Umstrittene Klub-WM:Europas Top-Klubs rebellieren gegen Infantino

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"Kein ECA-Klub würde an so einem Wettbewerb teilnehmen": In einem dreiseitigen Schreiben positioniert sich die ECA, die Vereinigung der europäischen Topklubs, eindeutig gegen die von der Fifa geplante Klub-WM. Gezeichnet haben den Brief Vertreter jener Klubs, die im Vorstand der ECA sitzen. Auch der FC Bayern.

(Foto: SZ-Grafik)
  • Gianni Infantino möchte eine neue, größere Klub-WM etablieren. Geldgeber seien bereit, für dieses Turnier und eine globale Nations League 25 Milliarden Dollar zu zahlen.
  • Nun wendet sich die Vereinigung europäischer Fußballklubs ECA mit harschen Worten gegen die neue Klub-WM.
  • Das Vorgehen des Fifa-Präsidenten finden die Top-Klubs "beunruhigend".

Von Thomas Kistner

Nun also auch die ECA, die Vereinigung von 232 europäischen Fußballklubs: Kurz vor der Ratssitzung des Fußball-Weltverbands am Freitag in Miami verweigert sie Fifa-Chef Gianni Infantino in bemerkenswert harschem Ton die Gefolgschaft in Hinblick auf die von ihm betriebene, reformierte Klub-WM. In einem Brief an die Europäische Fußball-Union Uefa, der in Kopie an Infantino ging, stellt der 15-köpfige, von Andrea Agnelli (Juventus Turin) geleitete ECA-Vorstand klar: Jedes wie auch immer überarbeitete Klub-WM-Format sei "angesichts der bestehenden Wettbewerbe und des bis 2024 fixierten internationalen Spielkalenders nicht akzeptabel". Keiner von Europas Top-Klubs werde "an so einem Wettbewerb teilnehmen", heißt es darin. Unterschrieben haben die 15 Vorstandsmitglieder von Bayern München über Paris Saint-Germain bis zu Real Madrid.

Das bringt Infantino in Nöte; auch wenn sein Council in Miami erwartungsgemäß dafür votieren dürfte. Er arbeitet seit langem mit allen Tricks an dem Projekt, dazu an einer globalen Nations League. Schon im März 2018 hatte er den Fifa-Rat zu überrumpeln versucht: Geldgeber seien bereit, dem Weltverband für eine neue Klub-WM und eine Weltliga der Nationalteams 25 Milliarden Dollar zu zahlen. Nicht verraten hat er die stillen Nebenabsprachen, die da bereits in einem Arbeitspapier mit dem asiatischen Softbank-Konzern und dessen zumeist arabischen Investoren standen. Den Fifa-Ratsleuten war die Offerte damals ebenso wenig geheuer wie Infantinos Behauptung, er dürfe die Geldgeber nicht nennen - die Räte lehnten das Angebot ab.

Im November publizierte dann die SZ das Arbeitspapier zwischen Fifa und den Investoren: Infantino hatte es schon Ende März der Rechtsabteilung zur Begutachtung vorgelegt. Die Rückmeldung der Juristen war so verheerend wie die Reaktion der Fußballwelt Monate später: inakzeptabel. Laut Papier geht es nicht nur um zwei neue Turniere, sondern im Kern um den Ausverkauf der Fifa-Rechte: Landen sollen sie in einer neuen Firma, an der die Fifa nur 51 Prozent halten und deren Leitung paritätisch mit dem Investor besetzt werden soll. Die Fifa nannte das Papier "veraltet" und schwieg zum Vorwurf des Rechte-Buyouts. Zugleich forcierte sie ihr Bemühen, die Formate in der Fußballwelt durchzuboxen. Infantino baut dabei auf die Zwergverbände im Fifa-Orbit, die oft nicht mal über echte Spielbetriebe verfügen, aber von den üppigen Geldern aus Zürich gut leben. Im Gegenzug liefern sie ihr Stimmpotenzial ab.

In Miami drängt Infantino auf das Okay für seine Klub-WM - und damit, argwöhnen die Europäer, auch für Rechtedeals im Nebengeschäft mit den Geschäftsfreunden am Golf. Wie die Klub-WM aussehen soll, ist bezeichnenderweise völlig ungeklärt, bekannt ist nur, dass 24 Teams vom 17. Juni bis 4. Juli 2021 kicken sollen, darunter acht Großklubs aus Europa. Wegen des Drucks der Uefa musste Infantino so weit zurückweichen, dass er das Event nun als "Pilot-Projekt" etikettiert (die Nationen-Liga ist vorerst vom Tisch). Doch die ECA befürchtet wie die Uefa, dass Infantino auch eine Pilot-WM der Klubs flott in ein festes Format verwandeln und drumherum seine Deals mit den Golf-Investoren abwickeln wolle. Der Verdacht ist begründet: Im Papier der Fifa mit den Investoren spielen Sinn und Zweck der neuen Formate keine Rolle; sie sind nur Geschäftsvehikel und könnten auch gleich wieder abgeschafft werden, sofern sie nicht rentabel sind. Der Rechtedeal bliebe davon unberührt.

