Fritz Keller als DFB-Präsident:Genussmensch vom Kaiserstuhl

Fritz Keller

Fritz Keller, Chef des SC Freiburg und Winzer - und bald wohl DFB-Präsident.

(Foto: dpa)
  • Der Freiburger Klubchef Fritz Keller wird am Freitag neuer DFB-Präsident.
  • Der vielfach ausgezeichnete Winzer könnte in vielerlei Hinsicht eine gute Besetzung sein.
  • Spannend zu beobachten wäre, ob es Keller gelingen würde, den reicheren Profiklubs im Kampf um die Verteilung der Fernsehgelder mehr Zugeständnisse abzuringen, als das bei seinen Vorgängern der Fall war.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Ganz so einfach ist es derzeit ja nicht, gleichermaßen Joachim Löw und Uli Hoeneß zu überzeugen. Aber bei Fritz Keller sieht es gut aus mit der Akzeptanz. Wenn der Präsident des SC Freiburg am Freitag in Frankfurt zum neuen DFB-Boss gekürt wird, ist ihm nicht nur die Zuneigung des Bundestrainers und des Bayern-Chefs, sondern die aus dem ganzen Fußball-Land gewiss. Die Sehnsucht nach einer starken und doch moderaten Persönlichkeit ist beim Deutschen Fußball-Bund nach dem Scheitern von Reinhard Grindel als viertem Präsidenten seit der Jahrtausendwende riesig. Der 62 Jahre alte Keller scheint die Kriterien dafür zu erfüllen.

Das Prozedere sieht vor, dass er zum Wochenausklang zum Nachfolger Grindels ausgerufen wird. Tatsächlich hatte in Freiburg schon vor einigen Monaten das Gerücht die Runde gemacht, dass Keller mit einem Amt in der DFB-Zentrale liebäugele, Gewissheit gab es dann im August. Ernstgenommen hatte die Gerüchte zunächst nicht jeder. Zu sehr schien der gebürtige Freiburger mit seinem Verein verbunden zu sein, in dessen Vorstand er erstmals 1994 gewählt wurde.

Allerdings ist Keller, 62, seit der vergangenen Mitgliederversammlung des SC quasi nur noch Repräsentant des Vereins. Dem bis dahin dreiköpfigen Vorstand gehört er seither nicht mehr an, sein Titel "Präsident" ist eher eine leere Hülle. Das Freiburger Machtzentrum bilden seitdem die beiden Vorstände Oliver Leki und Jochen Saier.

Eigentlich ist Keller badisch konfliktscheu - er kann aber auch aufbrausend sein

Fritz Keller ist im Südbadischen bestens vernetzt. Er kennt Hunderte Vereinsmitglieder persönlich und hat einige der gegenwärtig 230 zumeist mittelständischen Sponsoren des SC selbst angeworben. Als informeller Außenminister hat er den Verein stets bestens vertreten. Doch der grundsätzlich harmoniebedürftige Keller kann auch sehr aufbrausend sein. Wenn ihm ein Schiedsrichterpfiff gegen den Strich geht, bekommen die Journalisten häufig Kellers Hang zum Cholerischen mit. Und nicht selten hört man danach Funktionäre oder Spieler des Vereins, die genervt die Augen verdrehen und von einer "suboptimalen Außendarstellung" sprechen.

Wer Keller auf solche Ausbrüche anspricht, erntet keine beleidigte Reaktion, er kann sich da gut selbst einschätzen: "Ich weiß, dass ich manchmal nach dem Spiel zu emotional bin und dann Dinge sage, die mir kurz darauf leidtun", gibt er zu, aber man könne ihm glauben, dass er in dieser Hinsicht an sich arbeite. Tatsächlich ist Keller oft schon eine Viertelstunde nach Abpfiff wieder ein ganz anderer Mensch.

Die meisten Granden des deutschen Fußballs kennen ihn als freundlichen, gewitzten Menschen. Sein Patenonkel ist der 54er-Weltmeister Fritz Walter, in Kellers Hotel mit Sternerestaurant in Oberbergen am Kaiserstuhl hängt auch ein Originaltrikot von Helmut Rahn, dem Finalsiegtorschützen der "Helden von Bern". Dass es beim SC Freiburg Usus ist, die Präsidien des jeweiligen Gegners am Tag vor einem Spiel in eines der vielen guten Restaurants im südbadischen Umland einzuladen, hat Kellers Beliebtheit in der Branche auch nicht geschmälert. Zumal der vielfach ausgezeichnete Topwinzer, dessen Sohn Friedrich seit einigen Jahren eine eigene Stilistik von "Keller-Weinen" prägt, ein geselliger Mensch ist und viele Anekdoten über das Leben im Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich parat hat. "So ein gemeinsam verlebter Abend hat schon sehr viele Konflikte bereinigt - im Vorfeld oder im Nachgang", weiß Keller.

