Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Köln drückt den Reset-Knopf

  • Der 1. FC Köln verliert durch einen Foulelfmeter in der 97. Minute unglücklich gegen die TSG Hoffenheim.
  • Unmittelbar nach Schlusspfiff verkündet der Klub die sofortige Trennung von Sportchef Armin Veh.
  • Am Samstag folgt das Aus von Trainer Achim Beierlorzer.

Von Philipp Selldorf, Köln

Über den neuen Kollegen Jürgen Locadia erzählt Sebastian Rudy, dieser sei nicht nur "ein cooler Typ", sondern auch "gelassen und gut drauf". Den Wahrheitsgehalt dieser Charakterisierung stellten am Freitagabend knapp 50000 Anhänger des 1. FC Köln auf die Probe, als sie durch Pfeifen und zorniges Geschrei versuchten, Locadia aus der Ruhe zu bringen. Das Spiel zwischen dem 1. FC Köln und der TSG Hoffenheim war bereits in der 97. Minute angelangt, etliche Unterbrechungen hatten den pünktlichen Schlusspfiff verhindert. Die nächste Pause entstand dadurch, dass Schiedsrichter Robert Kampka zur Mittellinie geeilt war, um den Videoschirm zu konsultieren.

Die meisten Fans des FC, aus Erfahrung fatalistisch geworden, wussten den Lauf der Dinge vorherzusagen, sobald sich Kampka in Bewegung gesetzt hatte: Es würde nicht beim zunächst angezeigten Freistoß für Köln bleiben, sondern Elfmeter geben - für Hoffenheim. Locadia trat zur Ausführung an, blieb cool und beendete den Lärm auf den Rängen mit einem präzisen Schuss in die linke Ecke. Es war der Siegtreffer zum 2:1 für Hoffenheim, "das war natürlich bitter für Köln", wie Rudy mitfühlend anmerkte. Besonders bitter war das für Kölns Trainer Achim Beierlorzer, der am nächsten Tag den Preis für die Niederlage bezahlen musste: Der Verein beurlaubte ihn. Seine Assistenten André Pawlak und Manfred Schmid übernehmen die Arbeit.

Man sei leider zu diesem Schritt gezwungen, erklärte der kommissarische Sportchef Frank Aehlig, der an die Stelle seines vormaligen Chefs Armin Veh getreten ist. Da der "erhoffte sportliche Erfolg ausgeblieben" sei, müsse man nun "alles dafür tun, dass der FC seine Ziele erreicht. Daher haben wir diese Entscheidung gemeinsam mit Vorstand und Geschäftsführung und in Abstimmung mit dem Gemeinsamen Ausschuss getroffen. Wir arbeiten ab sofort daran, einen neuen Cheftrainer für den FC zu finden, der mit unserem Team einen Neustart und die sportliche Wende schafft."

Keine Ruhe für den Verein

Beierlorzers letztes Spiel als FC-Trainer war ein Stück aus dem Abstiegskampf, aber alles andere als eine klassische Versagernummer. Unter jenen Hoffenheimern, die sich später zu der Partie äußerten, herrschte Einigkeit, dass ein Unentschieden den Spielverlauf korrekt wiedergegeben hätte. Gegen drei Punkte und den fünften Bundesligasieg hintereinander hatten sie trotzdem nichts einzuwenden, die TSG-Profis befinden sich mitten in einer Phase, in der ihnen das Glück lacht. Letzteres lässt sich über die Spieler des Aufsteigers nicht sagen. "Das müssen wir jetzt erst einmal verarbeiten, das ist schon knallhart", sagte Angreifer Simon Terodde. Auf dem Platz hatten sich die Spieler immerhin noch an Schiedsrichter Kampka und seinen Helfern abreagieren können, es gab wilde Proteste gegen seinen Revisionsentscheid und wohl auch manche Beleidigung, welche die DFB-Gesandten gnädig überhörten. Aber mit dem Verlassen des Spielfeldes stand für Terodde fest, dass man nun wieder zur Vernunft kommen müsse. "Wir sind im Abstiegskampf. Alle mal wieder ein bisschen runterfahren", empfahl der Angreifer.

