Süddeutsche Zeitung

Klage auf Wiedereinstellung:Sommermärchen vor Gericht

In der WM-Affäre traf es den DFB-Manager Stefan Hans am härtesten. Er klagt gegen die fristlose Kündigung, am Donnerstag beginnt der Prozess in Frankfurt. Hans will nicht das Hauptopfer sein.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Im deutschen Fußball gab es auch eine Zeit vor der Sommermärchen- Affäre, es war eine Zeit mit vergleichsweise kleinen Problemen. 2014 etwa, als die Nationalelf den WM-Titel gewann, diskutierten Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bereits mit wachsender Besorgnis, dass sich ein kleiner Trupp an der Verbandsspitze abgekapselt habe und wichtige Entscheidungen unter sich zu regeln pflege. Gemeint waren Präsident Wolfgang Niersbach, Generalsekretär Helmut Sandrock - und einer, der nach außen selten in Erscheinung trat, nach innen aber als eine Art "Super-CEO" wahrgenommen wurde: Stefan Hans, stellvertretender Generalsekretär, mit weitreichenden Zuständigkeiten für die Kernressorts Recht, Finanzen und Personal. Hinter den Kulissen galt er auch Spitzenfunktionären als der Mann, der alles im Griff hatte.

Aber dann begann die Affäre um die Vergabe der WM 2006, um dubiose Zahlungen und deren Verschleierung - und diese Affäre traf den engsten Führungszirkel mit Wucht. Niersbach musste als DFB-Chef abdanken. Zwar sitzt er noch in Gremien von Fifa und Uefa, aber das kann der DFB nicht verhindern, hier sind die internationalen Verbände zuständig. Die Zukunft von Sandrock ist nicht zuletzt davon abhängig, was der Bericht der Kanzlei Freshfields bringt, die die Vorgänge intern aufarbeitet; Ergebnisse sind für Anfang März angekündigt. Am härtesten traf es bisher Stefan Hans.

Am 20. November 2015 erhielt er nach einem einstimmigen Beschluss des DFB-Präsidiums die fristlose Kündigung. Er wehrt sich dagegen und klagt auf Wiedereinstellung, am Donnerstag kommt es in Frankfurt zu einem ersten Treffen vor Gericht. Weder der Verband noch die Hans-Seite wollen sich zum Verfahren äußern. Im Zentrum des Streits dürfte die "Rechts- und Verfahrensordnung" des DFB stehen. Darin heißt es, dass der zuständige DFB-Direktor Recht "in Fällen sportpolitischer Bedeutung ( . . . ) unverzüglich den für Rechts- und Satzungsfragen zuständigen Vizepräsidenten und den Generalsekretär" zu informieren hat. Gegen diesen Passus verstieß Hans wohl wiederholt.

Um die Bedeutung der Regel zu erfassen, hilft der Rückblick ins Jahr 2005, als den deutschen Fußball einer seiner bis dahin größten Skandale erschütterte: die Schiedsrichter-Affäre um Robert Hoyzer, der Spiele manipuliert hatte. Als das im Februar 2005 aufflog, stellte sich heraus, dass ein Wettanbieter schon fünf Monate zuvor Verdachtsmomente dem damaligen Generalsekretär und dem Chefjustiziar gemeldet hatte. Die aber informierten das Präsidium erst Monate später, als es schon brannte. Bald darauf wurde der neue Paragraf ersonnen, der mehr Transparenz gerade bei brisanten Vorgängen schaffen sollte.

Wem ist anzulasten, dass Hans nicht korrekt informierte?

"Fälle von sportpolitischer Bedeutung": In der WM-Affäre gibt es davon gleich zwei mit gewaltiger Dimension. Eine falsch verbuchte 6,7-Millionen-Euro-Zahlung und einen verdächtigen Vertrag mit Jack Warner. Hans war am leisetreterischen Umgang mit beiden Fällen maßgeblich beteiligt.

