Am Mittwochabend war sein Fehlen ausnahmsweise wenig bemerkbar gewesen, und ausnahmsweise war es auch kein großes Thema. Joshua Kimmich sei "freigetestet, heute Nacht endet seine Quarantäne. Dann werden wir noch mal Untersuchungen machen und weitersehen", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic vor dem 3:0 des FC Bayern gegen den FC Barcelona.
Auf dem Rasen übernahmen dann andere Münchner die Hauptrollen: Thomas Müller erzielte das 1:0 und füllte das fast menschenleere Stadion mit seinen Anweisungen und Jubelrufen. Leroy Sané schoss das 2:0 und verdiente sich später ein Sonderlob von Trainer Julian Nagelsmann für seine Defensivarbeit. Jamal Musiala traf zum 3:0 und war mit dafür verantwortlich, dass von Kimmichs Fehlen im Mittelfeld gar nicht so sehr die Rede war. Corentin Tolisso, Musialas Nebenmann, hatte es nach ein paar wackligen Pässen zu Beginn gegen die so harmlosen Gäste aus Barcelona leicht, die Münchner Angriffe aufzubauen, wie es sonst Aufgabe und Spezialität des seit vier Wochen fehlenden Nationalspielers ist.
Tolisso, 27, wird diese Rolle nun allerdings noch mindestens bis Weihnachten ausfüllen müssen. Denn die angesprochenen Untersuchungen ergaben "leichte Infiltrationen" in Kimmichs Lunge, so sagte es der 26-Jährige selbst laut einer Mitteilung des FC Bayern am Donnerstag. Ihm gehe es "sehr gut", erklärte er. Aber er könne "noch nicht voll trainieren", sondern müsse ein Aufbautraining absolvieren. Die verbleibenden Spiele des Jahres gegen Mainz 05, den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg verpasst er demnach.
Es ist das nächste Kapitel einer Geschichte, die für die Mannschaft eine ansonsten sportlich erfolgreiche Hinrunde prägt. Der Sieg gegen Barcelona bedeutete den sechsten Erfolg im sechsten Champions-League-Gruppenspiel, das Weiterkommen stand längst fest. In der Liga beträgt der Vorsprung auf Borussia Dortmund seit dem 3:2 am vergangenen Wochenende vier Punkte. Doch seit im Oktober die Bild-Zeitung die fehlende Impfung Kimmichs bekannt machte, er die Information im Sky-Interview öffentlich bestätigte und seinen Zweifeln wegen fehlender "Langzeitstudien" danach laut und deutlich widersprochen wurde, sind es auch die pandemischen Begleiterscheinungen, die Bayerns Saison charakterisieren.
Die Schonung des Mittelfeldspielers, so heißt es nun, sei eine Vorsichtsmaßnahme. Von einer "Infiltration" sprechen Ärzte, wenn sie in einer Röntgenaufnahme typische Veränderungen der Lunge sehen. Dabei kann es sich um eingedrungene feste oder flüssige Substanzen in das Lungengewebe oder das dazwischen liegende Bindegewebe handeln. Zu Infiltrationen kommt es aber auch, wenn bei einem Infekt die Lunge beteiligt ist und es zu Entzündungen kommt - sei es bei einer Bronchitis, einer Lungenentzündung oder eben einer Sars-CoV-2-Infektion.
Das Ausmaß der im Röntgenbild festgestellten Infiltrate spiegelt nicht unbedingt die Schwere der Beschwerden wider. Es bedeutet zunächst nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Beteiligung der Lunge an der Erkrankung. Der Grad der Infektion wie auch der Beeinträchtigung der Lunge ist dabei schwer abzuschätzen. Vieles spricht bei einem solchen Befund jedoch dafür, dass der Verlauf von Kimmichs Corona-Infektion nicht gänzlich asymptomatisch gewesen sein kann, sondern er zumindest milde Symptome hatte. Ärzte der Uniklinik Innsbruck hatten im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Lunge bei und nach einer Corona-Infektion im Röntgenbild erheblich Veränderungen aufweisen kann, ohne dass dies die Betroffenen deutlich merken. Kimmich gehe es gut, hatte es in der Mitteilung vor zwei Wochen geheißen, als der FC Bayern über seine Ansteckung informierte, während er zuvor schon als Kontaktperson in Quarantäne gewesen war.
Auch Eric Maxim Choupo-Moting fehlt nach seiner Corona-Infektion noch
Am selben Tag, an dem Kimmich positiv getestet wurde, galt das auch für Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting, einen weiteren der bislang ungeimpften Münchner Profis. Auch Choupo-Moting, 32, fehlt noch im Training. "Bei Choupo ist es so, dass die Nachwirkungen der Corona-Infektion so sind, dass wir noch eine Woche warten, bis er hoffentlich wieder ins normale Training einsteigen kann", hatte Nagelsmann schon vor dem Spiel gegen Barcelona gesagt. "Er hat noch ein bisschen Probleme, die das Training noch nicht zulassen."
Es gab in der ersten und zweiten Liga in diesem Jahr mehrere Spieler, die nach einer Corona-Infektion länger fehlten als die obligatorischen zwei Wochen Quarantäne. Jonathan Schmid vom SC Freiburg hat zuletzt Ende August gespielt, Torhüter Rune Jarstein von Hertha BSC war zwischenzeitlich in einer Klinik behandelt worden. Die Vergleiche solcher Fälle mit denen der Münchner Profis sind noch abwegig. Rein an seiner Ausfallzeit bemessen, ist es für Kimmich dennoch bald die längste Zwangspause, seit er beim FC Bayern unter Vertrag steht.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte er acht Spiele wegen eines Meniskusschadens verpasst. Acht Spiele sind es auch diesmal, bei denen er wegen der Aneinanderreihung von zwei Quarantänen, einer Infektion und dem nun folgenden Aufbautraining fehlen wird. 2020 hatte sich Kimmich am 7. November verletzt und war am 19. Dezember beim Spiel gegen Bayer Leverkusen zurückgekehrt. Diesmal fehlt er seit dem 9. November, und eine Rückkehr vor dem Jahresende ist offenbar ausgeschlossen.
Er könne es "kaum abwarten, im Januar wieder voll mit dabei zu sein", wird Kimmich in der Mitteilung zitiert. Dann würde er laut Regelung des bayerischen Gesundheitsministeriums für sechs Monate als genesen gelten. Aber um wieder zu spielen, muss er nun erst mal gesund werden.