Die Geschehnisse im Geißbockheim sind allerdings nicht dazu angetan, rund um den Verein Ruhe und Gelassenheit herzustellen. Mit dem Schlusspfiff hatte der Klub mitgeteilt, dass Sportchef Armin Veh und der FC ab sofort getrennter Wege gingen, das ohnehin für den Sommer angekündigte gegenseitige Lebewohl wird damit vorgezogen, angeblich "einvernehmlich". Dieses Kommuniqué zu verschicken, nachdem sich gerade die nächste dramatische Niederlage vollendet hatte, das zeugt außer von Mangel an Gefühl für den richtigen Moment auch von einer seltsamen Kommunikationspolitik. Frank Aehlig verteidigte das Verfahren: "Wir wollten den vollen Fokus auf das Spiel legen. Danach hätte es aber keinen Sinn mehr gemacht, Armin mit irgendwelchen erfundenen Gründen anschließend nicht mehr sprechen zu lassen." Er habe seit Donnerstagabend Bescheid gewusst: "Armin ist seiner Verantwortung als Geschäftsführer bis zum Schluss nachgekommen. Die Bekanntgabe seines Entschlusses, nicht zu verlängern, hat aber als Beschleuniger gewirkt."

Veh, 58, hatte - bereits außer Dienst - die Partie auf der Tribüne verfolgt, er saß neben seinem vormaligen Geschäftsführerkollegen Alexander Wehrle und Präsident Werner Wolf. Als Jhon Cordoba die Kölner in Führung schoss (34.), mochte sich der ehemalige Manager nicht zum Jubeln bequemen. Er saß unbewegt da, als wäre er mit den Gedanken schon wieder zuhause in Augsburg.

Leistungen der gemischten Art

Dass am Wochenende der nächste Trennungsbeschluss anstehen werde, das entsprach der allgemeinen Erwartung. Achim Beierlorzer, 51, hatte bereits nach der Niederlage in Düsseldorf (0:2) am vorigen Sonntag zur Disposition gestanden. Unter anderem war es Vehs Fürsprache, die ihm eine Bewährungsfrist verschafft hatte. Terodde hatte am Freitagabend nicht erkennen lassen, dass er - trotz Stammplatz - ein leidenschaftliches Votum für seinen Coach abgeben werde. Auf entsprechende Befragung wich er dem Treueeid konsequent aus. Auch Beierlorzer selbst mochte keine Plädoyers in eigener Sache halten, die Vereinsoberen müssten selbst wissen, ob sie nun "den Reset-Knopf drücken" wollten. Weder erweckte er einen gereizten noch einen niedergeschlagenen Eindruck, er hat es offenbar verstanden, sich mit der undankbaren Situation im chaotischen Köln zu arrangieren. "Wir haben sieben Punkte, das ist zu wenig", erklärte er.

Gegen Hoffenheim hatten die Kölner eine Leistung der gemischten Art geboten: Gelungene Phasen mischten sich mit Passagen, in denen Fehlpass an Fehlpass gereiht wurde. Dass sich dabei die versierten Techniker Jonas Hector und Ellyes Skhiri hervortaten, zeugte von der hohen Nervosität. Manchmal bewegten sich die Spieler, als hätten ihnen Mafiosi Zementschuhe verpasst.

Dennoch hatte nicht mehr als die Breite einer Hacke gefehlt, um aus sieben zehn Punkte zu machen und damit auch Beierlorzers Job zu retten. Unmittelbar vor dem Elfmeterentscheid auf der anderen Seite hatte Simon Terodde die Möglichkeit zum 2:1 gehabt. Er stand am richtigen Flick für Kingsley Schindlers Zuspiel, doch der Mittelstürmer traf den Ball nicht - beim Versuch des Absatzkicks zischte er zwischen seinen Füßen davon. Dann kam die Szene, die Kampka am Fernsehschirm entschied. Beierlorzer sah es und lächelte ein sarkastisches Lächeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4675009
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/schm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.