Miroslav Klose fehlte an allen Ecken und Enden. Er war nicht da, als der 1. FC Nürnberg jemanden gebraucht hätte, der ein Kopfballduell gewinnt. Er war nicht da, als es darum ging, den Ball in der gegnerischen Hälfte zu behaupten. Und er war auch nicht da, als ein Mittelstürmer gefragt war, der eine Flanke zu verwerten weiß. Klose, 46, stand die ganze Zeit an der Seitenlinie – dabei hätte ihn der Club doch nirgends dringender gebraucht als auf dem Feld.
Zu Kloses Verteidigung ist zwar vorzubringen, dass er seine Spielerkarriere vor ungefähr acht Jahren beendet hat, zu einer Zeit also, als möglicherweise sogar der FCN noch erfolgreich war. So ganz genau weiß man das allerdings nicht mehr. Ist ja lange her – und nun, da Klose aufgrund seines Karriereendes verhindert war, verlor der Club mit 0:2 gegen Hertha BSC und enttäuschte seinen Anhang zum wiederholten Male. Nach nunmehr sechs Spielen in der zweiten Fußball-Bundesliga steht Nürnberg nur mit sieben Punkten da. Eine Bilanz, die unweigerlich zu kritischen Fragen führt – vor allem zu der, ob diese Mannschaft bei aller individuellen Klasse eine stimmige Gruppe ist.
Das war es also, was die 90 Minuten am Samstag in Zweifel zogen: Kann sich jeder Spieler so entfalten, dass seine Qualitäten zum Tragen kommen? Und, auch das ist wesentlich: Passt der eine überhaupt zum anderen?
Dass der FCN gute Einzelkönner in seinen Reihen hat, ist nicht zu bestreiten. Junge und hoffnungsvolle Stammkräfte wie Finn Jeltsch, Jens Castrop und Caspar Jander sind schon längst mehr als nur Perspektivspieler, hinzu kommen gestandene Profis wie Robin Knoche, Florian Flick, Danilo Soares, Julian Justvan und Florian Pick. Ein Mix, mit dem man eigentlich erfolgreich sein könnte, obwohl Klose wahrscheinlich auch in den nächsten Spielen kein Tor schießen wird.
„Vielleicht geht es vor allem bei jungen Spielern langsamer voran als gedacht“, räumt Trainer Klose ein
Die Frage, wie stimmig der Nürnberger Kader ist, drängt sich nach den ersten Saisonwochen vor allem deshalb auf, weil Einzelne genug Qualität mitbringen. Im Zusammenspiel sind allerdings bisher nicht jene Synergien zu erkennen, die eine Mannschaft zu einer guten Mannschaft werden lassen. Oder sind die Gründe für die unbefriedigenden Auftritte nicht im Gefüge und dessen Harmonie, sondern eher darin zu suchen, wie die Gruppe geführt wird?
Im Laufe dieser noch jungen Saison hat Klose schon angedeutet, dass er auch dann Einfluss auf ein Spiel nehmen kann, wenn er nicht allzu viele Kopfballduelle gewinnt und Flanken verwertet. So war etwa das erste Heimspiel gegen den FC Schalke 04 in gewisser Weise ein Klose-Spiel. Mit einer Kabinenansprache, die mehr Anklage als Ansprache war, hatte Nürnbergs Trainer ein Signal gegeben und der Partie damit eine Wende verliehen. Seine Mannschaft lag zur Halbzeit zurück und gewann am Ende 3:1. Es war ein Sieg, mit dem Klose sein Trainerprofil schärfte. Auch in Saarbrücken, Darmstadt und Ulm traf er Personalentscheidungen, die sich bezahlt machten, Kritiker könnten allerdings anmerken, dass es bei fünf Wechseln fast schwerer ist danebenzuliegen, als doch mal ins Schwarze zu treffen.
Ob Klose ein guter oder ein eher weniger guter Trainer ist, lässt sich also nicht an einer Kabinenanklage und ein paar Einwechslungen festmachen. Nach nur sechs Spielen verbietet es sich ohnehin noch, ein abschließendes Urteil zu fällen. Allerdings ist nicht von der Hand und nicht vom Fuß zu weisen, dass die Situation unbefriedigend ist und von einer Entwicklung der Mannschaft keine Rede sein kann.
Klose selbst findet einerseits schon: „Es sind Fortschritte da.“ Andererseits räumt er aber auch ein: „Vielleicht geht es vor allem bei jungen Spielern langsamer voran, als wir gedacht haben.“ Nürnbergs Trainer verbindet sein Geständnis zwar auch mit einem Glaubensbekenntnis, in dem er beteuert, „trotzdem“ nicht von seinem Weg abzurücken und weiterhin von den „Jungs“ überzeugt zu sein. Doch die Rädchen, das weiß auch Klose, greifen einfach noch nicht ineinander.

Als der frühere Nationalspieler am Samstag in die Analyse ging, bemängelte er vor allem die ungenügende Zweikampfführung, beklagte aber auch „viel zu viele Ballverluste“ und das Offensivspiel im Allgemeinen, das „nicht so zwingend“ gewesen sei. Die Liste an Defiziten war derart lang, dass den Nürnbergern nichts anderes übrig blieb, als sich – hätte, hätte, Fehlerkette – in den Konjunktiv zu flüchten. Während etwa Torhüter Jan Reichert fand, dass es durchaus „Räume gegeben hätte, die wir hätten bespielen können“, war Klose schon der Meinung, dass seine Mannschaft Räume gefunden habe – dass es aber mehr Dynamik bedurft hätte, um diese Räume auch zu nutzen.
So blieb es ein großes Rätsel, warum Reichert tatsächlich das Gefühl hatte, die Nürnberger „könnten ein Tor schießen“, obwohl sie ja schon an der Sache mit den Räumen gescheitert waren. Es war also furchtbar kompliziert an diesem Nachmittag. Zumindest auf der einen Seite. Auf der anderen – klar, Konjunktiv – wäre es doch ganz einfach gewesen: Miroslav Klose hätte bloß Miroslav Klose einwechseln müssen. Aber der – hätte, hätte, Karriereende – war ja verhindert.