Machtkampf beim DFB:Feuern, täuschen, mundtot machen

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DFB-Interimspräsident Rainer Koch (links) mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann am Rande des deutschen EM-Eröffnungsspiels gegen Frankreich. (Foto: Fabian Frühwirth/Imago)

Der offene Coup gegen die Ethiker dürfte auch dem Letzten offenbaren, wie die DFB-Spitze um Rainer Koch tickt: Es braucht dringend gesellschaftliche Stimmen, die das absurde Treiben im Verband beenden.

Kommentar von Thomas Kistner

Gäbe es da nicht diese Abgründe, die schon Strafermittler stutzig machen: Die Affäre-Serie im Deutschen Fußball-Bund ließe sich als feinstes Sommer-Kabarett genießen. Ein perfektes Setting im Schatten der EM-Spiele offenbart auch der jüngste Eklat: die Zerstörung der kritischen Ethik-Kommission. Knapp 20 Vorgänge wurden durch das Gremium unter der interimistischen Führung des Juristen Bernd Knobloch seit dem vergangenen Herbst bearbeitet, sie trugen zum Rücktritt des Präsidenten Fritz Keller bei - aber halt auch zum Abgang von Friedrich Curtius. Der Generalsekretär bildete mit Schatzmeister Stephan Osnabrügge und dem starken Mann im DFB, Vize Rainer Koch, ein Trio, das Keller erbittert bekämpft hatte.

Die Arbeit der Ethiker fiel nicht zur Freude dieses Trios aus, das immer noch sogenannte "Geschäftsgeheimnisse" seiner obskuren Dienstleister zu verdecken sucht. Da war es für sie ein Glücksfall, dass sich Keller mit seinem auf Koch gemünzten "Freisler"-Gemurmel, einer Anspielung auf den berüchtigtesten Nazi-Richter, selbst aus dem Amt katapultierte - kurz bevor er sie wohl zur Strecke gebracht hätte.

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Die Spitze des DFB provoziert durch die Wahl der neuen Ethik-Chefin quasi die Auflösung des Gremiums. Das kommt ausgerechnet Interimspräsident Rainer Koch zugute, mit dessen Verhalten sich die Kontrolleure zuletzt beschäftigten.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Keller ging. Aber Curtius auch, Osnabrügge wird nicht mehr kandidieren. Und Koch? Stolperte die Treppe rauf, ist das dritte Mal Interimschef. Es ist die höchste Kunstform des Netzwerkens, wenn es einer schafft, sich in einem Verband für sieben Millionen Menschen formal als völlig unverzichtbar einzurichten. Too big to fail?

Als Amateurchef beherrscht Koch das Stimmvolk, als Vize Recht die Satzung, als Boss der Verbände Bayerns und Süddeutschlands kann man vieles verteilen und bewilligen. Auch fürs internationale Geschäft braucht Deutschlands Fußball natürlich Rainer Koch, er ist Vorstand in der Europa-Union Uefa. So schreitet mit der Spaltung des DFB auch die Verzwergung voran - international werden Koch und Interims-Partner Peter Peters als deutsche "Zwillinge" belächelt.

Im Lichte aller Vorgänge hat es zwingende Logik, dass die DFB-Spitze die unbotmäßigen Ethiker abservierte. Das zeigt allein diese Entscheidung über den Vorsitz, die völlig willkürlich und ohne Not angesetzt wurde. Und das nährt der Umstand, dass der Eklat inmitten von Anhörungen zu Kochs Umgang mit der kritischen Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb provoziert wurde.

Zu alldem passt, dass die Wahl der Koch-Fraktion auf Irina Kummert fiel, ein Mitglied des vierköpfigen Ethikgremiums, das in gewissen Fragen für sich stand - und nun weitermachen will. Obwohl sich Leute wie Nikolaus Schneider, viele Jahre höchster Repräsentant der evangelischen Kirche und eine moralische Instanz im Land, als "Schachfigur" benutzt sehen und angewidert abwenden.

Aus dem willfährigem Kameradenvolk beim DFB ist kein Aufbruch zu erwarten

Spätestens der offene Coup gegen die Ethiker lässt keinen Spielraum mehr für Interpretationen. Aber aus dem willfährigen, ferngesteuerten Kameradenvolk im DFB selbst ist kein Aufbruch zu erwarten. Das unterscheidet ihn von Organisationen wie dem deutschen Sportdachverband DOSB, der viele Interessen, unterschiedliche soziale und gesellschaftliche Milieus zu vertreten hat und nicht alles in denselben Schraubstock pressen kann.

Um den DOSB gibt es Kräfte, die dem Treiben an der Spitze soeben ein Ende setzten - dank der Aktivität der DOSB-Ethikkommission. So eine gibt es im DFB nicht mehr; das, was nun bald zurechtgestrickt wird, darf nicht mehr ernst genommen werden.

Deshalb braucht, wenn der Sieben-Millionen-Verband nicht länger Spielball einiger Funktionäre und ihrer "Geschäftsgeheimnisse" bleiben soll, der Fußball nun externe Kräfte. Es braucht, eingedenk der Größe und Bedeutung dieses Sports, gesellschaftliche Stimmen, die das absurde Treiben beenden. Der Eindruck des Publikums ist bereits in verheerenden Umfragewerten dokumentiert.

Sponsoren wie VW und Adidas übten zwar schon Kritik, doch deftige Briefe reichen nicht mehr. Jetzt greift die Sponsor-Vereinigung S20 erneut an. Aber wer gern öffentlich eigene Compliance-Orgien beschwört, darf nicht sehenden Auges Geld in einen Verband pumpen, dessen Ruf immer heftiger ramponiert wird. Responsible Sponsoring bleibt ein billiges Schlagwort, solange es nur im Regelheft steht.

Aber vor allem gibt es Institutionen, die längst aufmerksam zuschauen, und denen eingedenk der Tragweite des Themas eine Schlüsselrolle zufällt: Ermittlungsbehörden. Wie in diesem DFB seit Monaten gefeuert und geheuert, getrickst und mundtot gemacht wird, das offenbart ein klares Ablaufmuster. Wenn Spitzenfunktionäre im Kampf um die Macht keine Schmerzgrenze mehr kennen, gibt es dafür Gründe. Diese Gründe müssen ans Licht.

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