Kevin Großkreutz in der 3. Liga:Dornröschen gibt Gas

Fussball Testspiel/ KFC Uerdingen - FSV Mainz 05 1:2

Zur Karriere-Reha in die dritte Liga: Zugang Kevin Großkreutz im gelben Dress des KFC Uerdingen.

(Foto: Sven Simon)
  • Kevin Großkreutz hat in den letzten Jahren eine kleine Odyssee durch den Fußball hinter sich - von Dortmund über Istanbul und Darmstadt ist er seit dieser Saison beim KFC Uerdingen gelandet.
  • Der Weltmeister von 2014 will mit diesem sportlichen Rückschritt in die dritte Liga einen emotionalen Fortschritt machen.
  • Uerdingen ist dafür vielleicht nicht der schlechteste Platz - die Krefelder haben eine große Vergangenheit und einen ambitionierten Plan.

Von Ulrich Hartmann, Krefeld

Kevin Großkreutz hat die deutschen Spiele bei der Weltmeisterschaft vor dem Fernseher verfolgt. Er hat daheim im Wohnzimmer gesessen, mit Frau und Kind, ganz piano also, wie man sagt. Ein paar Meter neben dem Sofa steht eine Vitrine, in der er die Erinnerungen und Sammelstücke aus seiner bewegten Fußballkarriere aufbewahrt. Eines der wertvollsten Stücke ist die Goldmedaille von der WM 2014 in Brasilien.

Großkreutz hat damals zwar keinen einzigen Einsatz bekommen, hat keine Minute gespielt, aber er hatte auf der Bank einen Sitzplatz ganz nahe am Feld, nahe an allem Aufregenden, und die Feier mit den Fans nach der Rückkehr in Berlin gehört zu seinen emotionalsten Momenten. Der Zuschauerplatz auf dem Sofa diesmal, weit weg vom Geschehen, ließ sich mit der enttäuschenden Leistung der deutschen Mannschaft ganz gut aushalten. Großkreutz ist sowieso kein pathetischer Typ. Über die deutsche Nationalmannschaft in Russland sagt er: "So ist das im Fußball - man ist nicht immer nur erfolgreich."

Großkreutz will den Fußballdino wiederbeleben

Das ist eine Erkenntnis, die, so banal sie auch klingen mag, wichtig zu akzeptieren ist, besonders für Großkreutz, für den es seit der WM 2014 und seit seinem Abschied von Borussia Dortmund ein Jahr später nicht gerade vorwärts gegangen ist. "Es war eine schöne Zeit, ich habe viele gute Leute kennengelernt", sagt er zwar über die vergangenen drei Jahre, aber wenn man als Fußballprofi viele neue Leute kennenlernt, weil man oft den Verein wechselt, dann ist das für die Karriere kein gutes Zeichen.

2015 ist er aus Dortmund zu Galatasaray Istanbul gewechselt, 2016 aus Istanbul zum VfB Stuttgart, 2017 aus Stuttgart zu Darmstadt 98 und 2018 aus Darmstadt zum KFC Uerdingen nach Krefeld. Großkreutz spielt ab sofort in der dritten Liga, aber dieser sportliche Rückschritt soll ein emotionaler Fortschritt werden. Er hat für drei Jahre unterschrieben und soll die Mannschaft in nächster Zeit als Anführer in die zweite Liga treiben.

Auch das Grotenburg-Stadion hat seine besseren Zeiten hinter sich. Vor 32 Jahren hat in dieser Arena eines der aufregendsten Fußballspiele überhaupt stattgefunden. Uerdingen gewann trotz 0:2-Hinspiel-Niederlage und 1:3-Pausenrückstand gegen Dynamo Dresden noch 7:3 und zog ins Europapokal-Halbfinale ein. Man spricht heute ehrfurchtsvoll vom "Wunder von der Grotenburg". Ab jenem 19. März 1986 sollte es noch mehr als zwei Jahre dauern, ehe Großkreutz in Dortmund geboren wurde. Vergangenen Donnerstag feierte er seinen 30. Geburtstag.

Einen Tag später sitzt er zum Interview im Erdgeschoss des Grotenburg-Stadions in einer Art Bar neben einer Theke, an der die Helden des Krefelder Fußballs einst ihre Erfolge feierten. Hinter der Theke hängen Porträts aller Uerdinger Legenden, und Großkreutz weiß inzwischen, dass es fortan auch an ihm liegt, den Fußball-Dino Uerdingen wiederzubeleben und die Fußballstadt aus einem Tiefschlaf zu erlösen wie es im Märchen ein tapferer Ritter mit Dornröschen tut. Vielleicht hängt eines Tages dann auch sein Bild hinter dieser Theke.

Mit Power, Kraft und Leidenschaft

Großkreutz ist jetzt einer der wichtigsten Männer für den russischen Unternehmer Mikhail Ponomarev, der für Uerdingen Sponsor, Mäzen und Manager ist, alles in einem. Ponomarev sitzt fast täglich mit in der Geschäftsstelle und nimmt an den Sondierungsgesprächen mit Fußballern teil. So hat er es mit dem ehemaligen Bundesligaspieler Maximilian Beister gemacht, mit dem ehemaligen 1860-Stürmer Stephan Aigner und auch mit Großkreutz.

"Er hat was vor", sagt Großkreutz über Ponomarev. In diesen vier Wörtern steckt viel Bewunderung. Großkreutz versteckt seinen Respekt vor Dingen und Menschen oft hinter prägnanten Ausdrücken. "Gas geben!", sagt er in der alten Bar mehrere Male über das Projekt in Uerdingen und über den Herbst seiner Karriere. Dazu passt auch der Name seines eigenen Restaurants in Dortmund, es heißt: 'Mit Schmackes'. Schmackes ist Westfälisch für Power, Kraft, Leidenschaft.

Das tröstliche Kapitel einer wechselhaften Karriere?

Sobald das Gespräch auf Dortmund kommt, leuchten Großkreutz' Augen. "Meine schönsten Momente hatte ich mit dem BVB", sagt er. Binnen sechs Jahren hat er für Dortmund 29 Mal in der Champions League und 186 Mal in der Bundesliga gespielt, er wurde unter Trainer Jürgen Klopp zwei Mal deutscher Meister und ein Mal Pokalsieger. Fragt man ihn nach seinen größten Spielen, dann zählt er auf: "Das Champions-League-Spiel 2013 in Marseille, als ich in der 87. Minute das 2:1-Siegtor geschossen habe, das 2:0 gegen Nürnberg, wodurch wir 2011 Meister geworden sind - und alle Derbysiege gegen Schalke." Großkreutz trägt die Silhouette Dortmunds als Tattoo auf seiner rechten Wade. Er ist immer noch Schwarz-Gelber.

Dass viele Medien momentan mit Häme beschreiben, wie der Weltmeister in die dritte Liga abgestürzt ist, versucht Großkreutz zu ignorieren. "Diese Geschichten stören mich nicht", behauptet er, "ich habe viel erreicht." Sollte er in Dornröschenkrefeld nun tatsächlich die Rolle des tapferen Ritters übernehmen, dann bräuchte er keine hämischen Geschichten mehr zu ignorieren. Dann könnte er ein finales und durchaus tröstliches Kapitel seiner wechselhaften Karriere schreiben.

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