Juventus Turin:Khediras dringliche Worte in eigener Sache

Juventus Turin: Sami Khedira war schon oft verletzt, oft auch sehr schwer: Doch auch diesmal will er bei Juventus zurückkommen.

Sami Khedira war schon oft verletzt, oft auch sehr schwer: Doch auch diesmal will er bei Juventus zurückkommen.

(Foto: ISABELLA BONOTTO/AFP)

Herz-OP, zweimal Knie, jetzt die Adduktoren: Sami Khedira kämpft um seine Karriere, doch es ist unklar, ob er eine Zukunft in Italien hat. Sein Charakter hilft ihm durch eine schwere Zeit.

Von Jonas Beckenkamp

Im Ländle müssen sie jetzt ganz stark sein, denn es sieht so aus, als würde sich die größtmögliche Schmonzette dieses Sommers nicht erfüllen. Nein, es geht in dieser Geschichte nicht um ein Sensationscomeback des gerade zurückgetretenen Mario Gomez und nein, auch Jürgen Klinsmann spielt hier keine Rolle. Es geht um einen anderen gebürtigen Schwaben, der nicht zurückkehrt. Um einen ganz und gar feinen Kerle, um genau zu sein. Es geht um Sami Khedira, den Weltmeister mit der ewig langen Krankenakte.

Bis zuletzt hatte es ja Hoffnung gegeben, dass der 33-Jährige tatsächlich nach Hause kommt - heim zum VfB, wo seine Profikarriere nach seinen Anfangstagen in Fellbach-Oeffingen einst begonnen hatte. Aber daraus wird nun eher nichts, wenn man den aktuelle Angaben Khediras glauben soll. Auf Instagram schickte er eine längere Mitteilung in die Welt, die sich nicht unbedingt euphorisch liest. In Wahrheit offenbart der frühere Nationalspieler seinen Frust über seinen sportlichen Werdegang bei Juventus Turin. Entgegen vieler Berichte über eine mögliche Auflösung seines Vertrages bei der Alten Dame bekräftigt er aber seinen Wunsch, weiter in Italien bleiben zu wollen.

Khedira, der soeben mit Juve erneut die Serie A gewonnen hat, beklagt in seinem Post ausführlich eine für ihn "sehr harte Saison". Hinter ihm liegen schwierige, nervenzehrende Monate, denn er konnte wieder einmal kaum mithelfen auf dem Platz. Khedira und die Verletzungen, das ist ein ganz eigenes Kapitel dieser manchmal schmerzvollen Branche - im Grunde ist dieser Charakterkicker so was wie der meistverletzte deutsche Fußballer überhaupt.

"Ich bin natürlich vom Erfolg unserer Mannschaft und vom neunten Scudetto in Serie begeistert, doch seit Dezember war für mich persönlich alles frustrierend", berichtet Khedira, der im Saisonverlauf nur 18 Partien absolvierte. Nach seiner Operation wegen Herzrhythmusstörungen im Winter 2019 kam er auch 2020 nie richtig in Form, die Folge von zwei Eingriffen am Knie und einer immer noch andauernden Geschichte an den Adduktoren. Khedira, der Mentalitätsspieler, den selbst Bundestrainer Joachim Löw mehrfach nur halb fit mit durch Turniere schleppte, kann sich derzeit nur selbst Mut zusprechen. Ihm bleiben kaum andere Anhaltspunkte für einen positiven Fortgang seiner Karriere.

"Ich erwarte einfach mehr von mir selbst", formuliert er nun, "doch jedes Mal, wenn man stürzt, muss man wieder aufstehen. Das ist seit 14 Jahren als Profi meine Einstellung, in dieser Zeit habe ich 20 Titel in drei der besten Ligen Europas gewonnen." Tatsächlich ist Khediras Titelsammlung erstaunlich, wenn man bedenkt, wie oft er lange ausfiel. Aber er spielte halt bei den richtigen Klubs. Stuttgart Ende der Nullerjahre, Real Madrid Anfang der 2010er-Jahre und jetzt eben Juventus, wo man sowieso immer gewinnt.

Er tickt anders als Schürrle oder Höwedes

Bei all den Erfolgen - Khedira gewann die Champions League, dazu Meisterschaften und Pokale in Deutschland, Spanien und Italien - ist er noch nicht fertig. Khedira will nicht einfach in Rente gehen, so wie zuletzt die Weltmeisterkollegen André Schürrle oder Benedikt Höwedes. Ein Abschied im Stillen ist nicht sein Stil, eine Rückkehr nach Stuttgart erstmal kein Thema. "Täglich arbeite ich hart, um so rasch wie möglich zurückkehren zu können und ich bin überzeugt, ich schaffe es", hofft der Mittelfeldspieler.

Und am liebsten möchte er bei Juventus bleiben, wo er noch bis 2021 unter Vertrag steht. Dafür will Khedira das tun, was er immer getan hat: Er will hart arbeiten, seinen Körper antreiben und wieder auf hohem Niveau Fußball spielen. Aber machen die maladen Knochen da mit? Kann einer, der schon 2014 mit einem kaum ausgeheilten Kreuzbandriss ein Champions-League-Finale und anschließend eine WM bestritt, sich ein letztes Mal aufraffen? Er selbst hält das offenbar für möglich - die Frage ist, ob sein Arbeitgeber auch an ihn glaubt? Khediras Worte klingen fast wie ein Appell.

"Die Bianconeri wissen, dass ich diesen großartigen Klub, seine Tifosi, die Region und Juves unvergleichliches Erbe liebe und respektiere", schreibt Khedira mit einigem Pathos. "Seitdem ich vor fünf Jahren hier eingetroffen bin, haben wir Enormes geleistet, und in dieser Saison können wir noch einen Titel gewinnen." Noch ein zweites Mal die Champions League gewinnen - das ist sein Ziel. Doch dafür muss Juventus ohne ihn erst einmal ein 0:1 aus dem Achtelfinal-Hinspiel gegen Olympique Lyon umbiegen.

Khedira schuftet also für seine Rückkehr - trotz der Konkurrenz im Mittelfeld um Zugang Arthur vom FC Barcelona, trotz Aaron Ramsey, Adrien Rabiot, Rodrigo Bentancur oder Blaise Matuidi. Er wolle einfach "endlich gesund werden", schließlich liebe er immer noch "den Fußball und die Bianconeri". Er gibt sich kämpferisch, wie man es von ihm kennt. Aber zwischen den Zeilen dringt Wehmut durch bei einem, der sich mit all seinen Erfolgen eigentlich nichts mehr beweisen muss. Und natürlich: Wenn er auf die alten Tage nach dem Juve-Kapitel doch noch mal Lust verspürt, dann ist Stuttgart weiterhin eine Option. Dort haben sie schließlich auch Holger Badstuber wieder einigermaßen hinbekommen.

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