Klage vor dem Berliner Landgericht:98,01 Euro für Blumen und Luftballons

22.10.2021, xmkx, Fussball 1.Bundesliga, 1.FSV Mainz 05 - FC Augsburg v.l. Jonathan Burkardt (FSV Mainz 05), Arne Maier

Im Streit mit der alten Agentur: Arne Maier, rechts, ehemals bei der Hertha aktiv, aktuell beim FC Augsburg.

(Foto: Moritz Kegler/Jan Huebner/Imago)

Der Rechtsstreit zwischen dem Bundesligaprofi Arne Maier und der Berateragentur Rogon gewährt Einblicke in die Gepflogenheiten der Branche - heraus kommt ein Urteil, das Beachtung verdient.

Von Philipp Selldorf, Köln

Arne Maier sei "wieder solo", meldete im Februar 2019 der Berliner Kurier. Gemeint war damit nicht der partnerschaftliche Status des seinerzeit knapp 20 Jahre alten Fußballprofis von Hertha BSC, sondern die Auflösung der Beziehung zu seiner nunmehr ehemaligen Berateragentur Rogon. Deren Geschäftsführer Roger Wittmann übermittelte via Kurier freundliche Worte an den früheren Mandanten: "Arne hat so entschieden, das respektieren wir. Wir wünschen dem Jungen viel Erfolg für seine Karriere, Arne ist ein guter Junge."

So weit so gut, dachte Familie Maier. Den ersten Vertrag mit der Firma Rogon hatten die Eltern bereits geschlossen, als ihr kleiner Arne 14-jährig in der U15 des Berliner Erstligisten kickte, und nach der langen Zeit schien man nun also sportlich fair und zivilisiert auseinanderzugehen. Umso erstaunter waren die Maiers, als Rogon ungefähr zwei Jahre nach der Trennung eine Klage ins Haus schickte. Die Agentur wollte nicht nur das Geld zurück, das sie Arne Maier im Rahmen eines "Unterstützungsvertrages" bezahlt hatte, sondern bestand auch auf der Erstattung von Kosten für diverse Bonus-Leistungen. Letzteres fügte dem sowohl juristisch wie moralisch fragwürdigen Rechtsstreit eine komische Komponente hinzu, die zugleich Einblick in die Gepflogenheiten der Branche gibt.

Die international verbundene und seit Jahrzehnten im Profifußball aktive Spielervermittlerfirma, die unter anderen die Nationalspieler Thilo Kehrer und Julian Draxler sowie den Bayern-Profi Marcel Sabitzer vertritt, präsentierte dem überraschten Ex-Mandanten eine pedantische Rechnung, Einzelheiten sind im Urteil des Landgerichts Berlin festgehalten: Es ging um 1319 Euro für die Überlassung eines iPhones, 98,01 Euro für Blumen und Luftballons, 342,34 Euro für eine Limousinen-Fahrt sowie 2299 Euro für die Bewirtung im China Club Berlin.

Materielle Aspekte spielten von Beginn an eine große Rolle

Dort hatten die Geschäftspartner am 9. März 2018 den Abschluss des fünfjährigen Profivertrages gefeiert, den Arne Maier ein paar Tage zuvor bei Hertha BSC unterschreiben durfte. Anlass zur Freude bestand auf beiden Seiten: Maier würde ab sofort ein Monatsgehalt von mehr als 100 000 Euro erhalten, Rogon empfing dafür die marktgängige Provision, die aus der Investition in einen talentierten Teenager ein profitables Geschäft machte. Kenner taxieren die Rendite für die Agentur bei wenigstens einer Viertelmillion Euro.

Dies war aber nicht der Grund, warum sie nun vor dem Landgericht Berlin kein Gehör fand. Die Zivilkammer befand die Klage als unbegründet, die Firma Rogon muss auch die Kosten des von ihr angestrengten Verfahrens tragen. Dem Kläger stünde kein Anspruch auf "Rückgewähr der geleisteten Zahlungen sowie der getätigten Auslagen" zu, so das Gericht.

Inzwischen spielt Arne Maier für den FC Augsburg, schon im vorigen Jahr hatte die Hertha ihn an den Aufsteiger Arminia Bielefeld verliehen. Beim Heimatklub in Berlin ist er nicht so vorangekommen, wie das die Beteiligten erhofft und Experten geweissagt hatten - kaum volljährig, wurde Maier bereits als künftiger Nationalspieler gehandelt. Tatsächlich feierte er beim DFB im Sommer den größten Erfolg der Karriere: Die U-21-Elf führte er als Kapitän zum Gewinn der Europameisterschaft.

Warum seine Entwicklung trotz sportlich bester Voraussetzungen eher zögerlich in Schwung gekommen ist, das führen Vertraute auch auf die Jahre zurück, in denen Rogon Maiers Weg begleitete. Die Agentur habe auf vielfältige und offenbar als zudringlich empfundene Weise Einfluss genommen, deshalb habe er schließlich auch die Trennung angestrengt. Materielle Aspekte spielten von Anfang an eine gewichtige Rolle: Als 14-jähriger erhielt Maier gemäß "Unterstützungsvertrag" von der Agentur eine monatliche Zuwendung von 100 Euro. Nach etwa drei Jahren sind die Beträge dann sukzessive gewachsen, und das Gericht äußerte in der Urteilsschrift Zweifel daran, ob dies wirklich auf Arne Maiers Wunsch geschehen sei. Die Zahlungen summierten sich am Ende auf 48 627,42 Euro.

Der Kampf um die Talente wird mit immer härteren Bandagen geführt

Der von Rogon geforderten Rückerstattung widersprach der Richter schon deshalb, weil er die zugrundeliegende Unterstützungsvereinbarung für rechtlich "unwirksam" erklärte. Auch die Zustimmung der Eltern ändere daran nichts, da es an der erforderlichen Genehmigung des Familiengerichts gefehlt habe.

Das Urteil verdient Beachtung. Der Kampf um die Talente im Fußball wird von teils global operierenden Managementfirmen mit harten Bandagen geführt, es kommt regelmäßig vor, dass minderjährige Spieler (bzw. deren Eltern) mit im Prinzip sittenwidrigen Zahlungen in vertragliche Abhängigkeit gebracht werden. Auch die Firma Rogon ist für ihre aggressive Geschäftspolitik bekannt. Nun ist sie auch als Verlierer eines Prozesses aktenkundig, in dem sie vorübergehend tief blicken ließ.

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