Klopp-Abschied in Dortmund:Per Konserve auf Distanz

Borussia Dortmund v SV Werder Bremen - Bundesliga

Verabschiedet sich per Videobotschaft von seinen Fans in Dortmund: Jürgen Klopp

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Jürgen Klopp verzichtet auf eine emotionale Ansprache im Stadion und verabschiedet sich nach seinem letzten Bundesligaspiel per Videobotschaft.
  • Das zeigt, wie verletzt sich der lange Zeit in Dortmund vergötterte Trainer zu fühlen scheint.
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Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Eine Dame vom Fernsehen war nachher ein bisschen enttäuscht: Niemand hatte geweint. Es war nicht, wie man es aus Casting-Shows kennt. Es war nicht wie vor sieben Jahren, als Jürgen Klopp sich von Mainz 05 verabschiedete und damals wie ein Schlosshund heulte. Gemeinsam mit den Mainzer Fans. Diesmal hat er ein wenig geblinzelt, als er nach dem Spiel vor der Südtribüne stand und die BVB-Fans nicht aufhören wollten, seinen Namen zu skandieren. Da kämpfte Dortmunds Trainer ein wenig mit den Tränen der Rührung - übers Publikum, über die sieben Jahre in Dortmund, über sich selbst und seine Erfolgsgeschichte beim BVB.

Auch Sebastian Kehl, der in Dortmund sogar dreizehn Jahre seinen Dienst als Profi absolviert und über die Jahre eine besondere Bindung zur Stadt entwickelt hat, kam ohne Tränchen durch die Ehrenrunden. Beide, Klopp und Kehl, sind vielleicht zu professionell, um sich schon eine Woche vor dem Saisonende ganz und gar den Abschieds-Gefühlen zu ergeben. Klopp und Kehl sind kommenden Samstag schließlich erneut Hauptdarsteller. Und wenn sie mit Dortmund zum Abschluss in Berlin tatsächlich noch einmal den Pokal gewännen, wäre dies der sicher viel emotionalere Moment.

Für seinen letzten Arbeitstag im Signal-Iduna-Park hatte Klopp diesmal sogar eine Video-Ansprache ans Volk gewählt, die er einige Tage zuvor aufgezeichnet hatte. Er habe "keine Lust gehabt, dass die Leute bei meinem Schluchzen gar nicht mehr verstehen, was ich eigentlich sage." Deshalb hatte Klopp die wesentlich distanziertere Konserve bevorzugt. Das Video mit Klopps Abschiedsrede bekam mehrfach Szenenapplaus. Alles gut zu verstehen diesmal - aber den Menschen im Stadion wäre der tränentriefende Gemütsmensch Klopp an diesem Nachmittag wohl doch lieber gewesen.

Diese Option bleibt dem scheidenden Trainer nun aber noch für die mögliche Ehrenrunde, auf dem offenen Lastwagen durch die Stadt. Dazu müsste Dortmund aber im DFB-Pokal-Endspiel den VfL Wolfsburg schlagen. Ob das gelingt, daran konnte man trotz des 3:2-Siegs des BVB gegen Werder Bremen auch Zweifel bekommen. Dortmund hat sich mit dem Erreichen des siebten Platzes für die Europa-League-Teilnahme qualifiziert, auf dem Trittbrett sozusagen, weil man mit dieser Platzierung im Sommer erst einmal durch mehrere Qualifikationsrunden gegen unaussprechliche Klubs aus kleinen Fußball-Nationen müsste. Erst mit einem Pokalsieg in Berlin würde Dortmund aufrücken und wäre direkt in der ersten Runde dabei.

