Kerber-Aus bei den US Open:Zu viele negative Momente

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Angelique Kerber kämpft gegen Jennifer Brady - am Ende reicht es nicht. (Foto: Danielle Parhizkaran/USA TODAY Sports)

Angelique Kerber scheidet im Achtelfinale der US Open aus. Sie verliert gegen eine außerordentlich gut spielende Gegnerin, die ihr keinen Raum für Fehler lässt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt in fast jeder Partie von Angelique Kerber ein paar Momente, in denen sich ablesen lässt, wie sie ausgehen wird. Die passieren nicht während der Ballwechsel, sondern jeweils kurz danach. Wenn Kerber nach einem Doppelfehler den Schläger langsam zu Boden sinken lässt, wenn sie nach einem leichten Fehler mit hängenden Schultern zu ihrem Stuhl schleicht oder wenn sie knappe Entscheidungen resigniert hinnimmt, dann ist klar: Sie ist zwar auf dem Platz, aber sie ist nicht in dieser Partie. So war das auch am Sonntagmorgen. Sie verlor ihr Achtelfinale 1:6, 4:6 gegen Jennifer Brady (USA).

Gleich danach musste Alexander Zverev im Louis Armstrong Stadium antreten, und auch bei ihm gibt es ja Zverev-Momente: die bekannten (zahlreiche Asse, gewaltige Vorhand), aber auch neue wie überraschende Stopps und Vorrücken ans Netz. Das lockere 6:2, 6:2, 6:1 gegen Alejandro Davidovich Fokina (Spanien) war mehr Einspielen fürs Viertelfinale am Dienstag.

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Brady, die zuletzt Catherine Bellis (USA) und Caroline Garcia (Frankreich) jeweils regelrecht vom Platz geprügelt hatte, spielte außerordentlich gut an diesem Sonntagvormittag. Sie dominierte die Ballwechsel mit ihrer wuchtigen Vorhand, vor allem aber verhinderte sie die anderen Kerber-Momente, die es gewöhnlich gibt: Kerber ist die beste Konterspielerin der Welt und sie verteilt diese Schläge in erstaunlichen Winkeln auf dem Spielfeld. Gewöhnlich ist der Ballwechsel damit erledigt, doch Brady hatte sowohl Nase als auch Beine, diese Bälle zu erahnen, zu erreichen und mit einem Gegenkonter zu reagieren. Ihr Trainer Michael Geserer, davor lange verantwortlich für Julia Görges, hatte seine Spielerin herausragend vorbereitet.

Ein Beispiel dafür war ein Ballwechsel im zweiten Satz, der letztlich ein Break für Kerber und damit ein Comeback verhinderte. Die Deutsche hetzte ihre Gegnerin von Ecke zu Ecke über den Platz, doch sie spielte es nicht konsequent zu Ende. Brady erlief jeden Schlag, der nicht punktgenau auf der Linie landete, spielte alle Angriffe geduldig und präzise zurück. Es genügte ein vorsichtiger Schlag von Kerber in die Mitte des Feldes, um Brady zurückzulassen in den Punkt. Die reagierte mit sofortigem Gegenangriff und ließ eine donnernde Vorhand in die Ecke folgen. Kerber war ohne Chance - und reagierte nicht wütend, sondern verzweifelt.

"Das Spiel war schon immer da, jetzt habe ich auch die Fitness und die mentale Stärke, so eine Partie zu gewinnen", sagte Brady nach dem Match über die Zusammenarbeit mit Geserer und ihre außerordentliche Form, die sie nun zum ersten Mal in ihrer Karriere ins Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers geführt hat: "Ich weiß jetzt, dass ich Bälle erlaufen kann, bei denen ich es früher nicht mal probiert hätte - und ich weiß, dass ich jederzeit kontern kann." Das kam einem vertraut vor: Sie klang ein bisschen wie Kerber in Bestform.

Kerber, 32, hatte sich kurzfristig zur Teilnahme an den US Open entschieden, und angesichts des ausgedünnten Teilnehmerfeldes (es fehlen sechs Top-Ten-Spielerinnen) galt sie nach den überzeugenden Leistungen in den ersten Runden als Mitfavoritin. Sie hatte auch nicht schlecht gespielt in diesem Achtelfinale, aber nicht gut genug, um eine solche Gegnerin in Topform zu besiegen. Sie mühte sich, aber es fehlten dann eben jene paar Zentimeter, die bei den prägenden Ballwechseln zwischen Gewinnschlag und Fehler entscheiden - und bei Kerber seit Jahren über Sieg und Niederlage.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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