Süddeutsche Zeitung

Klage eines Bayern-Anhängers:Der verbannte Fan

Willkür der Vereine versus Eindämmung der Gewalt: Der Fall ist für den gesamten deutschen Fußball von Bedeutung.

Helmut Kerscher

Der FC Bayern München und der MSV Duisburg haben derzeit nicht viel miteinander zu tun. Sie stehen beide im Mittelfeld verschiedener Tabellen - die Bayern in der 1. Bundesliga, die Duisburger in der 2. Liga. Doch an diesem Freitag kreuzen sich ihre Wege an einem ungewöhnlichen Ort: im Bundesgerichtshof (BGH) zu Karlsruhe. Erstmals beschäftigt sich das höchste deutsche Zivilgericht mit der Zulässigkeit eines bundesweiten Stadionverbots, verhängt vom MSV Duisburg gegen einen Bayern-Fan.

Die Sache ist nicht nur für die beiden Vereine von erheblicher Bedeutung, sondern für den gesamten deutschen Fußball. An diesem Freitag könnte das Urteil verkündet werden.

Der MSV Duisburg hatte im April 2006 ein bundesweites Stadionverbot gegen einen Mann ausgesprochen, der damals Mitglied und Dauerkarteninhaber des FC Bayern war. Er wurde bei Krawallen nach einem Spiel seines Vereins in Duisburg vorübergehend festgenommen und klagt immer noch gegen das längst abgelaufene Stadionverbot. Der Fußball-Fan will die Rechtswidrigkeit des Verbots festgestellt wissen - wahrscheinlich, um den FC Bayern zu bewegen, seinen Ausschluss aus dem Verein zurückzunehmen. Schon deshalb wird auch Bayern München den Prozess genau verfolgen, zumal der Verein seit längerem mit gewaltbereiten Fans zu kämpfen hat, insbesondere aus der Ultra-Gruppe "Schickeria".

Zu dieser Truppe soll der nun bis zum BGH vorgedrungene Mann gehört haben, als diese in Duisburg mit etwa 120 Mann in provozierender Haltung an der Heimkurve vorbeizog. So jedenfalls stellte sich der Fall dem MSV Duisburg dar, der von der Polizei über Schlägereien informiert worden war. Die Polizei nahm rund 60 Stadionbesucher, darunter den späteren Kläger, in Gewahrsam und stellte ihre Personalien fest. Auf dieser Basis verhängte der MSV Duisburg Stadionverbote gemäß den Richtlinien des Deutschen Fußballbundes, denen sich die Vereine unterwerfen. Dieses Regelwerk sieht vor, dass befristete überörtliche Stadionverbote auf der Grundlage des Hausrechts verhängt werden können, etwa beim Verdacht auf Gewalttaten. Nachdem das Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs wegen Geringfügigkeit eingestellt worden war, sah sich der MSV die Akten der Staatsanwaltschaft an - und bestätigte das Verbot.

Es kam zum Prozess, weil sich der Fan zu Unrecht verfolgt fühlte. Er sei zufällig in die Nähe der Ausschreitungen geraten und habe sie nur von Ferne gesehen, sagte er. Körperliche Gewalt lehne er ab, von der Polizei sei er willkürlich festgehalten worden. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Duisburg bestätigten indessen das Stadionverbot. Es sei ein "Unterfall" des Hausverbots und könne weitgehend frei ausgesprochen werden. Im konkreten Fall sei das Hausverbot weder treuwidrig noch sittenwidrig ausgeübt worden. Der Kläger sei auch nicht unverhältnismäßig in seinem Persönlichkeitsrecht eingeschränkt worden.

Das Landgericht ließ die Revision "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" zu. Es verwies darauf, dass das Strafverfahren nur wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, nicht aber, weil der Tatverdacht nicht ausgereicht hätte. Genau damit wird sich jetzt der BGH befassen: Kann ein Stadionverbot auf Verdacht verhängt werden? Sollte Karlsruhe das bejahen, könnte der Verlierer nur noch auf dem Klageweg sein eigentliches Ziel erreichen - dass Bayern ihn wieder in den Kreis seiner 150.000 Mitglieder aufnimmt.

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SZ vom 09.10.2009/sewi
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