Der Genussmensch Fritz Keller kann ohne Mühe einen Zusammenhang zwischen durchkalkuliertem Profifußball und protestantischer Verzichts-Ethik herstellen. Als Bundestrainer Joachim Löw nach dem WM-Aus 2018 in die Kritik rutschte und dabei auch dessen Liebe zu gutem Essen thematisiert wurde, schlug der Katholik Keller die Hände überm Kopf zusammen: "Espresso als Symbol für Larifari, auf so etwas kann nur ein Protestant kommen", klagte er. Prediger der Askese stoßen bei ihm auf taube Ohren: "Vor allem nördlich des Mains", sagt er, "wehren sich viele Menschen überraschend hartnäckig dagegen, dass Genuss etwas Wunderbares ist."

Auch der Fanszene hat Keller sich angenähert

Beim Thema Fußball schwärmt Keller von Pässen des jungen Franz Beckenbauer - und von den schön herausgespielten Toren der Freiburger "Breisgau-Brasilianer" in den Neunzigern. Sein Schwärmen klingt dann, als sei das alles erst vor ein paar Minuten passiert. Die hysterischen Ausschläge der Branche sind ihm suspekt, er ist zutiefst davon überzeugt, dass nur Ruhe und Kontinuität Erfolge garantieren. In Freiburg musste Christian Streich, der seit achteinhalb Jahren im Traineramt ist, noch nie um den Job fürchten - bei Gegenwind hätte er in Keller einen mächtigen Fürsprecher. Denn wenn Keller von einer Sache überzeugt ist, kann er auf Konfrontation gehen. 2007 war er intern ein maßgeblicher Befürworter der Trennung von Dauertrainer Volker Finke (nach 16 Jahren), die den Verein und seine Fans damals kurzzeitig in zwei Lager spaltete.

Für den DFB könnte Fritz Keller in vielerlei Hinsicht eine gute Besetzung sein. Obwohl er als Vertreter der Bundesliga gilt, ist ihm das Lager der Amateure emotional näher als die investorengetriebenen Klubs der Champions League. Für die 50+1-Regel, die den Einfluss externer Geldgeber begrenzen soll, hat er sich zuletzt auch öffentlich massiv eingesetzt. Auch der Fanszene hat er sich angenähert. Spätestens seit sich die Freiburger Ultras für den Bau des neuen Stadions engagiert haben, spricht Keller differenzierter und gnädiger über jene "zum Teil sehr intelligenten jungen Menschen", mit denen er vorher mehr als fremdelte. Ein überzeugter Gegner von Pyrotechnik ist Keller aber geblieben.

Inhaltlich dürfte es keinen allzu großen Dissens zwischen ihm und dem mächtigen DFB-Vize Rainer Koch geben. Spannend zu beobachten wäre, ob es Keller gelänge, den reicheren Profiklubs im Kampf um die Verteilung der Fernsehgelder mehr Zugeständnisse abzuringen, als das bei seinen Vorgängern der Fall war. In Sachen sozialer Kompetenz hätte Keller gegenüber Vorgänger Reinhard Grindel auf jeden Fall einen riesigen Vorsprung. Während Grindel nie die Aura eines mit der Welt des Fußballs fremdelnden Technokraten los wurde, kann Keller mit Uli Hoeneß genauso auf Augenhöhe sprechen wie mit dem Trainer eines Kreisligisten vom Land.

Auch Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung dürften bei ihm in besseren Händen sein. Keller ist in vielerlei Hinsicht erzkonservativ und wittert schon bei braven DGB-Gewerkschaften klassenkämpferische Umtriebe. Doch er ist ohne Zweifel auch ein überzeugter Europäer, den die jüngsten Erfolge der AfD schockieren. Eine wohlfeile politische Attitüde ist seine Ablehnung von nationalistischer Engstirnigkeit nicht: Kellers Vater Franz wurde nach dem Krieg im heimischen Oberbergen als "Franzosenschwein" geschnitten. Nach Reisen ins Burgund und nach Bordeaux hatte er beschlossen, seine Weine künftig trocken auszubauen.

Anmerkung der Redaktion: Dieses Porträt des designierten DFB-Präsidenten Keller erschien in ähnlicher Form bereits am 15. August in der Süddeutschen Zeitung.

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