Süddeutsche Zeitung

USA: Kobe Bryant:Basketball und Völkermord

Alles nur wegen eines Werbevertrags: Basketball-Idol Kobe Bryant leiht sein Gesicht einer türkischen Fluglinie - armenische Oranisationen werfen ihm darum vor, mit einem Staat zu sympathisieren, der einen Genozid leugnet.

Kai Strittmatter, Istanbul

Es gibt Dinge, die suchen das politische Amerika Jahr für Jahr so regelmäßig heim wie der Wintereinbruch. Eines davon ist der jährliche Streit über eine Anerkennung des vom osmanischen Reich vor fast 100 Jahren begangenen Völkermordes an den Armeniern durch den US-Kongress. Traditionell tobt die Debatte darüber, befeuert von der armenischen Diaspora, zu Beginn eines jeden Jahres, und zieht sich dann bis ins Frühjahr hinein.

Nach viel Hin und Her folgt der Kongress dann am Ende stets den Beschwörungen der amerikanischen Regierung, um Himmels willen nicht die Türkei zu verprellen, die man als Alliierten in unsicheren Weltgegenden dringend braucht. Diesmal aber ist vieles anders. Die Auseinandersetzung setzte schon Mitte Dezember ein, viel früher als gewöhnlich - und sie ist diesmal ein größeres Spektakel als sonst, verschont sie doch nicht einmal die NBA, Amerikas Basketballliga, und einen ihrer größten Stars, Kobe Bryant.

Bis vor kurzem hatte Bryant, der für die Los Angeles Lakers spielt, weder mit Armenien noch mit der Türkei etwas zu schaffen. Das änderte sich, als er einen Werbevertrag unterzeichnete mit Turkish Airlines TA, der rasant wachsenden türkischen Fluglinie. Der Deal trug ihm eine wütende Protestkampagne der einflussreichen armenischen Diaspora ein. TA schmückt sich schon seit einiger Zeit mit Stars der internationalen Sportszene.

Die Fußballer von Manchester United und dem FC Barcelona werben ebenso für die türkische Fluglinie wie die dänische Tennisspielerin Caroline Wozniacki. Bewusst setzt die Fluglinie auf Berühmtheiten, sie unterstreicht damit ihr Ziel, ein Global Player zu werden. TA ist eine der größten Erfolgsgeschichten der Ära von Premier Tayyip Erdogan, dessen Regierung 51 Prozent des einstigen Staatsbetriebes verkaufte.

Das dann folgende Wachstum war gewaltig. 2003 transportierte TA 10 Millionen Passagiere, heute sind es 31 Millionen. Allein in diesem Jahr waren es 17,5 Prozent mehr Fluggäste - und die Expansion geht weiter: Zehn neue internationale Ziele will TA im nächsten Jahr anfliegen, darunter auch Los Angeles.

Und hier kommt Kobe Bryant ins Spiel, mit einem Jahresgehalt von 30,5 Millionen Dollar laut dem Magazin Forbes der best verdienende Basketballer der Welt. Zur Feier des anstehenden Jungfernfluges nach Los Angeles spendierte sich TA Bryant als neuen "globalen Markenbotschafter".

So wurde das letzte Woche verkündet. Bryant sagte dem Sportsender CNBC brav, nach allem, was er höre, sei die Türkei "einer der angesagtesten Plätze" der Welt. Bryants Pech war wohl, dass er seine neu entdeckte Liebe zur Türkei ausgerechnet in der heißen Phase der neuen Kampagne der armenischen Diaspora für eine Völkermordresolution in Washington verkündete.

Die Armenier in den USA sehen in diesen Tagen eine letzte Chance, die ihnen wohl gesonnenen Demokraten, vor allem Repäsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi, zu einer solchen Resolution zu überreden, bevor die bei den Wahlen siegreichen Republikaner im Januar das Heft übernehmen. Bryant jedenfalls sah sich mit einem Mal von der Diaspora porträtiert nicht als Sprecher einer erfolgreichen Fluglinie, sondern als Sympathisant eines Verbrechen leugnenden Staates.

Von "Kobe Bryants Direktflug in die Unmenschlichkeit" sprach die US-Armenische Jugendföderation. Das Armenische Nationale Komitee der USA erinnerte Bryant daran, dass in Kalifornien bis zu 700.000 Armenier lebten: "Und viele sind Fans der Lakers und Fans von Kobe. Zumindest bis jetzt." Die US-Armenier fordern nun von Bryant, er solle sich, als Wiedergutmachung quasi, nun für die Resolution im Kongress einsetzen.

Ankara derweil setzt wieder einmal alle Hebel in Bewegung, um eine solche zu verhindern. Premier Erdogan warnte in einem Brief an US-Präsident Barack Obama vor "irreparablen Folgen". Die US-Regierung ließ durch einen Sprecher ebenfalls mitteilen, dass sie eine Genozid-Resolution für politisch höchst unklug hielte: Barack Obama hatte als Präsidentschaftskandidat zwar mehrmals erklärt, dass er die Massaker und Todesmärsche von 1915 tatsächlich für einen Völkermord halte, seit seinem Amtsantritt hält er sich jedoch zurück.

Die USA braucht die Türkei als Alliierten. Sie bedient sich ihrer als Vermittler in der Region, türkische Soldaten patrouillieren in Afghanistan, und wenn die US-Soldaten aus dem Irak abgezogen werden, dann soll das vor allem über die Türkei geschehen. Im türkischen Incirlik betreiben die USA eine der wichtigsten Flugbasen im Mittleren Osten. Am Sonntag erst teilte Obama der Zeitung Hürriyet mit, für ihn sei das Verhältnis zur Türkei heute "wichtiger als früher".

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SZ vom 22.12.2010/ebc
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