Umstrittene Klub-WM: ECA-Chef Andrea Agnelli (li.) und sein Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge wollen bei der neuen Klub-WM nicht mitmachen.

ECA-Chef Andrea Agnelli (li.) und sein Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge wollen bei der neuen Klub-WM nicht mitmachen.

(Foto: Fabrice Coffrini / AFP)

Im Schreiben machen Europas Klubs dem Fifa-Boss klar, dass sie ihm nicht trauen. Sie hätten ihn schon im Oktober aufgefordert, Beschlüsse über die neuen Formate zu verschieben, bis alle Fragen dazu "sinnvoll, transparent und integrativ geklärt" seien, schreibt die ECA. Zwar sei eine Taskforce gegründet worden, aber "zu unserer großen Enttäuschung" habe diese nie die Bedenken der Klubs berücksichtigt und sich geweigert, den bis 2024 durchgetakteten Match-Kalender zu diskutieren. Das habe ihr Misstrauen zum Hintergrund der Klub-WM verstärkt: "Die ECA ist besorgt über die Weigerung der Fifa, der Taskforce die Prüfung der Wirtschaftsmodelle für diese Wettbewerbe zu gestatten", heißt es im Brief.

Das zielt auf Infantinos stillen Rechtedeal. Die ECA fordert, dass solche Beschlüsse "nicht auf den Sport isoliert, sondern nach sorgfältiger Bewertung der damit verbundenen Geschäftsaspekte getroffen" werden. Besorgnis sei insbesondere angebracht, "weil sich die Fifa weigert, belastbare Informationen zu dem Angebot zu liefern, das sie angeblich zur Veranstaltung der Formate erhalten hat". Die Fifa hätte die Informationen sogar "dem Fifa-Council als ihrem Aufsichtsorgan vorenthalten, was beunruhigend ist und gewiss nicht in Einklang damit, die Fifa-Governance zu modernisieren und ihre Aufgaben offen und transparent anzugehen".

Die Europäer wollen die Klub-WM boykottieren

Die Misstrauensbekundung liegt auf Linie mit der Uefa. In deren Kreisen hieß es, sie werde am Freitag in Miami gegen die Klub-WM votieren. Zwar dürfte der Fifa-Rat die Europäer überstimmen. Doch am Ende, so ein Topfunktionär zur SZ, würden die Klubs eben nicht spielen - "und dann existiert keine Klub-WM!" Begründet werden solle das Vorgehen damit, dass der Beschluss von Miami ja "gegen die erklärten Interessen des europäischen Fußballs" sei - was die Uefa in Miami auch schon durch ihr ablehnendes Votum bekundet habe.

Klar ist: Ohne Europas Klubs bliebe Infantinos WM-Projekt sinn- und wertlos. Die Ablehnung seitens Uefa und ECA, insbesondere der Verdacht auf dubiose Hinterzimmer-Deals, treibt auch andere Stakeholder um. Das vom deutschen Liga-Chef Christian Seifert geführte Weltliga-Forum (WLF) geht aber diplomatisch vor: Man bevorzuge "für jede Änderung" der Turnierformate die Zeit nach Ablauf des Spielkalenders 2024. Zudem, heißt es in Seiferts Brief an den "lieben Gianni", habe das WLF schon im zuständigen Fifa-Gremium "festgehalten, dass die Fifa einen offenen und transparenten Vermarktungsprozess" für das Format arrangiere solle. Allerdings sorgte der Schlingerkurs einiger Ligen in Miami für Unmut in Uefa-Kreisen. Zu einem erklärten Klub-WM-Befürworter hat die Fifa sogar die Spielergewerkschaft Fifpro erklärt - die sei dafür, "sofern Gesundheit der Spieler und die Solidaritätsmechanismen berücksichtigt" würden.

Nun reagierte die Fifpro mit einer Erklärung, die sich gegen die Vereinnahmung wendet. Jüngere Reformprozesse hätten zu einem überfüllten Spielkalender geführt, der "Auswirkungen auf Gesundheit und Leistung der Spieler hat", teilt sie mit, weitere Änderungen seien erst nach einer umfassenden Überprüfung zu beschließen. Und dazu das: "Standards für die Erholung der Spieler sollen vorgeschrieben werden." Pausen seien obligatorisch, die Zahl der Spiele und Reisen zu begrenzen. Das betrifft nicht nur die eng in den Kalender gepresste Klub-WM, sondern auch die Aufstockung der WM von 32 auf 48 Teams, die Infantino für Katar 2022 betreibt. Auch das will er in Miami forcieren. Nun fordert die Fifpro eine "Mindestruhezeit zwischen den Spielen von 72 Stunden".

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