Kingsley Coman beim FC Bayern:Bayerns Gaspedal fällt aus

Bayern München - Besiktas Istanbul

Spielte gegen Besiktas Istanbul von Anfang an: Bayerns Kingsley Coman (r., hier im Duell mit Adriano).

(Foto: dpa)
  • Bayern-Profi Kingsley Coman fehlt dem FC Bayern wochenlang mit einem Syndesmosebandriss.
  • Unter Trainer Jupp Heynckes hat sich Coman zu einem wichtigen Offensivspieler der Münchner entwickelt.
  • In der Bundesliga dürfte sein Ausfall verkraftbar sein - in der Champions League könnte das anders aussehen.

Von Jonas Beckenkamp

Natürlich ist so ein Syndesmoseband keine Achillesferse, wie ja auch ein linker Fuß nur schwerlich als rechter Fuß durchgeht, aber irgendwie hat es den FC Bayern mit dieser Diagnose schon sehr empfindlich erwischt. Kingsley Coman hat sich im Spiel gegen Hertha BSC (0:0) weh getan, er hat sich nach aktuellen Erkenntnissen aus dem Ärztestab der Münchner einen "Riss des Syndesmosebandes oberhalb des linken Sprunggelenks" zugezogen, weshalb noch am Montag eine Operation bei dem Franzosen nötig war.

Wenn Verletzungen so eine komplizierte Beschreibung tragen, klingt das häufig alarmierend - es geht dann um Wochen, Monate, in denen ein Fußballer zuschauen muss. Jedenfalls zu lang, um dazwischen noch schnell die Champions League zu gewinnen. Doch genau das wollen die Bayern und deshalb ist Comans wochenlanger Ausfall nun ein Riesenproblem. Sollte sich bewahrheiten, was die Klubverantwortlichen laut Sportbild befürchten, dann ist die Saison für den 21-Jährigen gelaufen.

Der FC Bayern erlebt damit eine Schwächung an seiner empfindlichsten Stelle: an der Achillesferse seiner offensiven Schöpfungskraft sozusagen, dem Eins gegen Eins, dem Dribbling - da, wo ein, zwei Aktionen ein Spiel umbiegen können. Passiert war die Sache nach Comans Einwechslung gegen Berlin, als er nach einem Ballverlust in der Rückwärtsbewegung an seinem Gegenspieler abprallte. "Er ist umgeknickt und hat große Probleme", hatte Bayern-Coach Jupp Heynckes noch am Samstag gesagt. Allerdings ging er da von einer Kapselverletzung am Sprunggelenk aus.

Heynckes ließ den humpelnden Flügelspieler nach der Szene auf dem Feld, um nach zwei weiteren Wechseln nicht in Unterzahl zu geraten. Überhaupt hatte Coman zuletzt äußerst häufig auf dem Feld gestanden, er kam in dieser Saison 21 Mal in der Bundesliga zum Einsatz, viermal im Pokal und sechsmal in der Champions League. Coman war das, was man gemeinhin als "Stammspieler" bezeichnet.

Seine Bedeutung für das Angriffsspiel der Bayern untermauerte auch die Tatsache, dass beim 5:0 gegen Besiktas in der Vorwoche nicht etwa Franck Ribéry, 34, oder Arjen Robben, 34, die Außenpositionen in der Startelf besetzten, sondern Coman. Beim Rekordmeister haben sie gemerkt, dass ihr effektivstes Gaspedal nicht mehr Ribérys oder Robbens alternde Dribbelfüße sind, sondern die jungen, frischen von Coman. Sie haben sicherlich die Zahlen vernommen, die findige Statistiker ausgebuddelt haben: Ligaweit wagen sich nur die Leipziger Keita und Bruma sowie der Dortmunder Pulisic öfter ins Duell Mann gegen Mann als Bayerns gelockter Franzose.

Einer der besten Dribbler der Liga

Entscheidend ist, dass Coman als einer der wenigen Münchner die Fähigkeit besitzt, mit dem Ball gewiefte Verteidiger im Eins gegen Eins zu überwinden. Wo Ribéry mittlerweile oft im Dickicht hängen bleibt, ist Coman mit seinen Wacklern, Schlenkern und Tempowechseln im Schnitt 4,2 Mal pro Partie erfolgreich. Zum Vergleich: Rib&Rob schaffen das durchschnittlich nur einmal pro Spiel. Dass Coman diese Finesse entwickelt hat, liegt auch am Zutrauen von Heynckes, der sich den Franzosen kurz nach seinem Amtsantritt im Herbst als Herzens-Projekt vorgenommen hatte.

Schon im November sprach er über Coman als "hochsensibles Rennpferd", dessen Fähigkeiten ein wenig letzten Schliff vertragen könnten. Zu Heynckes' Maßnahmen zählte etwa der simple Tipp, dass Coman beim Flanken öfter den Kopf heben solle, um zu wissen, wohin er den Ball spielt. Bei den Bayern setzte Heynckes damit um, was die Kaderplanung unausweichlich gemacht hat: Längst ist Coman auch in den Augen der Klub-Oberen der legitimierte Nachfolger von Ribéry und Robben im Fachbereich "Flügelflitzer". Er ist der Mann, der in wichtigen Spielen gegen die Marcelos aus Madrid oder die Walkers aus Manchester mal einen nass machen soll. Der Dosenöffner für freie Räume.

Ohne Coman geht es für die Münchner nun in eine Phase, in der sein Ausfall in der Bundesliga vielleicht sogar zu verkraften ist. In der Champions League aber eher nicht. Dort werden nun Ribéry und Robben ihre knarzenden Knochen in ein paar letzte Grätsch- und Rennduelle werfen. Ihrem Trainer Heynckes fehlt nun eine entscheidende Spezialkraft, berechenbarer wird sein Team womöglich auch. Für Robben und Ribéry bedeutet das zwar einerseits, dass sie jetzt wohl weniger zuschauen (und grummeln) müssen. Andererseits reduziert das nicht unbedingt ihre Belastung.

Weder Thomas Müller, noch James Rodriguez sind bekanntlich solche Spielertypen wie die Münchner Fraktion für Links -und Rechtsaußen. Sie können zwar auch schnixen und tricksen, tun dies aber aus Tempogründen in anderen Gefilden auf dem Platz. Nicht auszduenken, wie es die Bayern treffen würde, wenn es auch sie im Endspurt dieser Spielzeit noch irgendwo zwischen Achillesferse und Syndesmoseband zwickt.

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