainer Markus Gisdol.

Dass Cordoba, 26, mit Gisdol an der Seitenlinie öfter trifft als unter Einwirken des Vorgängertrainers Achim Beierlorzer, das hat viel mit Gisdols geradlinig vorwärtsorientiertem Spiel zu tun, aber auch einiges mit seinem neuen Mitspieler. Die Frage, ob Terodde oder Anthony Modeste der bessere Partner für Cordoba wären, beantwortete der Klub in der Winterpause mit: Mark Uth. Dessen Wechsel nach Köln im Januar hat sich für den FC bisher nahezu phänomenal gelohnt, weil Uth zwei Leerstellen auf einmal besetzt: die des komplementären zweiten Angreifers neben Cordoba - und die des Initiators und Passgebers im offensiven Mittelfeld.

Ecken und Freistöße zum Sonderpreis

Ecken und Freistöße schießt Uth auch noch, weshalb er am Sonntag mittel- und unmittelbar an drei der vier Tore beteiligt war. Und das alles zum Sonderpreis, nachdem Uth den Leihtransfer aus Gelsenkirchen in die Heimatstadt durch zeitweiligen Lohnverzicht möglich gemacht hat. Den FC-Leuten ist freilich bewusst, dass ihr neuer Lokalheld im Sommer dann umso teurer werden würde, wenn sie ihn vollständig aus Schalke übernehmen wollten.

Die Kölner machen derzeit den Eindruck, als hätten sie ihr Glück gefunden und wollten es nicht mehr hergeben. Dass man Mitte Dezember in Anbetracht des Kontostandes von acht Punkten auf ein unfrohes Weihnachtsfest zusteuerte, ist nicht in Vergessenheit geraten, aber sehr, sehr weit weg vom aktuellen Kölner Lebensgefühl. Fünf Siege aus sechs Spielen machen den hier und da schon für rettungslos erklärten Aufsteiger zum Erfolgsmodell und den vom Publikum eher misstrauisch empfangenen Gisdol zum Erfolgstrainer.

Auch am Sonntag hat der kräftig gebaute Coach den weit weniger kräftig gebauten Manager Horst Heldt wieder gepackt und zur Feier des Tages in die Höhe gestemmt. Für die Zuschauer ist dieses Motiv allmählich ein gewohnt lustiger Anblick. Der Kölner Aufwärtstrend beruht jetzt erkennbar auf Substanz und hängt weitaus weniger vom Spielglück ab, als das zum Ende der Hinrunde noch der Fall war. Die vom handfesten Coach gebaute Mannschaft besitzt klare Konturen. Für die stolzen alten Idole Terodde und Modeste bleiben darin vorerst nur Nebenrollen, Gisdol moderiert ihre Deklassierung, indem er paritätisch Kurzeinsätze an sie verteilt.

"Kein Gegner hat jetzt Lust, hier nach Köln zu kommen und ein Bundesliga-Spiel zu bestreiten", hat Mark Uth im Vertrauen auf das neue Ansehen des FC-Fußballs am Sonntag behauptet. Die Punkte, die man gegen Freiburg gesammelt hat, dürfen dennoch als wertvoller Vorrat für den Abstiegskampf gelten: Im nächsten Spiel wartet das Derby in Mönchengladbach, dann kommt der FC Bayern nach Müngersdorf, und der lässt sich auch von Jhon Cordoba nicht die Lust aufs Gewinnen verderben.

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