Kickers Offenbach im Pokal-Viertelfinale:Spezialist für K.-o.-Spiele

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Ein Höhepunkt für die Fans von Kickers Offenbach: das Pokal-Viertelfinale gegen Wolfsburg. (Foto: dpa)

Der Kultverein Kickers Offenbach drohte schon, zu einem normalen, ruhigen Klub zu werden. Doch der neue Präsident kam nach einer Schlammschlacht ins Amt, Wirtschaftsprüfer durchleuchten die Finanzen - die Einnahmen durch das Viertelfinale im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg sind bereits verplant.

Von Thomas Kilchenstein

Fabian Bäcker ist ein schneller Stürmer, 22 Jahre jung, und als er unlängst zum ersten Mal von Anfang an in einem Punktspiel in der Startelf stand, hat er hinterher stolz die SMS gezeigt, die ihm ein gewisser Marco Reus geschickt hatte. Die beiden kennen sich aus gemeinsamer Gladbacher Zeit, dort sind sie Freunde geworden, dann ging der eine zu Borussia Dortmund und avancierte zum Star. Der andere ging zu Kickers Offenbach, dritte Liga, Abstiegskampf, ab und zu mal ein Einsatz.

Am Dienstagabend kehrt der große Fußball zurück auf den für mehr als 25 Millionen Euro neu erbauten Bieberer Berg, wenn auch nur für 90 Minuten. Wieder wird er brennen, der aufgehübschte Berg auf Biebers Höhen, wie schon in den ersten Pokalrunden, als die Kickers, eine Elf mit großem Kämpferherzen, aber ohne besondere individuelle Klasse, nacheinander die Spvgg Greuther Fürth (2:0), Union Berlin (2:0) und Fortuna Düsseldorf (2:0) niedergerungen hatte.

Und natürlich erinnert man sich wieder an die großen Pokal-Schlachten, etwa an jene vor Jahren gegen Dortmund, als der OFC dank seines Riesen im Tor, Robert Wulnikowski, das Elfmeterschießen gewann. Vor seiner Torwart-Karriere arbeitete Wulnikowski in Polen unter Tage. Der Mann wird 36 und denkt nicht daran, das Offenbacher Tor zu verlassen.

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Es hat eine Zeit gegeben, da schien es wirklich so, als würde Kickers Offenbach zu einem ganz normalen Klub werden - dieser Kultverein im ewigen Schatten des verhassten Rivalen von der anderen Mainseite, Eintracht Frankfurt. Keine Hochs und Tiefs mehr, keine Intrigen und Scharmützel, keine Durchstechereien und verpasste Lizenzauflagen, dafür Solidität und Kontinuität. Geschäftsführer Thomas Kalt und der ewig gut gelaunte Deutsch-Holländer Arie van Lent als Trainer steuerten den OFC in ruhiges Gewässer, viermal nacheinander wurden die Offenbacher Siebter in der dritten Liga, im vergangenen Jahr Achter. Gepflegte Langeweile, immerhin. Aber der schöne Traum, mal wieder zu den ganz Großen im Fußball-Land aufzuschließen, der ist nicht totzukriegen.

Wenn nun der VfL Wolfsburg zum DFB-Pokal-Viertelfinale kommt, ist nahezu jeder Euro an Einnahmen verplant. Seit ein paar Wochen durchleuchten Wirtschaftsprüfer die Büros des OFC in der Geschäftsstelle. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Prüfer weit mehr an Verbindlichkeiten als die zuletzt im September kolportierten 4,7 Millionen Euro ausfindig machen werden. Ohnehin hält sich hartnäckig die Vermutung, der Traditionsverein wäre womöglich schon pleite, hätte er nicht vom Geldsegen im Pokal profitiert.

Ein Trainingslager im Winter musste aus Kostengründen gestrichen werden, Stürmer André Hahn wurde soeben für 400.000 Euro zum Erstligisten Augsburg transferiert, erst kürzlich sperrte die Sparkasse für einen Tag die Konten, weil Gläubiger ihr Geld verlangten. Immerhin bringt das Viertelfinale den Kickers etwa 1,4 Millionen Euro. "Der OFC ist eine Wundertüte", sagt Frank Ruhl. Der 57-Jährige ist seit September 2012 neuer OFC-Präsident.

Der Industrieberater hat schnell einen deutlich raueren Ton in die Führungsetage eingeführt, er ist das Gegenteil des leisen Vorgängers Dieter Müller, jenes ehemaligen Spitzenstürmers, der sich zurzeit von den Folgen eines Herzinfarktes erholt. Ruhl hat sich mit einem Konkurrenten um den Präsidentenjob eine Schlammschlacht geleistet, auf einer Sponsorenveranstaltungen eskalierte die Auseinandersetzung. Es gab wüste Beschimpfungen und tätliche Übergriffe auf den Konkurrenten.

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Solche Peinlichkeiten sind natürlich nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigegangen. Den Start in die dritte Liga verpatzte der OFC mit vier Niederlagen am Stück, dann fing sich die Mannschaft, ehe nach zuletzt sieben sieglosen Spielen Trainer van Lent gehen musste. Dabei war die Entlassung des bei den Spielern beliebten Coachs schon im Dezember beschlossene Sache; nach dem Pokal-Achtelfinale (und einer erwarteten Niederlage) gegen Düsseldorf sollte van Lent die Papiere erhalten. Die Kickers aber besiegten den Erstligisten, van Lent durfte weitermachen.

K.o.-Spiele liegen den Kickers offenbar. Rico Schmitt, der neue Trainer, hat ein schweres Erbe angetreten, das Pflaster Offenbach ist heiß. Bei seinem ersten Presseauftritt wirkte der Chemnitzer - Typ Sozialversicherungsfachangestellter mit Brille, gewelltem Haar und kariertem Hemd - hochgradig angespannt. Die vielen Kameras, der voll besetzte Presseraum: Darauf war der 44-Jährige nicht vorbereitet, vom Zweitligisten Aue war er ruhigeres Arbeiten gewohnt. Der Sachse ist bodenständig, verzichtet auf scharfe Rhetorik und großes Tamtam. "Realismus und Nüchternheit" möchte er bei den Kickers einführen, "Anspruch und Wirklichkeit austarieren".

Das erste Spiel unter seiner Leitung haben die Kickers 2:0 gewonnen, gegen Saarbrücken. Dabei hat Schmitt keine Minute auf seiner Trainerbank zugebracht. Rund um die Uhr gab er Anweisungen an der Linie, rannte hoch und runter, fuchtelte mit den Armen, dirigierte - in Fußballschuhen. "Der Mann kann einen Marathon laufen", sagt Präsident Ruhl. Das war wohl positiv gemeint.

© SZ vom 26.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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