Das muss man auch erst einmal schaffen, in so kurzer Zeit so viel kaputt zu machen. Für einen Klub - aber vor allem auch für sich selbst. Der Tiefpunkt der Demission des Jürgen Klinsmann war am Donnerstag erreicht, als Hertha-Investor Lars Windhorst, sein Chef, der ihn geholt hatte und auf seinen Rat vertraute, ihm öffentlich Infantilität attestierte. Aber was blieb Windhorst übrig? Klinsmann hat ihm im Grunde keine Chance gelassen, weil er sich da schon selbst nahezu unmöglich gemacht hatte.
Er hatte hingeschmissen, offensichtlich ohne irgendwem im Verein Bescheid zu sagen. Er hatte dabei vorhergesagt, im Aufsichtsrat zu bleiben, kündigte sogar via Bild generös an, niemanden feuern zu wollen - um dann zwei Tage später selbst aus diesem Gremium zu fliegen. Er redete in einem kuriosen Facebook-Video - wohlgemerkt nach seinem Rücktritt und ein paar Tage nach einem gruseligen 1:3 gegen Mainz - immer noch davon, dass die Champions League irgendwann ein realistisches Hertha-Ziel sei. Und er erklärte, dass er mit dem deutschen Modell der Aufteilung Trainer/Sportdirektor nicht klarkomme, obwohl er, für ihn offenbar überraschend, eine Trainerstelle in Deutschland angetreten hatte.
Wer Klinsmann in den vergangenen Tagen erlebt hat, fragte sich, wie Julian Nagelsmann, Marco Rose oder Christian Streich ihren Job machen können, müssen sie doch alle mit der Zumutung leben, nicht die komplette Macht in einem Klub zu haben. Aber Trainerarbeit im Sinne von Training leiten, Taktik vermitteln, Gegner analysieren - das war offenbar zu klein gedacht für Klinsmann. Das ist an sich nicht verwerflich, wenn er halt nicht zufällig gerade Trainer gewesen wäre.
Immerhin: Der Klub ist erst mal handlungsfähig
Das Bild passt zu seiner Zeit als Bayern-Coach, über die der der Polemik unverdächtige Philipp Lahm in seinem Buch schrieb: "Wir Spieler mussten uns selbstständig zusammensetzen, um vor dem Spiel zu besprechen, wie wir überhaupt spielen wollten."
Windhorst sagt, Klinsmann habe an "Glaubwürdigkeit verloren"; das ist noch freundlich ausgedrückt angesichts der Tatsache, dass Klinsmann nun für lange Zeit das Image eines radikalen Egoisten haben wird. Es bleibt das Bild, dass einer von Visionen spricht, Performance Manager installiert, die halbe Mannschaft für viel Geld umbauen lässt, dann aber bei erster Gelegenheit davonrennt und den anderen die Schuld gibt.
Das Gute für Hertha BSC: Der von nun an offenbar entscheidende Mann im Verein, Investor Lars Windhorst, hat Klinsmann fallen lassen und den Schulterschluss mit Präsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz zelebriert. Damit ist der Klub erst mal handlungsfähig und trägt keinen internen Machtkampf aus. Am mittelfristigen Ziel Europa hielt Windhorst allerdings fest. Die Realität ist jedoch Abstiegskampf mit einem Trainer namens Alexander Nouri, der 21 Spiele nacheinander im Profifußball nicht gewonnen hat. Das muss man irgendwie zusammenkriegen - und daran wird dann Klinsmann nur noch bedingt schuld sein.