Süddeutsche Zeitung

Klinsmann und Vogts bei WM:Gemeinsam gegen die Kumpanei

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Jürgen Klinsmann und Berti Vogts ist gemein, sich gegen Informanten des Boulevard zu stemmen. Damit hatten sie als Spieler und Bundestrainer in Deutschland oft einen schweren Stand. Mit dem US-Team könnten sie im Sommer die Deutschen aus der WM werfen.

Von Thomas Hummel

26. Juni, Arena Pernambuco in São Lourenço da Mata, einem Vorort von Recife, etwa 14:50 Uhr Ortszeit: Der Schiedsrichter beendet das letzte WM-Vorrundenspiel der Gruppe G, Jürgen Klinsmann an der Seitenlinie hüpft, schleudert seine Fäuste wild durch die warme Luft, herzt Mitspieler inniglich und lacht sein Klinsmann-Lachen. Schwenk hinauf auf die Tribüne: Berti Vogts nimmt staatsmännisch die Glückwünsche von DFB-Präsident Niersbach und Kanzlerin Merkel entgegen. Die USA hat Deutschland aus dem Turnier geworfen und am nächsten Tag titelt die Bild-Zeitung: "Deutsche fordern Einreiseverbot für Berti und Klinsi!"

Die deutsche Nationalmannschaft ist noch nie in der Vorrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft gescheitert. Der Spielplan in Brasilien und die Personalpolitik der Verbände gibt nun allerdings ein Szenario her, das mit einer überfrachteten deutschen Dimension verbunden ist: Sollte der letzte Gruppengegner USA für ein Scheitern des DFB verantwortlich sein, hätten nun zwei ehemalige Bundestrainer die deutsche Elf auf dem Gewissen.

Bundestrainer Joachim Löw trifft in Recife auf seinen Vorgänger und Ex-Chef Klinsmann, der inzwischen die USA trainiert. Der gab in der vergangenen Nacht bekannt, dass er Berti Vogts als Special Advisor, als Sonderberater, mit zur WM nimmt. Vogts ist der Mann, der als bislang letzter Bundestrainer einen Titel gewann: 1996 die EM - mit Kapitän Klinsmann.

"Jürgen ist für seine guten und neuen Ideen ja bekannt", sagte Löw auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes und gab zu: "Ein WM-Gegner, der von ehemaligen Bundestrainern betreut wird, ist schon sehr speziell."

Klinsmann sprach in der Mitteilung des US-Verbandes von einem "großartigen Verhältnis", das ihn mit Vogts verbinde. Das kann in Deutschland nicht verwundern. Denn Vogts und Klinsmann haben in früheren Jahren hierzulande einige Kämpfe ausgefochten - mitunter gegen mächtige Gegner. Sie gingen daraus nicht immer als Gewinner hervor, weshalb es kein Wunder ist, dass sich beide entschlossen, meistens lieber im Ausland zu arbeiten.

Vogts und Klinsmann war immer gemein, die Kumpanei mit einem Teil der Presse zu verabscheuen. Vor allem mit der Bild-Zeitung und deren Verbündeten im Fußball-Business legten sie sich an. Sie suchten sich damit den größtmöglichen Konkurrenten aus.

Berti Vogts folgte 1990 als Bundestrainer Franz Beckenbauer, schon damals jahrelanger Kolumnist der Bild. Vogts aber machte Schluss mit der exklusiven Zusammenarbeit, was dem Blatt natürlich gar nicht passte. Er wie Klinsmann kämpften gegen den Drang einiger, Interna nach draußen zu geben.

Lothar Matthäus, berüchtigter Presse-Informant, musste Anfang 1996 wegen Indiskretionen hinnehmen, dass ihn Vogts auf Bitten einer Spielergruppe um Klinsmann aus der Nationalmannschaft warf. Dass eine verschworene Einheit des DFB im Sommer darauf den EM-Titel in England gewann, ist prägend vor allem für die weitere Karriere von Jürgen Klinsmann. Der eiserne Glaube an die Kraft des Gemeinsinns auf dem Fußballplatz erklärt so manch krudes Vorgehen.

"Wir sind absolut begeistert, dass uns Berti als Berater zur Verfügung steht. Er bringt eine Menge Wissen und Erfahrung sowohl als Spieler als auch als Trainer mit. Er weiß, was man tun muss, um auf höchstem Niveau erfolgreich zu sein", erklärte Klinsmann. In seiner Rolle als Sonderberater soll Vogts Trainingspläne entwickeln, das Scouting unterstützen und die gegnerischen Mannschaften beobachten.

Vogts traf zuletzt als Nationaltrainer Aserbaidschans (das Amt behält er) mehrfach auf die deutsche Mannschaft, verfolgt von seinem Haus am Niederrhein aus die Entwicklungen im deutschen Fußball. Als früherer Nationaltrainer Nigerias bringt er Erfahrungen mit dem afrikanischen Fußball mit, die dem US-Team im Vorrundenspiel gegen Ghana helfen könnten.

Sicher ist, dass das Gespann Klinsmann/Vogts dafür sorgen wird, dass wenig bis nichts aus dem Innenleben der amerikanischen Mannschaft dringen wird in Brasilien. Zu erwarten ist, dass die Stimmung in Deutschland vor dem Aufeinandertreffen im Bezug auf die beiden Ex-Bundestrainer leicht angespannt sein dürfte. Vor allem, wenn das Turnier nicht so läuft, wie sich die Nation erhofft. Philosoph Peter Sloterdijk beschrieb einmal: "Eine Weltmeisterschaft ist eine Zeit der nationalen Erregung." Und wenn den Deutschen im Sommer ihr WM-Spaß vorzeitig versaut wird, dann verstehen sie in der Regel keinen Spaß.

Am besten wäre es, Klinsmann und Löw machen in ihren jeweils ersten Gruppenspielen gegen Portugal und Ghana bereits alles klar für das Achtelfinale, damit sie sich anschließend auf ein Unentschieden einigen können.

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