Unten schimmert das Mittelmeer, oben schlängeln sich die Serpentinen nach La Turbie, wo die Association Sportive de Monaco ihr Trainingszentrum gerade neu gestaltet. Doch Kevin Volland ist die Sicht versperrt: "Leider sehe ich nur Container, aber gleich hier hinterm Zaun gibt's eine Hammeraussicht." Als Anrufer kann man nur erahnen, wie es in den Hügeln von Monte Carlo aussieht, für Volland ist das Urlaubsflair im Fürstentum Alltag. Das Panorama, die Sonne und das exklusive Ambiente zählen zu den Annehmlichkeiten, die einem als Stürmer in Monaco den Job versüßen.
Für den 28-Jährigen, der zuletzt beim Training nur die Aussicht zwischen der S-Bahn-Haltestelle Chempark Leverkusen und der A 3 genoss, scheint sich sein Umzug im vergangenen Sommer gelohnt zu haben. Monaco, das klingt natürlich hübsch im Lebenslauf, und arm wird man dort als Fußballer auch nicht. Aber dass einer der besten deutschen Torschützen der Gegenwart (86 Tore in acht Jahren Hoffenheim und Leverkusen) die Blütezeit seines Stürmerlebens fernab der ganz großen Ligen Europas verbringt, hat doch etwas überrascht.
Andererseits: Spannend geht es in der Ligue 1 allemal zu, Monaco hat sich dank einer Siegesserie zu Jahresbeginn auf Platz vier hochgekämpft, der Abstand zu den Topteams Lille, Paris Saint-Germain und Lyon beträgt nur ein paar Punkte. Ein Sieg gegen PSG an diesem Sonntag im Spitzenspiel würde Volland & Co. mitten in den Titelkampf bringen - und das mit der zweitjüngsten Mannschaft in Europas Topligen (nach dem AC Mailand). Nach Jahren der Tristesse (auf das Champions-League-Halbfinale 2017 folgten Platz neun und der Beinahe-Abstieg 2019) hat auch Volland seinen Anteil am monegassischen Empordrängeln. Zwölf Tore gelangen ihm bereits - und tatsächlich, mit seinem Offensivpartner Wissam Ben Yedder (13 Treffer) bildet er eines der gefährlichsten Sturmduos Europas.
Obwohl er ein wenig aus dem Fokus geraten ist, hat es der gebürtige Allgäuer gut erwischt. Beziehungsweise: Monaco hat es mit ihm und Trainer Niko Kovac gut erwischt, denn beide Importe aus der Bundesliga reüssieren jetzt. Die zähen Anfangswochen? Passé. Der vom russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew stattlich alimentierte Klub konnte sich die Verstärkung aus Allemagne leisten. "Der Verein ist im Umbruch, dieser Weg hat mich interessiert", sagt Volland, der offen ausspricht, warum er den Werksklub nach vier Jahren verließ. "Mit Leverkusen bin ich nicht auf einen grünen Nenner gekommen, es lag auch am Finanziellen." Und dann sei eben Monaco zum richtigem Zeitpunkt gekommen.
Der Erstkontakt lief über den neuen Sportdirektor Paul Mitchell (bis vor Kurzem Chefscout bei RB Leipzig), dann folgten Gespräche mit Vizepräsident Oleg Petrow und mit Kovac. "Sie wollten mich unbedingt holen, am liebsten sofort, so was ist für einen Spieler sehr wichtig", erzählt Volland. In Leverkusen dagegen war das mit dem "unbedingt" so eine Sache. Dort fanden sie ihn meist sehr okay, er machte seine Treffer, schuftete viel, legte den Kollegen Tore auf. Aber letztlich ging es den Verantwortlichen ähnlich wie Bundestrainer Joachim Löw im Nationalteam: Man sah Volland nicht zu Höherem berufen. Zum Anführer und Großverdiener zum Beispiel.
Also bildete sein Verkauf an die Côte d'Azur in der von Sparzwängen geprägten Pandemie ein gutes Geschäft. Etwa elf Millionen Euro nahm Bayer ein, während Volland unter einigem Murren wegen fehlender Wertschätzung das Weite suchte. So fand er in Kovac einen Trainer, der ihn schon einmal gerne verpflichtet hätte, vor drei Jahren, in seiner Zeit beim FC Bayern. Aber als Lewandowski-Backup wollte Volland damals nicht fungieren. "Es war nicht die richtige Zeit für diesen Schritt", erinnert sich der zehnmalige Nationalspieler.