BVB-Torwart Gregor Kobel:Dortmunds vielarmiger Kronzeuge

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Greift nach Sternenball und Schale: BVB-Torwart Gregor Kobel möchte deutscher Meister werden. (Foto: Kolvenbach/Kolvenbach / imago)

Natürlich, sagt der Keeper aus der Schweiz, spiele der BVB "um die Meisterschaft mit". Das liegt nicht zuletzt an seinen konstant starken Leistungen. Die werden allerdings inzwischen auch in München und England registriert.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Der Torwart Gregor Kobel, 25, hat keine Abmahnung erhalten, nachdem er kürzlich ein Geheimnis verraten hatte: "Natürlich spielen wir um die Meisterschaft mit", sagte er zuletzt in einem Interview nach dem 1:0 in Hoffenheim. Eigentlich ist den Spielern bei Borussia Dortmund allerdings Demut verordnet. Forsche Saisonziele zu formulieren, verkneifen sich Kobels Kollegen bewusst, obwohl jeder Laie beim Blick auf die Bundesliga-Tabelle erkennt, dass der BVB eine reelle Chance besitzt, erstmals seit 2012 wieder die Schale zu holen - und die seither gültige Phalanx des FC Bayern zu durchbrechen.

Dortmund ist nach knapp zwei Dritteln der Saison punktgleich mit dem Tabellenführer aus München. Das Momentum spricht sogar für die Borussen, weil sie die ersten sieben Ligaspiele des Jahres 2023 gewonnen und dadurch binnen sieben Wochen neun Punkte auf Platz eins aufgeholt haben. Das Offensichtliche aussprechen mag bislang aber nur Gregor Kobel. Torhüter, sagt man ja, ticken ein bisschen anders, und wenn das auch für freimütige Geständnisse aus dem Gefühlsleben eines Bundesliga-Kaders gilt, dann ist Kobels Rolle als Kronzeuge der Dortmunder Ambitionen natürlich sehr zu begrüßen.

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Kobels Offenherzigkeit könnte auch motiviert sein durch seinen erheblichen Eigenanteil daran, dass Dortmund sowohl in der Liga, als auch im Pokal und in der Champions League noch chancenreich mitspielt. Beim 1:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel gegen den FC Chelsea sicherte der 25 Jahre alte Schweizer seinem Team vielarmig die Null. Somit kann der BVB am kommenden Dienstag in London nach zwei Jahren wieder mal ins Viertelfinale des bedeutendsten Klubwettbewerbs in Europa einziehen.

Zuvor empfangen die Borussen im Tagesgeschäft aber erst noch RB Leipzig zu einem deliziösen Spieltags-Horsd'oeuvre (Freitag, 20.30 Uhr). Kobel, der in den vergangenen sieben Ligaspielen mit 27 Paraden und nur sechs Gegentoren statistisch der beste Bundesliga-Torwart war, will auch gegen Verfolger RB dafür bürgen, dass der Lauf des BVB anhält. Möglich sind der zehnte Pflichtspiel- und der achte Ligasieg in Serie. Letzteres wäre die Einstellung eines Vereinsrekords, ein weiterer Sieg im Derby nächste Woche auf Schalke könnte dann historisch sein.

Kobel spielte bereits in der A-Jugend der TSG Hoffenheim unter Trainer Julian Nagelsmann

Dortmunds Aufholjagd in dieser Saison lässt Kobels aktuelle Leistungen noch strahlender erscheinen. Sie strahlen sogar über den ganzen Kontinent. Die Schweizer Zeitung Blick will erfahren haben, dass Manchester United und Chelsea Interesse an Kobel entwickelt haben. Da wären die reichen Engländer allerdings nicht die Einzigen. Auch dem FC Bayern werden Seitenblicke nachgesagt, denn irgendwann benötigen die Münchner einen Nachfolger für Manuel Neuer, 36, der deutlich jünger ist als dieser und als dessen aktueller Vertreter Yann Sommer, 34.

Und Kobel hat von 2014 bis 2018 bei der TSG Hoffenheim unter dem Trainer Julian Nagelsmann gespielt, in der A-Jugend und später auch bei den Profis sechs Mal. Mittlerweile ist nicht nur Nagelsmann bei den Bayern gelandet, sondern auch der damalige TSG-Torwarttrainer Michael Rechner. Die Münchner Fraktion und Kobel kennen und schätzen sich.

Kobels Vertrag in Dortmund gilt allerdings noch mehr als drei Jahre. Sportdirektor Sebastian Kehl hat Spekulationen über einen Wechsel des Torwarts Richtung Süden in brüskem Ruhrpott-Idiom bereits als "Stuss" abgetan. "In den nächsten zwei Jahren definitiv nicht", behauptete Kehl, "weil Gregor einen Vertrag bis 2026 hat." Es ist für die Borussen aber wohl kein großer Vorteil, dass Kobels Schweizer Berater Philipp Degen von 2005 bis 2008 selbst in Dortmund gespielt hat.

Monetäre Argumente wiegen in der Branche mehr als sentimentale, und mit wirtschaftlichen Argumenten könnten dem BVB außer den Bayern auch andere europäische Klubs gefährlich werden. Dass Kobel sich in der Kabine besonders gut mit Jude Bellingham versteht und der Brite im Sommer wohl vor einem Wechsel in die Heimat steht, sollte wiederum auch kein Indiz für einen baldigen BVB-Abschied des Torwarts sein.

Für Kobel dürfte in den kommenden Jahren so oder so mancher Lebenstraum in Erfüllung gehen, denn er wollte nie etwas anderes werden als Fußballer. Sein Vater Peter war Eishockey-Profi in der Schweiz. Auch Sohn Gregor versuchte es zuerst auf dem Eis, aber dort sprang kein Funke über. Fußballtorwart lautete Kobels Berufung: "Ich fand es schon als Junge cool, mich in die Bälle reinzuwerfen." In einer Kinderfragestunde wurde er neulich gefragt: "Bist du manchmal traurig, dass du als Torwart keine Tore schießen kannst?" Da hat Kobel genickt. "Auf jeden Fall. Das werde ich wahrscheinlich nie erleben, aber vielleicht kann ich ja mal bei einem Eckball mit nach vorne gehen." Das Gefühl, selbst Bälle zu versenken, ergibt sich zumindest aus Kobels Freizeitgestaltung: Er spielt gerne Golf und Basketball.

Solange die Dortmunder in ihren Spielen kurz vor Schluss derzeit immer führen, wird es schwierig für Kobel, mal mit nach vorne zu gehen. Jetzt kommen allerdings ein paar besondere Spiele: in den nächsten neun Tagen gegen Leipzig, Chelsea und Schalke sowie ab April dann nacheinander gegen Bayern, Leipzig (DFB-Pokal) und Union Berlin. Schon die nächsten drei Spiele bezeichnet Trainer Edin Terzic als "bislang wichtigste Woche in dieser Saison". Es sind wegweisende Partien, auch für Gregor Kobel. Die Sache mit der Meisterschaft meint er schließlich ernst.

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