"Es war ein bisschen ein Spiegelbild der Saison", beklagte Klopp denn auch bei seiner vorerst letzten Pressekonferenz nach einem Bundesliga-Spiel mit dem BVB. Seine Mannschaft hatte Chancen für mehrere Spiele. Werder-Manager Thomas Eichin fasste es in einem Satz zusammen: "Die Dortmunder haben es dann gnädig gemacht." Drei Tore durch Kagawa, Aubameyang und Mkhitaryan waren alles, was bei dem Dauerbeschuss der Bremer herauskam. Auf der anderen Seite musste Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller zweimal in höchster Not retten, Öztunali und Gebre Selassie gelangen zwei Treffer für Werder. "Wir haben den Bremern den Knochen nochmal hingeworfen", packte es Klopp ein letztes Mal in eine Comedy-Formulierung, "hier, ihr dürft auch noch mal."

Gegen den VfL Wolfsburg wird sich Klopps Truppe die zum Teil hanebüchenen Abwehrschnitzer im Pokalfinale wohl nicht leisten können. Und so blieb selbst an diesem Abend des Abschieds, an dem eigentlich alles auf nichts als große Gefühle eingestellt war, auch ein weiteres Mal die Erkenntnis, dass die BVB-Mannschaft ihr höchstes Niveau unter Klopp noch nicht wieder erreicht hat. Dass es am Ende für den siebten Platz reicht, ist die Geschichte einer Aufholjagd, der aber die emotionalen Spitzen genauso fehlten wie diesem letzten Abend von Klopp im Signal-Iduna-Park.

Klopp zum FC Bayern? "Wieso nicht?"

Schon vor dem Spiel hatte Klopp dem Fernsehsender Sky gesagt, er wolle einen späteren Wechsel selbst zum großen Rivalen seiner Dortmunder Zeit, zum FC Bayern München, nicht ausschließen. "Ja klar, wieso soll ich mir das nicht vorstellen können?", antwortete Klopp, "ich bin Fußballtrainer, ich will noch eine Weile arbeiten, aber im Moment ist es schwierig."

In einem eilig für einen BVB-Sponsor gedrehten Werbe-Clip hatte Klopp schon vor ein paar Tagen grinsend mit allen möglichen künftigen Arbeitgebern kokettiert, von Real Madrid bis zu Manchester United. Klopp bleibt sich da treu, an kaum einer guten Pointe ernsthaft vorbei zu wollen. Nach dem Spiel, gefragt von einem spanischen Journalisten, wann und wo er Spanisch lernen wolle, antwortete Klopp in bester Laune: "Una cerveza por favor kann ich schon. Auf Mallorca kommt man damit weit. Ich kann fast alle deutschen Dialekte, da werde ich auch Spanisch lernen können - wenn es denn nötig würde."

Zugleich hat der Abschieds-Abend im Stadion auch ein wenig gezeigt, wie verletzt sich der lange Zeit in Dortmund vergötterte Trainer zu fühlen scheint. Mehr Distanz als mit einer vorgefertigten Video-Ansprache nach dem letzten Spiel hätte Klopp wohl kaum demonstrieren können. Der Fernsehmann Klopp müsste das wissen. Er wäre "zu einer Ansprache nicht in der Lage gewesen", meinte das Emotions-Paket nachher. Es klang nach Entschuldigung. Man konnte aber seinen Verzicht auf Live-Worte auch als einen Akt der Ablösung von Dortmund interpretieren. Nicht nur als Selbstschutz.

Dortmunds anderer Abschiednehmer, Sebastian Kehl, geht dagegen nicht so ganz. Kehl bleibt aller Voraussicht nach in der Stadt, die zu seiner Heimat geworden ist. Der Klub möchte ihn offenbar ins erweiterte Management holen, zunächst in den diplomatischen Dienst mit Sponsoren, Fans und anderen. Der intelligente Kehl könnte auch anderes. Für Kehl, der in der Mitte seiner Karriere sehr böse Verletzungen überstehen musste und mit dem BVB auch die bitteren Zeiten der Beinahe-Insolvenz 2004 und 2005 durchstand, wäre ein Pokalsieg in seinem allerletzten Spiel ein Geschenk des Himmels. Wann gelingt es einem Spieler schon, mit 35 Jahren einen so perfekten Abgang zu haben - und das, nach so einer verkorksten Hinrunde?

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