1. FC Köln:Mulmige Gefühle haben jetzt die anderen

Eintracht Frankfurt v 1. FC Koeln - Bundesliga

Die Kölner jubeln wieder, hier Ismael Jakobs im Spiel gegen Frankfurt.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Als das doppelte Comeback besiegelt war, hatte Ismail Jakobs Glück, dass sich der Schiedsrichter nicht als besonderer Pedant erwies. In der Nachspielzeit vollendete der Kölner Jungspund einen Konter zum 4:2 in Frankfurt, er sprintete los, zog sich das Trikot aus, lief weiter, zog sich das Unterziehhemd aus und ließ sich in der Kurve feiern. Sich beim Torjubel eines Kleidungsstückes zu entledigen, bringt dem Jubler bekanntlich eine gelbe Karte ein. Aber der Unparteiische Deniz Aytekin verkniff es sich, jedes abgelegte Textil einzeln zu ahnden, sondern sprach nur für den Entkleidungsakt als Ganzen eine Verwarnung aus. So konnte Jakobs später mit kindlicher Freude mitteilen, wie herzlich egal ihm diese gelbe Karte sei.

Jedenfalls war Jakobs' Sprint das passende Finale eines Spiels, das den Abstiegskampf nicht nur mathematisch, sondern auch emotional ein wenig umsortierte. Die sichtlich müden Frankfurter, die in den vergangenen sechs Spielen nur einen Punkt holten, müssen vor dem abschließenden Hinrunden-Duell mit Schlusslicht Paderborn in der Tabelle langsam die Blickrichtung wechseln. Die Kölner wiederum haben nach diesem Abend nun allerlei Aspekte zu feiern, die es nach der bisher schwachen Saison zur Euphorisierung braucht.

Erstmals seit Oktober hat Köln die direkten Abstiegsplätze verlassen

Sie sind in diesem furiosen Spiel am Mittwoch zurückgekommen, indem sie aus einem 0:2 ein 4:2 machten, und damit gelang auch in der Tabelle das Comeback, erstmals seit Oktober die direkten Abstiegsplätze zu verlassen. Das Ganze haben sie auch noch mit einer besonders jungen Mannschaft geschafft, und nun treffen sie am Samstag just auf die kriselnden Bremer. Kölns Trainer Markus Gisdol wies aber sofort die These zurück, dass es sich um einen "dankbaren Gegner" handele.

Seit Mitte November ist Gisdol beim Aufsteiger Köln in der Verantwortung. Erst lief es nicht wirklich gut, aber das 4:2 in Frankfurt war nach dem 2:0 in Leverkusen der zweite Sieg nacheinander - und so kann sich der Coach jetzt feiern lassen für seine ersten Erfolge, insbesondere für sein Bekenntnis zur Jugend. Gisdol hat zuletzt erkennbare junge Startformationen aufgestellt. In Frankfurt gehörte der strahlende Abschluss-Torschütze Jakobs, 20, auf der linken Seite dazu. Verteidiger Nico Katterbach, 18, und Offensivspieler Jan Thielmann, 17, sind sogar noch später geboren. Insgesamt betrug das Durchschnittsalter der Kölner Startelf weniger als 24 Jahre.

"Natürlich hat uns das frisches Blut gebracht und auch die Sinne geschärft", sagt Gisdol zur großen Jugend-Fraktion in seiner Elf: "Aber ein Junger kann nicht funktionieren, wenn er von den Älteren nicht gut aufgenommen wird. Das klappt bei uns tadellos. Die Mischung macht es." Auch andere Argumente für den Aufschwung listen sie in Köln auf. Verteidiger Benno Schmitz etwa findet, dass "wir probieren, höher ins Pressing zu kommen und ein bisschen mutiger nach vorne zu verteidigen".

Die Frankfurter müssen aufpassen, dass es ihnen nicht wie Bremen geht

Doch bei allem Lob für Jugend und für mutigeres Verteidigen dürften die Kölner nicht verkennen, dass der erfolgreiche Verlauf des Mittwochabends nicht zuletzt an einer speziellen Szene lag: einem Glückstor von Kapitän Jonas Hector zum 1:2. Die Frankfurter waren besser gestartet und nach zwei aus Eckbällen durch Martin Hinteregger (6.) und Goncalo Paciencia (30.) verdient 2:0 in Führung gegangen. Doch dann zog Hector in der 44. Minute einfach ab, und der Ball wurde unhaltbar abgefälscht. Ein "mulmiges Gefühl" habe er in der Pause trotz der Führung gehabt, berichtete Frankfurts Djibril Sow, und dieses mulmige Gefühl sollte sich bewahrheiten: Nach der Pause fand Frankfurt gar nicht mehr ins Spiel, die Kölner offenbarten größeren Siegeswillen und mehr Frische, und so trafen noch Sebastian Bornauw (72.), Dominick Drexler (81.) - und Jakobs.

Jetzt also müssen die Frankfurter aufpassen, dass es ihnen nicht ein wenig wie Werder Bremen geht. Bei der Eintracht gibt es gerade Debatten darüber, ob sie nicht zu lange nach oben geschielt und sich zu spät auf die Realität Abstiegskampf eingestellt hätten. Trainer Adi Hütter gibt sich in diesem Kontext noch entspannt: "Die Tabelle können wir lesen", sagt er, "aber trotz allem sind wir mitten drin, wo es in beide Richtungen gehen kann."

Das ist schon mathematisch nicht ganz richtig, weil es nach unten nur noch vier Punkte Abstand sind und auf die Europapokalplätze schon sieben. Aber noch entscheidender ist, dass die Frankfurter derzeit gezeichnet sind von den anstrengenden vergangenen Monaten und der Mehrfachbelastung aus Liga, Europa League und Pokal. 55 Pflichtspiele bestritt die Elf bereits im Kalenderjahr 2019, allein 30 seit Beginn der neuen Saison, das sind deutsche Rekordzahlen. Zudem war Hütter nicht gerade Verfechter eines Rotationssystems. Die Spieler seien körperlich und psychisch müde, oft träfen sie deswegen die falschen Entscheidungen, sagte Hütter nun dazu.

Doch die Erholungsmöglichkeiten sind auch über die Weihnachtspause begrenzt. Am 2. Januar geht es für die Eintracht schon wieder los mit dem Trainingslager in den USA. Hütter will die Reiseumstände dennoch nicht dramatisieren - sein Hinweis dazu: Voriges Jahr seien sie in der Winterpause in Florida gewesen - danach schaffte es Frankfurt ins Halbfinale der Europa League.

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