Angelique Kerber:"Fehlende Wertschätzung"

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Es bleibt dabei: Angelique Kerber, 34, und Roland Garros, das ist ein nicht ganz reibungsfreies Verhältnis. In der dritten Runde stoppte sie diesmal die Belarussin Alexandra Sasnowitsch. (Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Angelique Kerber verliert in der dritten Runde gegen die Belarussin Alexandra Sasnowitsch. Nach ihrer Niederlage blickt die dreimalige Grand-Slam-Siegerin auf die Rasen-Saison - und überrascht mit Kritik am Berliner WTA-Turnier.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Frage ist, wer die Person war, die am Freitagmittag den Court Simonne Mathieu betrat. Angelique Kerber war es nach Lage der Dinge nicht. Die Person, die angeblich so hieß, führte zwar früh mit einem Break, 1:0 hieß es für sie nach dem ersten Aufschlagspiel von Alexandra Sasnowitsch. Und die Spielstände blieben auch eine Weile eng. Doch die leidenschaftliche, sich selbst anfeuernde Kerber, die die Tenniswelt kannte, war nicht zu sehen.

Lethargisch sah sie vielen harten Grundlinienschlägen der Gegnerin nur nach, sie wirkte wie bedröppelt, als ginge sie dieses Drittrundenmatch nichts an. Auch aus ihrer Box, in der ihr Manager, ihr Trainer, ihr Physio und ihr Lebenspartner saßen, kamen wenig erbauliche Gesten. Vor Beginn des zweiten Satzes ging diese Kerber kurz mal austreten, und die, die man kannte, kehrte zurück. Kurz darauf hörte man ein "Komm jetzt!" auf dem Platz, auch eine Faust war zu sehen, zumindest ab und an. Es lief besser. Nur kamen diese Reaktionen in Summe zu spät.

Kerber (WTA-Nr. 17) verlor mit 4:6, 6:7 (5) gegen die Belarussin (47.) und verpasste damit eine Chance. Im Achtelfinale wäre sie auf Martina Trevisan getroffen, die Italienerin ist die Nummer 59 der Weltrangliste. Eine so gute Auslosung hatte Kerber in Paris lange nicht. Weiter dafür ist Alexander Zverev, 25. Der Weltranglisten-Dritte steht nach dem 7:6 (2), 6:3, 7:6 (5)-Erfolg gegen den Amerikaner Brandon Nakashima, 20, zum fünften Mal hintereinander im Achtelfinale von Roland Garros. Zverev muss nun gegen den spanischen Qualifikanten Bernabe Zapata Miralles antreten, der überraschend den Amerikaner John Isner ausschaltete.

Zum Verhängnis wurde Kerber, dass sie viel zu inkonstant agierte, spielerisch und auch emotional. Dabei hatte sie sich durch den Turniersieg vergangenen Sonntag in Straßburg beflügelt gefühlt. Schon vor der Partie hatte die 34-Jährige versichert, dass sie ganz entspannt sei, was ihr Abschneiden in Roland Garros betreffe. Sand ist bekanntlich nicht ihr bevorzugter Untergrund, ihre drei Grand-Slam-Titel errang sie ja zweimal auf Hartplatz (Australian Open und US Open) sowie auf Rasen (Wimbledon). Als Kerber sich aus dem drittgrößten Stadion entfernte, lachte sie kurz. Dieses Aus ist nicht so schlimm. "Ich hatte jetzt so viel Matches, es war klar, dass ich nicht mehr bei 100 Prozent bin", sagte sie. Zu gerne aber, das hatte sie auch gesagt, wäre sie natürlich schon noch ein bisschen näher an ihren "Traum" herangerückt, nämlich alle vier Grand Slams einmal zu gewinnen. Nur der Coupe Suzanne Lenglen, der nach der früheren sechsmaligen Siegerin benannte Pokal, die in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts so anmutig spielte, fehlt ihr noch.

Kerber sagt: "Andere Gespräche würde ich mir auf jeden Fall wünschen"

Es bleibt bei dieser winzigen Lücke, um die sie wahrscheinlich die übrigen 99 Prozent aus den Top 100 beneiden. "Ich habe trotzdem eine solide Sandplatzsaison hinter mir und bin jetzt froh, dass es jetzt wieder auf Rasen geht", sagte Kerber, die in Bad Homburg vergangenes Jahr gewann und in Wimbledon das Halbfinale erreicht hatte. Offen war zuletzt, ob sie auch in Berlin beim WTA-Turnier antreten werde, dort hielt man ihr eine Wildcard bereit. Kerbers Antwort überraschte. "Ich spiele immer gerne in Deutschland Turniere, ich glaube, das weiß auch jeder", sagte sie in der Pressekonferenz und betonte: "Ich werde dieses Jahr dort nicht spielen, weil manchmal die Wertschätzung fehlt hier und da, muss ich sagen. Ich freu mich auf Bad Homburg, und ich mache meine volle Vorbereitung in Bad Homburg." Auf Nachfrage wollte sie nicht näher präzisieren, was sie genau damit meinte, nur das sagte sie noch: "Andere Gespräche würde ich mir auf jeden Fall wünschen."

Barbara Rittner, die nicht nur als Bundestrainerin beim Deutschen Tennis-Bund arbeitet, sondern auch die Turnierdirektorin beim Turnier in Berlin ist, reagierte mit Erstaunen auf Kerbers Darstellung. "Ich bin total überrascht von diesen Sätze und kann nur versichern: Es gibt überhaupt keine fehlende Wertschätzung, ganz im Gegenteil", sagte sie der SZ. "Wir haben von Anfang an ein faires Angebot gemacht und ihrem Management immer wieder signalisiert, wie wichtig sie uns wäre und wir sie unbedingt im Turnier haben wollen." Rittner will nun bald mit Kerber telefonieren. "Ich werde versuchen, Angie dazu auch noch mal anzurufen", sagte sie und betonte: "Wir werden nach wie vor bis zum Schluss eine Wildcard für sie freihalten, in der Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch spielt." Zeit, um dieses Thema ausführlich zu bereden, hat zumindest Kerber ja nun nach dem Aus am Freitag.

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