Kevin Volland bei U-21-EM:Kind im Eishockey-Trikot

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Traf zweimal: Kevin Volland (Foto: dpa)

Ohne Kevin Volland hätte die U-21-Nationalmannschaft nicht so hoch gegen Dänemark gewonnen. Der bullige Angreifer spielte einst Eishockey. Nun soll er in Joachim Löws Auswahl aufsteigen.

Von Ulrich Hartmann, Prag

Im Hotel der deutschen Mannschaft hängen an einer Fotowand und an den Zimmertüren der Spieler lauter Kinderfotos. Die Bilder stammen aus einer Zeit, als die Köpfe der heutigen U-21-Nationalspieler noch voller Flausen waren, aber auch schon voller Träume. Die Verantwortlichen vom Deutschen Fußball-Bund haben sich das mit den Fotos ausgedacht, sie wollen, dass die Spieler sich an ihre Anfänge erinnern. Sie sollen sich bei der U-21-Europameisterschaft in Prag immer wieder bewusst machen, dass genau jetzt die Zeit gekommen ist, um die Träume von damals wahr werden zu lassen. "Lebe Deinen Kindheitstraum", heißt das interne Motto der U 21 bei der EM in Tschechien. Auch vom Hoffenheimer Stürmer Kevin Volland hängt ein Bild an der Fotowand. Es zeigt ihn in einem Eishockey-Trikot.

Kevin Volland kommt aus dem Allgäu, er hat bis zu seinem achten Lebensjahr Fußball und Eishockey gespielt. Dann hat er sich für den Fußball entschieden, auch, weil ihm die ständige Fahrerei zum Eishockey nach Füssen zu viel geworden ist.

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14 Jahre ist das jetzt her, aber man kann festhalten, dass das eine gute Entscheidung war. Andernfalls hätten die deutschen U-21-Fußballer ihre zweite EM-Partie gegen Dänemark kaum mit 3:0 gewonnen. Dann hätte Volland nach einer halben Stunde nicht das 1:0 erzielt und nach 48 Minuten per Freistoß auch nicht das 2:0. Dann stünde die deutsche Mannschaft jetzt nicht mit ihrem Kapitän Volland auf dem ersten Platz ihrer Vorrundengruppe und besäße am Dienstagabend im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien nicht die herausragende Gelegenheit, mit mindestens einem Unentschieden den Einzug ins Halbfinale perfekt zu machen - und damit auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.

Zur Verwirklichung von Kindheitsträumen sind klare Entscheidungen und manchmal auch Veränderungen erforderlich. Volland, Sohn des früheren Eishockeyprofis Andreas Volland, hat sich vor 14 Jahren aus dem Bauch heraus für den Fußball entschieden und damit unwissentlich dafür, dass 2015 ein wegweisender Sommer in seinem Fußballleben werden könnte. Vor wenigen Wochen hat er sich trotz des Interesses namhafter Klubs für einen Verbleib bei der TSG Hoffenheim entschieden, er sei "dort noch nicht fertig", sagt er. Diese Treue wiederum ist die Basis für größere Veränderungen. Im Juli zieht er aus dem Dorf Rauenberg nach Heidelberg um, und im Herbst wechselt er womöglich auch die Nationalelf: Er lässt dann wohl die U 21 hinter sich, um fortan zur großen A-Nationalmannschaft von Jogi Löw zu gehören. Volland gilt neben Emre Can vom FC Liverpool und Torwart Marc-André ter Stegen als der verheißungsvollste junge Fußballer im deutschen Nachwuchsteam.

Zur Traumverwirklichung der 23 deutschen Fußballer bei dieser EM trägt Volland die entscheidenden Aktionen bei. Emre Cans Treffer zum 1:1 im ersten Spiel gegen Serbien legte ihm Volland auf. Seinen eigenen Treffer zum 1:0 gegen Dänemark im zweiten Spiel wiederum bereitete Can vor. Kevin Volland, der Junge im Eishockeytrikot, führt die U-21-Fußballer zielsicher Richtung Olympia und EM-Halbfinale. Darüber dürften sich allenfalls Menschen im Deutschen Eishockey-Bund ärgern.

Wer im Hotel in Prag gerne mal durch die Zimmerflure streifen und einen Blick auf die nostalgischen Fotos werfen möchte, der wird schon in der Lobby von muskulösem Sicherheitspersonal abgefangen. Die Kindheitsträume und die alten Fotos sind wie die Players Lounge im Hotel tabu. Öffentlich zugänglich sind bei den Spielern zurzeit nur die Zahlen, die ihr fußballerisches Potenzial dokumentieren. Volland etwa wird demnächst erst 23, hat aber schon 99 Bundesligaspiele absolviert (25 Tore) sowie 20 U-21-Länderspiele (elf Tore) und drei A-Länderspiele bei Löw. Mit acht Toren und fünf Vorlagen in Hoffenheim in der vergangenen Saison ist er der beste Topscorer unter den aktuellen deutschen U-21-Fußballern, mit seinen sechs Treffern in sechs EM-Qualifikationsspielen ist er der effektivste Spieler im Nationalkader.

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Allerdings ist das Leistungsgefälle in der deutschen U 21 erstaunlich flach. Mit Amin Younes über links, Leonardo Bittencourt über rechts und Max Meyer in der Mitte bildete Volland ein äußerst bewegliches Offensiv-Quartett, das Trainer Horst Hrubesch gegen die baumlangen dänischen Verteidiger ins Rennen schickte - unter bewusstem Verzicht auf den hochgewachsenen Mittelstürmer Philipp Hofmann, der im ersten Spiel gegen Serbien kaum überzeugte. "In der Luft hat man gegen die Dänen kaum eine Chance, und unsere Kleinen vorne können Fußball spielen", sagte Hrubesch. Er hatte erkannt, dass er eine Offensive aufstellen muss, die das genaue Gegenteil des früheren Kopfballungeheuers Hrubesch darstellt.

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Mindestens Younes und Volland, vermutlich aber auch Meyer und Bittencourt wird der Coach auch am Dienstagabend wieder aufbieten, wenn die deutsche Mannschaft gegen Gastgeber Tschechien ins Halbfinale strebt. Der Traum von Olympia wäre für die jüngeren Jahrgänge im Kader dann bereits erfüllt, der Traum von EM-Finale und EM-Titel würde für alle weiterleben, und auch der Traum von einem festen Platz in Joachim Löws A-Nationalmannschaft würde für einige Junioren Gestalt annehmen.

Kevin Volland könnte sich in Prag ein paar Fußball-Sehnsüchte auf einmal erfüllen. Ganz beachtlich für einen, der in der Fotogalerie der Träume im Eishockey-Trikot zu sehen ist.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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