Als die Deutschen im Mai der Hinweis erreichte, im Fifa-Korruptionssumpf könne es auch ums Sommermärchen gehen, beauftragte Niersbach mit der Sache Hans. Der soll in einem Gespräch mit Fedor Radmann, dem umstrittenen Strategen hinter der WM-Bewerbung, erfahren haben, es gebe Unklarheiten wegen einer Zahlung über 6,7 Millionen Euro anno 2005 - offiziell als Zuschuss fürs WM-Kulturprogramm der Fifa deklariert. Doch das stimmte nicht. Für wen das Geld war, ist bis heute unklar; angeblich diente es dazu, ein Darlehen des damaligen Adidas-Eigners Robert Louis-Dreyfus zurückzuzahlen. Im Archiv fand sich dazu ein Papier. Hans sprach über den Vorgang mit Sandrock und Niersbach, aber nicht, wie vorgeschrieben, mit dem für Rechtsfragen zuständigen DFB-Vize Rainer Koch. Er drängte angeblich darauf, das Präsidium zu verständigen, aber Niersbach habe abgewiegelt. Die delikate Info blieb so über Monate im vertrauten Kreis.

Anfang Oktober 2015 soll die Archivarin noch ein Dokument gefunden und Hans gegeben haben: einen Vertrag zwischen Franz Beckenbauer, Chef der WM-Bewerber, und Jack Warner, skandalumtoster Fifa-Wahlmann aus der Karibik. Der Kontrakt datiert vom 2. Juli 2000 - vier Tage vor der WM-Vergabe. Vereinbart waren pikante Leistungen des DFB für Warner und seinen Verband. Ob der Vertrag zumindest teilweise umgesetzt wurde, ist nun ein Kernbestandteil der Freshfields-Prüfung. Die heutige DFB-Spitze um Interimschef Koch wertet ihn als "Bestechungsversuch".

Hans rief, als er das brisante Dokument bekommen hatte, Niersbach und Sandrock an und berichtete davon. Aber offenkundig zeigte er den Vertrag dem Duo nicht - und er informierte den zuständigen DFB-Vize erneut nicht. Eine Woche später löste ein Fragenkatalog des Spiegel zur 6,7-Millionen-Euro-Zahlung die WM-Affäre aus. Am 16. Oktober beichtete Niersbach dem DFB-Präsidium per Telefonkonferenz von der heiklen Überweisung. Hans soll wie üblich teilgenommen haben. Angeblich wurde dabei noch mal explizit auf den Passus in der Rechtsordnung hingewiesen. Trotzdem erwähnte niemand den Warner-Vertrag; der fand erst später über die Archivarin den Weg zu den Freshfields-Ermittlern. Stattdessen wurden sogar rechtliche Schritte gegen den Spiegel und dessen These vom gekauften Sommermärchen eingeleitet. Das wirkt recht bizarr vor dem Hintergrund, dass der DFB-Spitze da bekannt war, was in Form des Warner-Papiers noch im eigenen Giftschrank liegt.

Eine Frage könnte nun sein, wie das Gericht die DFB-Rechtsordnung wertet. Hätte sich Hans exakt daran halten müssen? Oder reichte es, dass er Präsident und Generalsekretär informierte? Wie wäre dann die weitere Heimlichtuerei zu bewerten? Zumindest der Geist dieser Regel, die ja zu mehr Transparenz führen sollte, wurde hier wohl nicht befolgt. Zumal beide, Niersbach wie Hans, zum Zeitpunkt der anrüchigen Zahlung anno 2005 selbst im WM-Organisationskomitee tätig waren.

Von einer Einigung scheinen die Parteien weit entfernt zu sein. Die Differenz bei der Vorstellung über die Abfindung soll sich in einer Größenordnung bewegen, die an durchschnittliche Bundesliga-Gehälter erinnert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2847952
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.