Deutschlands Schach-Szene könnte eigentlich gut gelaunt in die nächsten Monate blicken. Bald beginnt das Lasker-Jahr, in Erinnerung an den vor 150 Jahren geborenen Schachspieler Emanuel Lasker, den bisher einzigen deutschen Weltmeister in diesem Sport. Und im März steigt in Berlin das Kandidatenturnier, bei dem ein prominentes achtköpfiges Teilnehmerfeld den nächsten Herausforderer des aktuellen Titelträgers Magnus Carlsen ermitteln wird. Das könnte dazu dienen, dem Schachsport zu neuem Schwung und mehr Popularität zu verhelfen.
Doch dabei gibt es ein gravierendes Hemmnis: Und das ist der eigene Schach-Weltverband (Fide) und dessen Spitze, die dem königlichen Spiel ein äußerst schlechtes Image bescheren.
Nakamura sagte mit Verweis auf die Menschenrechtslage ab
Dieser Tage gerät die Fide wegen der Blitz- und Schnellschach-WM in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad in die Kritik. Israelische Sportler erhielten für das Turnier kein Visum. Die Titelverteidigerin des Frauen-Wettbewerbs, Anna Musitschuk, boykottierte eine Teilnahme wegen der Kleidungsvorschriften und der Stellung der Frau im Land. Sie wolle sich nicht "wie eine zweitrangige Kreatur" fühlen. Und der amerikanische Spitzenspieler Hikaru Nakamura sagte mit einem Verweis auf die Menschenrechtslage ab.
Schach:"Ich will mich nicht wie ein Wesen zweiter Klasse behandeln lassen"
Anna Musytschuk ist Weltmeisterin im Blitz - und Schnellschach, doch sie wird ihre Titel nun nicht verteidigen können: Sie boykottiert die WM, weil Ausrichter Saudi-Arabien die Frauenrechte missachtet.
Aber der Fide scheint das egal zu sein. Hauptsache, die saudi-arabischen Vertreter um Kronprinz Mohammed bin Salman garantieren ein paar Millionen Dollar - und so findet das Turnier gleich bis 2019 in Riad statt. Die Aufregung passt in das verheerende Bild, das die Fide seit Jahren produziert. Verantwortlich dafür ist in erster Linie ein Herr namens Kirsan Iljumschinow. Das ist ein reicher Geschäftsmann und Ex-Politiker aus Russlands Teilrepublik Kalmückien, der nun schon 22 Jahre an der Spitze der Föderation steht.
Bekannt wurde er vor allem wegen jener skurrilen Anekdote, die er bis heute mit vollem Ernst erzählt: wie er früher einmal von Außerirdischen entführt wurde. Aber für den Schachsport verheerender waren noch ein paar andere Vorgänge unter seiner Verantwortung. Dazu zählt etwa seine lange gepflegte Vorliebe, sich mit Diktatoren vom Schlage Muammar Al-Gaddafi beim Schachspielen ablichten zu lassen. Rund um den Weltverband und seinen Langzeit-Vermarkter Agon sowie Iljumschinows diverse Wiederwahlen gibt es einige mysteriöse finanzielle Vorgänge. Und seit November 2015 steht er wegen seiner geschäftlichen Kontakte in Syrien sogar auf der Sanktionsliste der USA und kann entsprechend nur eingeschränkt reisen.
An der Spitze des Schach-Weltverbandes hielt sich Iljumschinow mithilfe diverser schräger Volten und trotz eines schwelenden Machtkampfes dennoch. Und es waren nicht nur dunkle Mächte aus Osteuropa und Arabien, die den Kalmücken über die Jahre stützten; sondern auch diverse europäische Vertreter. Im September 2018 will sich Iljumschinow sogar für eine weitere Amtszeit an die Spitze der Fide wählen lassen. Für die Zukunft des Schachsports wäre das verheerend.
Entsprechend sind die Mitgliedsländer jetzt gefordert. Das gilt auch für den deutschen Verband, der früher stets vehement gegen Iljumschinow auftrat - aber bei der letzten Wahl vor vier Jahren lavierte und keine klare Position mehr gegen den Kalmücken bezog.