Jürgen Klinsmann in Südkorea:Neue Herausforderung für den schwäbischen Weltmann

Jürgen Klinsmann Südkorea

Jürgen Klinsmann, hier im Dezember 2022 bei einem Termin während der WM in Katar, übernimmt die südkoreanische Nationalmannschaft bis zur WM 2026.

(Foto: Frank Hoermann/Imago)

Drei Jahre nach dem turbulenten Intermezzo bei Hertha BSC übernimmt der frühere Bundestrainer Südkoreas Nationalmannschaft. Klinsmann fühlt sich "glücklich und geehrt" - und soll auch an seinen neuen Arbeitsplatz ziehen.

Von Thomas Hahn, Tokio

Wie groß eine Fußballnation sein muss, um nicht mehr als Fußballzwerg zu gelten, ist Jürgen Klinsmann jetzt vermutlich erstmal egal. Seit diesem Montag ist der deutsche Weltmeister von 1990 offiziell der neue Nationaltrainer von Südkorea, einem Land, das nicht gerade zu den größten im Weltfußball zählt. Allerdings auch nicht zu den kleinsten. Als aktiver WM-Teilnehmer hatte Klinsmann sich 1994 selbst davon überzeugen können, dass man gegen Südkorea nicht ohne Schweißvergießen gewinnt. Wobei das Gewinnen der deutschen Nationalmannschaft damals wenigstens noch gelang - zum 3:2-Erfolg steuerte Klinsmann seinerzeit zwei Tore bei. Bei der WM 2018 in Russland (ohne Klinsmann) war das schon ganz anders: 0:1, Südkorea wurde zum Deutschland-Rausschmeißer. Und davor war Südkorea immerhin mal WM-Vierter: 2002, bei der WM, die der Tigerstaat gemeinsam mit Japan veranstaltete.

Falls es Jürgen Klinsmann, 58, doch nicht egal ist, was die Leute über seinen neuen Arbeitsplatz denken, kann er also durchaus ein paar Argumente aufzählen, wonach es sich bei Südkorea eben nicht um einen Fußballzwerg handelt. Sondern um eine Nationalmannschaft aus begabten Profis, mit der man an guten Tagen durchaus etwas erreichen kann. Sein neuer Vertrag läuft bis 2026, teilte der koreanische Fußballverband KFA mit. Klinsmann werde "nächste Woche" in Seoul ankommen.

Er wird auch nach Südkorea umziehen, das ist anscheinend eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit. Zum ersten Mal coacht Klinsmann sein neues Team am 24. März in Ulsan gegen Kolumbien und vier Tage später in Seoul gegen Uruguay. Damit beginnt eine Reise, an deren Ende vielleicht eine interessante neuformierte Nationalmannschaft steht.

Klinsmann mag solche Herausforderungen. Als Coach hat er nie so ganz die Ausstrahlung entwickeln können, die er einst als Stürmer entfaltete. Seine Pläne wirkten bisweilen etwas zu radikal und verkopft für einen stolzen Arbeitgeber wie den FC Bayern, dessen Trainer er von 2008 bis zur Entlassung 2009 war. Und sein kurzes, turbulentes Zwischenspiel bei Hertha BSC im Winter 2019/20 war ein Missverständnis, das er selbst beendete.

Klinsmann wurde von einem deutschen Landsmann geholt

Aber mit Nationalmannschaften konnte Klinsmann umgehen. Die deutsche führte er zu einem republikweit gefeierten dritten Platz bei der Heim-WM 2006 und die amerikanische ins Achtelfinale der WM 2014. Dass er jetzt die südkoreanische übernimmt, passt auch irgendwie zu Klinsmanns Aura als schwäbischer Fußball-Weltmann.

Die KFA brauchte einen neuen Trainer, weil der Portugiese Paulo Bento nach vier Jahren im Amt nicht mehr weitermachte. Verantwortlich für die Suche: Michael Müller, 57, ehemals Nachwuchs-Förderer beim Deutschen Fußball-Bund. Müller ist seit 2018 in Südkorea. Zunächst überzeugte er den Verband dort als Entwicklungsdirektor, seit Januar ist er Technischer Direktor. Dass Müller einen Landsmann auf den höchsten Trainerposten holte, passt ins Bild. "Wir wollen einen Trainer finden, der mit seinen Werten zum Verband passt", hat Müller zuletzt dem Portal transfermarkt.de gesagt. Was das über die Werte von Klinsmann und Koreas Fußballverband sagt, erklärte Müller in dem Interview nicht. Aber Klinsmann erfüllt offensichtlich die "klaren Kriterien", die Müller auch erwähnte.

Bei der WM in Katar war gegen Brasilien Schluss

"Glücklich und geehrt" sei er, sagt Klinsmann in der Pressemitteilung der KFA. Seine Aufgabe ist nicht leicht. Die Ansprüche sind hoch. Asiatische Höflichkeit ist nicht zu erwarten, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Klinsmanns Vorgänger Bento spürte im Verband viel Skepsis, weil er seine Südkoreaner offensiver spielen lassen wollte. Aber die Menschen sind auch dankbar, wenn etwas klappt.

Südkoreas Fußballbegeisterung ist nicht zu unterschätzen. Während der WM in Katar versammelten sich Tausende mit leuchtenden Teufelshörnern auf dem Kopf am Gwanghwamun-Platz in Seoul zum Public Viewing, wenn die Mannschaft spielte. Und es galt als Erfolg, als sie nach einem 0:0 gegen Uruguay, einem 2:3 gegen Ghana und einem 2:1 über Portugal das Achtelfinale erreichte. Dort hatten die Südkoreaner dann keine Chance gegen Brasilien. 1:4. Trotzdem gab es anschließend einen Empfang beim Staatspräsidenten Yoon Suk-yeol. Südkoreas Fußballwelt schien in Ordnung zu sein. Und nun bekommt also Jürgen Klinsmann die Chance, einen großen Fußballzwerg noch ein bisschen größer zu machen.

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