Klettern:Wie Megos

Klettern - Martina Demmel

Mit 18 Jahren schon Teil der Kletterelite: Martina Demmel vom DAV Peißenberg.

(Foto: Pavel Vekla)

Martina Demmel, 18, überrascht bei der Deutschen Klettermeisterschaft und wird mit einem der Weltbesten verglichen. Innerhalb von drei Jahren hat sie es von der Wettkampfskifahrerin zur Kletterelite geschafft.

Von Nadine Regel

Mit dem Blick nach rechts hängt sie in der stark überhängenden Route. Der Sicherungshaken, in den sie das Seil hätte einhängen müssen, ist fast außer Reichweite. Das könnte Martina Demmel das Halbfinale bei der Deutschen Meisterschaft im Leadklettern kosten. Die 18-Jährige klettert die Schlüsselstelle der Route zu Ende, stabilisiert sich mit einem Fuß und der linken Hand und schiebt sich dann behutsam nach rechts. Klick. Das Seil ist eingehängt. Diese Aktion hat Kraft und Zeit gekostet. Trotzdem schafft es Demmel, die für den DAV Peißenberg startet, am Samstag ins Finale in Dietmannsried mit Panoramablick auf die Allgäuer Alpen. Die große Überraschung folgt am Sonntag vor einem pandemiebedingt kleinen Publikum: Demmel, die erst seit drei Jahren klettert, wird Zweite im Leadklettern, dem Klettern am Seil.

Die Deutsche Meisterschaft am Wochenende war auch die erste, bei der internationale Starter teilnehmen durften. Der Deutsche Alpenverein folgte dem Beispiel anderer Kletterverbände und hatte Athleten aus Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich eingeladen. Bei den Frauen setzte sich in der Gesamtwertung die Österreicherin Jessica Pilz durch. Auch die Ränge zwei bis sechs waren international besetzt. Als beste Deutsche errang Roxana Wienand aus Aschaffenburg Platz sieben. Danach folgten Demmel und Hannah Meul aus Frechen. Bei den Männern setzte sich Christoph Hanke vom DAV Ringsee in der Gesamtwertung durch.

Dass sich die deutschen Frauen im Finale hinter der internationalen Konkurrenz platzierten, liegt in Demmels Fall an der fehlenden Wettkampferfahrung. Das taktische Management der sechs Minuten pro Durchgang, die geringe Toleranz für Pausen - all das unterscheidet das Klettern auf Zeit in einer Halle vom ursprünglichen Klettern am Fels, bei dem Zeit relativ ist. "Martina Demmel hat viel Potenzial", sagt Maxi Klaus, 48, einer der drei Bundestrainer. Er ist für die Betreuung der Athleten im Leadklettern verantwortlich.

Entdeckt hat er Demmel am Fels und dann zum Kadertraining eingeladen. Sie startete in internen Wettkämpfen, durfte unter anderem mit zum Lead-Weltcup in Briançon und schaffte es dort ins Halbfinale. Was Klaus an ihr fasziniert, ist ihre "Intelligenz". Man muss sich die Routen anschauen, sich die Bewegungen merken, verstehen, wie man taktisch vorgeht: "Wofür andere Jahre brauchen, hat sie in kurzer Zeit geschafft". Manch einer vergleicht Demmel schon mit Alexander Megos, einem der stärksten Kletterer der Welt, und sieht in ihr eine weibliche Version des Kletterwunders aus Franken.

Auf diesen Vergleich angesprochen lacht sie und sagt: "Ich bin noch weit weg von dem, was er da macht." Das sagt eine, die schon mit 18 Jahren Routen im Schwierigkeitsgrad 8c am Fels bezwungen hat. Damit gehört sie zur Kletterelite. Nach dem Finale sitzt sie im Café der Halle und schaut den Männern dabei zu, wie sie sich in der anspruchsvollen Finalroute abmühen. Ihr dunkelblondes Haar hat sie mit einem rosafarbenen Zopfgummi zusammengebunden. Sie wirkt sehr mädchenhaft, lächelt viel und strahlt Optimismus aus. Auffallend ist auch ihre Größe von 1,57 Metern.

Vor drei Jahren nahm sie eine Freundin mit. Aus der einstigen Wettkampfskifahrerin wurde innerhalb von nur einem Frühling am Fels eine begeisterte Kletterin. Ihr gefällt die Vielseitigkeit: "Dass man Kraft, Technik, Bewegung und Strategie vereint und dann alles zusammen an die Wand bringen muss". Und dass man so viel damit verbinden kann, etwa mit Freunden verreisen und schöne Orte entdecken. "Klettern wird nie langweilig, man lernt immer etwas dazu, auch über sich selbst", sagt sie.

Aus Dietmannsried nimmt Demmel jedenfalls neue Trainingsanreize und viel Motivation mit. Ob sie auch Lust auf die Olympischen Spiele hat? "Als kleines Kind hatte ich jetzt nicht so den Traum", sagt sie. Aber ausschließen würde sie es nicht. Aktuell arbeitet Martina Demmel in einem Hochseilgarten in Füssen, nachdem sie sich nach der Schule ein Jahr Auszeit genommen hat. Was folgt, ist ein weiteres Jahr intensiven Kletterns und vielleicht eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Der Bundestrainer würde jedenfalls sehr gern weiter mit ihr arbeiten.

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