Süddeutsche Zeitung

Sprinter Kevin Kranz:Die Nummer zwei der Welt

Kevin Kranz stellt bei den deutschen Hallenmeisterschaften den nationalen 60-Meter-Rekord ein. Der 22-Jährige könnte nach seinen 6,52 Sekunden für eine neue Genration von deutschen Sprintern stehen.

Von Joachim Mölter

Wenigstens hat der deutsche Sprintrekordler Julian Reus nicht live dabei sein müssen, als er quasi aufs Altenteil abgeschoben wurde. Der 32-Jährige hatte wegen Formschwäche auf einen Start bei den deutschen Hallenmeisterschaften der Leichtathleten in Dortmund verzichtet. Annett Stein, die Chefbundestrainerin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), hatte trotzdem "ein sehr interessantes Rennen" über 60 Meter der Männer erwartet und den "Start der nächsten Generation" erhofft. Sie wurde nicht enttäuscht.

Im Finale am Samstagabend erzielten sechs der acht Teilnehmer persönliche Bestzeiten, vorneweg Kevin Kranz, 22, der in 6,52 Sekunden Reus' fünf Jahre alten Hallenrekord einstellte. Dahinter blieb der gleichaltrige Julian Wagner erstmals unter der Marke von 6,60 Sekunden (6,59). Michael Pohl, mit seinen 31 Jahren ein ähnlicher Altmeister wie Reus, rettete sich in 6,60 auf Rang drei, dahinter folgten in Philipp Corucle (6,62), Marvin Schulte (6,64), Yannick Wolf (6,67), Lucas Ansah-Peprah (6,70) und Niels Torben Giese (6,73) ausschließlich Athleten zwischen 20 und 23 Jahren. Und da war Deniz Almas, der aktuelle Freiluft-Meister über 100 Meter, noch gar nicht dabei; der 23-Jährige sagte wegen muskulärer Probleme für das Finale ab.

Bis zu seiner Erkrankung im Jahr 2019 war Kranz schon auf einem guten Weg gewesen

Almas hätte aber wohl auch keine Chance gegen Kranz gehabt, schneller als der gebürtige Frankfurter war in diesem Winter weltweit ja nur der Amerikaner Trayvon Bromell (6,48). "Mit der Zeit habe ich absolut nicht gerechnet", sagte Kranz und erklärte: "Meine letzten Rennen waren nicht so gut, ich hatte ein paar Probleme mit dem Beuger und der Kniekehle." In Dortmund verbesserte er seine persönliche Bestzeit bereits im Vorlauf auf 6,55, im Endlauf erwischte er dann mit einer Reaktionszeit von 0,116 Sekunden einen nahezu perfekten Start. Nun fahre er "mit viel mehr Selbstbewusstsein" in zwei Wochen zur Hallen-EM nach Torun/Polen, sagte er. Als Favorit fühle er sich aber nicht, dafür sei ihm die Konkurrenz zu dicht auf den Fersen.

Von den jüngsten Problemen mit Beuger und Kniekehle ist Kranz längst nicht so ausgebremst worden wie vom Pfeifferschen Drüsenfieber, das ihn im Sommer 2019 ereilte und dessen Folgen ihn auch noch im Corona-Jahr 2020 weitgehend lahmlegten. Erst seit August trainiert er wieder richtig, Anfang Dezember ließ er bei einem kleinen Wettkampf in Frankfurt mit 6,59 Sekunden bereits wieder aufhorchen.

Bis zu seiner Krankheit war der für das Sprintteam Wetzlar startende Kranz schon auf einem guten Weg zur Wachablösung im deutschen Sprint gewesen. 2018 gewann er seinen ersten Titel über 100 Meter, im darauffolgenden Winter dann auch den ersten über 60 Meter in der Halle. Seine 100-Meter-Bestzeit hatte er auf 10,24 Sekunden gedrückt. "In der Freiluftsaison soll es über 100 Meter jetzt auch deutlich schneller werden", sagte Kranz am Samstag: "Es muss schon 10,15 Sekunden werden oder sogar noch schneller."

Damit ist Reus' deutscher 100-Meter-Rekord aus der Olympia-Saison 2016 noch nicht unmittelbar in Gefahr, er steht bei 10,01 Sekunden. Aber wenn man der Bundestrainerin Annett Stein glauben darf, dann ist die nächste Generation deutscher Sprinter ja auch gerade erst gestartet.

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