Australian Open:Kerber brüllt Kerber an

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Mit Mühe weiter: Angelique Kerber (Foto: David Gray/AFP)
  • Angelique Kerber ist die einzige Australian-Open-Siegerin, die noch im Turnier ist.
  • Gegen Camila Giorgi hat die 32-Jährige allerdings Probleme - im Achtelfinale muss sie sich steigern.
  • Zu den Ergebnissen der Australian Open geht es hier.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Im Frühjahr spätestens ist es vorbei mit der Stille auf den Tenniscourts. Dann wird in einem ersten Feldversuch bei den Profispielerinnen das so genannte offene Coaching erprobt. Dies geht über die bisher schon erlaubte, streng überwachte kurze Besuchszeit eines Trainers am Spielerbänkchen hinaus. Womöglich hat man sich das vorzustellen wie beim Fußball, wo Übungsleiter wie die Rumpelstilzchen durch die Coaching-Zone springen. Angelique Kerber ist kein großer Freund der Idee. Sie möchte "nicht non-stop gecoacht" werden. Sie konzentriert sich lieber auf sich. Und anschreien kann sie sich auch selbst.

Eine Hörprobe gab es am Samstagmittag in der Melbourner Margaret-Court-Arena, als sie sich im zweiten Satz bei 5:6-Rückstand so laut anfeuerte, dass es auch auf den oberen Reihen zu verstehen war: "Komm jetzt!" Im dritten Satz kamen als pädagogische Maßnahme das motivationsverstärkende Brüllen (grummelnd, unverständlich) und die klare Spontankorrektur ("Nein!!") dazu. Geholfen hat dieses Ego-Coaching dann mittelbar: Kerber, 32, die Australian-Open-Siegerin von 2016, gewann das Drittrundenspiel gegen die 28-jährige Italienerin Camila Giorgi 6:2, 6:7, 6:3 mit dem Erfolg, dass sie nun erneut im Achtelfinale des Grand-Slam-Turniers steht, in dem sie am Montag auf die Russin Anastasia Pawljutschenkowa treffen wird. Von den fünf ehemaligen Melbourne-Champions der Frauen, die am Montag die Arbeit aufgenommen hatten, Naomi Osaka (Siegerin 2019), Caroline Wozniacki (2018), Maria Scharapowa (2008) und Serena Williams (2003, 05, 07, 09-10, 15, 17), ist sie damit als Einzige kommende Woche noch im Geschäft.

Am Montag ist eine Steigerung nötig

Das Duell ordnete sie später ein in die Match-Kategorie "harter Kampf", als eine jener zähen Begegnungen, deren Ausgang von nur zwei oder drei Punkten abhängen. Im dritten Satz semmelte Camila Giorgi eine einfache Vorhand knapp hinter die Linie, was Kerber das Aufschlag-Break zum 3:1 bescherte. Es war einer der seltenen Momente, in denen ihr neuer hauptberuflicher Trainer, Dieter Kindlmann, der unweit der Verbands-Frauenchefin Barbara Rittner still auf seinem Tribünenplatz gesessen hatte, tatsächlich aufsprang, um ihr - wortlos - zu applaudieren. Giorgi, derzeit jenseits der hundert Besten der Weltrangliste notiert, unterliefen in zwei Stunden Spieldauer tatsächlich 65 unnötige Fehlern (Kerber: 16). Aber sie waren sich in der Vergangenheit schon oft genug an einer Netzkante begegnet. Und trotz der erheblichen Streuung landete der Ball im entscheidenden Moment dann doch meist im Feld.

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Dass am Montag eine Steigerung nötig ist, hat Kerber noch auf dem Platz eingesehen. Denn Anastasija Pawljutschenkowa, 28, die nächste Gegnerin, ist ebenfalls eine alte Bekannte. Sie beförderte am Samstag überraschend die tschechische Mitfavoritin Karolina Pliskova 7:6, 7:6 aus dem Turnier. Die Bilanz von Kerber gegen Pawljutschenkowa, die in ihrer Karriere 17 Pokale im Einzel und Doppel gesammelt hat, lautet 7:7, und an die letzte Zusammenkunft im September in Osaka/Japan hat die Wimbledonsiegerin von 2018 nicht die erhebendsten Erinnerungen: Sie verlor glatt in zwei Sätzen, 3:6, 3:6. "Da werde ich mir überlegen müssen", sagte sie nun, "wie ich das hinbekomme."

Denn in ihrem Team ist sie immer noch der Boss. Auch wenn sie nach der Trennung von Rainer Schüttler im Sommer nun in Dieter Kindlmann einen sehr erfahrenen, ausgeglichenen Berater an ihrer Seite hat, der eine Weile im Trainerteam von Pawljutschenkowa war. Kindlmanns Expertise speziell im Frauentennis habe sie in den wenigen Wochen der Zusammenarbeit zu schätzen gelernt, sagte sie: "Das war mir wichtig." Die Verbindung muss noch reifen, zumal Kerber sich in den Vorbereitungen auf die Australian Open zur Unzeit durch eine Oberschenkelverletzung zurückgeworfen sah. Nach dem Zweistundenmatch am Samstag nahm sie ein Eisbad. Der Muskel, noch nicht ganz ausgeheilt, bedarf weitere Pflege, am Sonntag wird nur einmal trainiert.

"Ich hatte keine großen Erwartungen, als ich herkam. Die habe ich immer noch nicht", erklärte die dreimalige Grand-Slam-Siegerin, als die zweite Turnierwoche für sie begann. Sie wird hoffen, dass die Trainerin Kerber die Spielerin Kerber beim offenen Coaching im Achtelfinale nicht allzu oft anbrüllen muss.

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