1. FC Köln:Gegentore wie in der Bezirksliga

1. FC Koeln v Hertha BSC - Bundesliga

Dedryck Boyata freut sich nach seinem Kopfballtreffer zum 4:0.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der 1. FC Köln zeigt beim 0:4 gegen Hertha BSC seine beiden schlechtesten Halbzeiten der Saison.
  • Prompt kamen schlechte Erinnerungen an das Abstiegsszenario der vorvergangenen Saison auf.
  • Grundsätzliche Zweifel weist Sportdirektor Armin Veh aber von sich.

Von Philipp Selldorf, Köln

Ein paar Minuten vor der Halbzeitpause erschien auf der Anzeigetafel im Stadion in Köln-Müngersdorf das Bild einer Bratwurst. Gut durchgegrillt, ohne Senf, Ketchup und überflüssige Saucen, eine pure, leckere Wurst. Trotz des gelungenen Arrangements verfehlte die Werbung am Sonntagabend die gewünschte sympathiestiftende Wirkung, denn diesmal hatte die Bratwurst eine Falschmeldung verbreitet. Wie das in Köln der Brauch ist, hatte sie im Namen eines Sponsors bekanntgemacht, dass soeben ein Spieler die gelbe Karte erhalten habe. Doch während die leckere Bratwurst dies berichtete, revidierte der Schiedsrichter nach einem Zwischenruf der Videoinstanz - diesmal zum Kölner Ortstarif - sein ursprüngliches Urteil. Die Verwarnung für den Kölner Verteidiger Jorge Meré verwandelte er in eine rote Karte.

Und während der Unparteiische Sören Storks dem Spanier mitfühlend den Arm um die Schultern legte und ihm die Gründe für den neuen Beschluss erklärte, machte sich das Gros des heimischen Publikums beim Stand von 0:1 bereits mit der nächsten Niederlage vertraut. Fortan blieb es ungewohnt still in Müngersdorf. Viele FC-Anhänger erlebten den Abpfiff nicht mehr im Stadion, weil sie resigniert den vorzeitigen Heimweg angetreten hatten.

Solche Abende habe er "schon x-Mal erlebt", versuchte zwei Stunden später Sportdirektor Armin Veh eine beruhigende Botschaft zu versenden. Außer dem Abwehrspieler Meré hatte der 1. FC Köln auch das Spiel gegen Hertha BSC verloren, und zwar um keinen Treffer zu knapp mit 0:4 (0:1), was der Niederlage naturgemäß einen dramatischen Anstrich gab. Doch der Geschäftsführer Veh ließ sich keine Ahnung eines Dramas anmerken, ruhig und gelassen kommentierte er den Abend und die Lage des Aufsteigers. Das tat er aber wohl nicht deshalb, weil er unbedingtes Vertrauen in das Team und den Trainer hat, sondern weil er weiß, dass es auch ohne seinen kritischen Beitrag genügend Leute in Köln gibt, die jetzt zur Panik neigen.

Gegen eine merklich verunsicherte und auch sonst wenig teilnahmsvolle Hertha hatten die Kölner durchaus schwungvoll begonnen. Aber dieser Schwung war nach zwei vertanen Kopfballchancen für Jhon Cordoba bald dahin, und dann ergab sich ein Gesamtbild, das Veh später so zusammenfasste: "Vorne sind wir nicht effektiv. Und hinten sind wir auch nicht effektiv."

Die Berliner wurden von ihren Gastgebern nicht direkt eingeladen zum Toreschießen, aber mindestens höflich dazu aufgefordert. Javairo Dilrosun durfte gemütlich Maß nehmen, bevor er aus 18 Metern zum 1:0 ins Tor schoss (23.). Kölns Trainer Achim Beierlorzer sprach von "situativer Passivität", seine Spieler hätten wohl gedacht: "Der wird schon nicht treffen." Regungslos verfolgte auch Torwart Timo Horn den flatterhaften Weg des Balls, später beschwerte er sich über die Kollegen: "Da vermisse ich einfach, dass man alles dafür tut, das Tor zu verteidigen." Die ohnehin bedrückt wirkenden Kölner (die schon nach zwei Minuten den wichtigen Offensivarbeiter Dominik Drexler wegen einer Muskelverletzung ersetzen mussten) hatten große Probleme, das 0:1 zu verkraften, der Platzverweis wenig später erzeugte eine Art Schockzustand.

Schlechte Erinnerungen an das Abstiegsszenario von 2017/18

Nach der Pause versuchte sich der FC noch mal an der Wende, aber damit war es vorbei, als nach 58 Minuten Vedad Ibisevic den Platz betrat. Der Hertha-Routinier brauchte nur eine Minute, um die Partie mit einem originalen Torjägertreffer zu entscheiden. Weitere vier Minuten später fügte er ein zweites Tor derselben originalen Sorte hinzu, der Kölner Innenverteidiger Sebastian Bornauw sah beide Male noch viel jünger aus, als er ohnehin ist (20 Jahre). Ibisevic hatte den hausinternen Sturm-Konkurrenten, besonders dem verdientermaßen zeitig ausgewechselten Davie Selke, mal eben vorgeführt, wie man es richtig macht im Strafraum.

"Es fühlt sich gut an, immer wieder zu zeigen, dass es noch geht", sagte Ibisevic, als ob er mit 35 Jahren schon in der Rente stünde. Gegen die Kölner trifft der Berliner Angreifer übrigens besonders gern, ein Dutzend Tore sind es nun in 15 Liga-Spielen, aber so leicht wie diesmal ist es ihm noch nie gefallen. "Normalerweise" gebe es solche Tore "nur in einer anderen Liga", sagte FC-Sportchef Armin Veh, er dürfte dabei an die Bezirksliga gedacht haben.

Bisher hatte der Aufsteiger Köln, auch beim 0:4 in München in der Woche zuvor, vorwiegend gute Haltungsnoten bekommen, der Punktemangel in der Tabelle ließ sich mit dem schweren Startprogramm erklären. Als es jetzt gegen Hertha darauf ankam, das Konto zu füllen, gab es die beiden schlechtesten Halbzeiten der Saison, und prompt kamen schlechte Erinnerungen an das Abstiegsszenario von 2017/18 auf. Er könne sich "vorstellen, was da jetzt passiert", sagte der Berliner Verteidiger Lukas Klünter, der vor zwei Jahren noch FC-Profi war. "Ich will nicht, dass es wie vorletztes Jahr läuft", meinte auch FC-Stürmer Anthony Modeste, der damals durch sein Fortgehen nach China wesentlich dazu beigetragen hatte, wie es lief. Am Sonntagabend sah es aus, als lägen seine glorreichen Zeiten weit zurück, Modeste gelang nichts.

Grundsätzliche Zweifel wies Veh aber von sich. In der Aufstiegssaison hat er gelegentlich öffentlich gepoltert, wenn ihm die Entwicklung nicht gefiel, den Trainer Markus Anfang entließ er, obwohl der FC auf Platz eins stand. Jetzt jedoch sehe er keinen Grund zum Eingreifen, versicherte Veh: "Ich glaube absolut, dass wir die Qualität für die erste Liga haben." Auf der Anzeigetafel lässt sich das noch nicht abbilden.

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