Süddeutsche Zeitung

Klettern bei den European Championships:Kopfüber zum EM-Titel

Die Slowenin Janja Garnbret beschert den Zuschauern im Lead-Klettern einen Schreckmoment und sich die erwartete EM-Goldmedaille. Die Veranstaltung ist ausverkauft, am Königsplatz herrscht Volksfeststimmung.

Von Ralf Tögel

Janja Garnbret setzte zum Sprung an, verfehlte den letzten Boulder und stürzte kopfüber in die Tiefe. Den Kolleginnen, die unten auf einer großen Couch vor der Wand saßen und der neuen Europameisterin zusahen, stockte kurz der Atem, doch die Slowenin fiel ins Seil und erreichte sanft den Boden. "Das war, glaube ich, der schlimmste Fall meiner Karriere", sagte sie später lächelnd, wohl wissend, dass sie immer gut gesichert war und nichts passieren konnte. Garnbret hat damit die erste Medaille der Kletterwettbewerbe bei den European Championships gewonnen, ein Triumph freilich, der absehbar war. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin dominiert die Konkurrenz trotz ihres jungen Alters von 23 Jahren scheinbar nach Belieben, schon im Halbfinale war sie die einzige, die die sehr fordernde Route fast komplett bezwungen hatte. Für die zweitplatzierte Jessica Pilz aus Österreich und die französische Bronzegewinnerin Manon Hily war ein paar Meer weiter unten Endstation.

Für die beeindruckende Veranstaltung am Königsplatz, mit den drei bis zu 18 Meter hohen Kletterwänden vor den Propyläen, und vor allem für die Zuschauer war Garnbret, die zum ersten Mal einen EM-Titel gewann, voll des Lobes: "Du fühlst die Zuschauer, das pusht dich enorm. Die Menge war phänomenal, das sollte immer so sein."

In der Tat, obwohl für die Final-Events im Gegensatz zu den Qualifikationen Tickets nötig sind, waren die Tribünen und die Stehplätze direkt vor den Wänden voll, der Veranstalter meldete 5000 Zuschauer und damit ausverkauft. Die Besucher peitschten die Kletterinnen nach oben, auch draußen auf dem Königsplatz, der weiter frei zugänglich ist, tummelten sich viele Menschen, es herrschte Volksfeststimmung. Kein Wunder, denn die Organisatoren hatten sich einiges überlegt: Passend zum Mini-Olympia ist auf der Mitte des Königsplatzes ein Mini-Oktoberfest errichtet worden, mit Bratwürsten, gebrannten Mandeln und kleinen Biergärten, neben der Glyptothek kann man sich am sogenannten Multicolour Roof bei exotischeren Speisen und Getränken in vielen aufgestellten Liegestühlen und Ruheinseln entspannen. Ein buntes und friedliches Völkchen war an diesem Samstagabend unterwegs, viele junge Leute und Familien mit Kindern.

Auch Hanna Meul schwärmte nach dem Wettkampf vom Königsplatz: "Das ist der Hammer hier, ich hatte Gänsehaut. So etwas habe ich noch nicht erlebt, es ehrt mich, ein Teil davon zu sein." Die 21-Jährige beendete den Wettkampf als Siebte, war dennoch zufrieden: "Mein Ziel war, vor diesem Publikum im Finale zu stehen, ich habe bis zum Ende gefightet, aber dann ging mir die Kraft aus." Schließlich hatte sie bereits neben Qualifikation und Halbfinale im Lead (mit Seil) auch die Boulder-Qualifikation (ohne Seil) in den Knochen, aber dieses Finale werde ihr "für das Bouldern einen Schub geben". Das ist ohnehin ihre bessere Disziplin.

Während sich bei den Frauen im Lead die klare Favoritin durchsetzte, gab es bei den Männern im Bouldern einige Überraschungen. Yannick Flohé hatte bereits prophezeit, dass hier viele Starter für den Sieg in Frage kämen. Neben Alexander Megos galt er selbst als deutsche Medaillenhoffnung, doch für die beiden deutschen Mitfavoriten und auch für Christoph Schweiger war der Wettkampf früh beendet. Alle drei verpassten das Finale, Flohé saß bereits im Hotel, als der Österreicher Nicolai Uznik zu Gold boulderte, Zweiter wurde Sam Avezou aus Frankreich, Bronze holte der tschechische Topfavorit Adam Ondra.

"Das war schlecht heute, mehr gibt es nicht zu sagen", sagte Flohé knapp, auch Megos gab sich angesichts der Enttäuschung wortkarg. Immerhin bleiben den beiden Deutschen noch der Lead-Wettbewerb am Sonntag, in dem Megos als Bester und Flohé als Dritter die Qualifikation beendete, und die Kombination kommende Woche. Bei den Frauen heißt in beiden Wettbewerben die klare Favoritin: Janja Garnbret.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5639056
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/sewi/schm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.