1860:Keine Lust mehr auf Verdrussscheine

Lesezeit: 2 min

Präsident Reisinger tritt aus dem Aufsichtsrat ab - und spricht per 50+1 eine klare Weisung des e.V. an die Geschäftsführung aus: Investor Ismaik darf sich nur noch als Sponsor engagieren.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Dienstag verschickte der Fußball-Drittligist TSV 1860 München eine knappe Pressemitteilung. Unter dem Titel "DFB bestätigt Löwen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" war zu lesen, dass der Deutsche Fußball-Bund den Löwen im Rahmen der so genannten Zwischenlizenzierung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestätigt hatte. Das war einerseits erfreulich - und andererseits bemerkenswert, da diese Pressemitteilung schon mindestens vier Wochen früher hätte erscheinen sollen (oder eben, wie bei Klubs üblich, an deren Fähigkeiten nicht zu zweifeln ist: gar nicht).

Der offizielle Termin für die Abgabe der nötigen Unterlagen war nämlich am 31. Oktober und mithin längst verstrichen, ehe Investor Hasan Ismaik vor rund einer Woche die zugesagte und benötigte Summe von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro, gegen die er Genussscheine erhält, nach Giesing überwies. Der DFB hatte sich allerdings geduldig gezeigt, zu einer Geldstrafe oder einem Punktabzug kam es nicht. 1860-Sportchef Günther Gorenzel, dessen Mehrgehalt nach Beförderung zum Geschäftsführer Sport künftig von Ismaik übernommen wird, bilanzierte unlängst gar bei Telekom Sport, es gebe aus seiner Sicht "eine klare Verlässlichkeit" der Investorenseite: "Bisher wurde jede Zahlung geleistet."

Präsident Robert Reisinger definiert Verlässlichkeit offenbar anders. Er trat jedenfalls am Dienstagnachmittag von seinem Posten im Aufsichtsrat der Profifußball-KGaA zurück. "Die Umstände, der zeitliche Verlauf und die Pressemitteilung um die Auszahlung der versprochenen finanziellen Mittel zur Stärkung des Etats" hätten ihn dazu bewogen, schrieb Reisinger. Seinen Platz als e.V.-Vertreter im Aufsichtsrat wird der Verwaltungsrats-Vorsitzende Sebastian Seeböck übernehmen, der Ismaik gegenüber wie sein ganzes Gremium äußerst kritisch eingestellt ist.

"Zunächst bin ich erleichtert, dass die Zahlung der von HAM International Limited lange versprochenen Gelder in einer ersten Tranche doch noch erfolgt ist, ehe (...) schwerwiegende Konsequenzen erwachsen wären. Für diese Maßnahme danke ich der Familie Ismaik ausdrücklich", erklärte Reisinger. "Niemand hat unseren Mitgesellschafter jedoch gezwungen, ein ,zusätzliches Budget' für die Saison auszurufen. Er hat dies freiwillig getan, um selbst wieder Teil der Erfolgsgeschichte des TSV 1860 München sein zu können. Das konnte ich im vergangenen Sommer gut nachvollziehen." Nicht nachvollziehen könne er hingegen "die Form der Umsetzung dieser Maßnahme und das erneute Zögern bis auf den letzten Drücker".

Reisinger ließ auch keinen Zweifel daran, welchen Kurs der e.V. künftig fahren wird: Nachdem er bereits vor Langem erklärt hatte, keine Darlehen von Ismaik an die KGaA mehr zuzulassen, soll sich auch das Modell Genussscheine nicht mehr wiederholen. Es sei Geschäftsführer Michael Scharold "nicht mehr zumutbar, einen wirtschaftlichen Balanceakt mit persönlichem Risiko zu vollführen, weil ein Gesellschafter hoch pokert", erklärte Reisinger. "Wir haben deshalb in unserer Eigenschaft als alleiniger Gesellschafter der Geschäftsführungs-GmbH und unter Verweis auf die 50+1-Regelung der Geschäftsleitung (...) die Weisung erteilt, Planungen für den Profifußball nur noch mit nachgewiesenen und tatsächlich eingegangenen Mitteln zu führen. Genussscheine, Darlehen und vergleichbare Finanzierungsformen können auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens künftig nicht mehr akzeptiert werden." Oft haben sich Ismaiks Genussscheine für die Löwen als Verdrussscheine erwiesen - bis spätestens 31. Dezember müssen erneut Darlehen in Höhe von 3,8 Millionen Euro in Genussscheine umgewandelt werden, und die Verantwortlichen befürchten, auch diesmal lange auf den Vollzug warten zu müssen.

Seeböck dürfte aus vollster Überzeugung hinter der neuen, noch konsequenteren Linie des e.V. stehen - sonst würde der Reisinger-Seeböck-Tausch ja auch keinen Sinn ergeben. Und zahlenmäßig nennenswerter Widerstand aus den Reihen der Mitglieder, wenn Reisinger 2019 auf einer Versammlung als Präsident wiedergewählt werden soll, ist allen Erfahrungen nach auch nicht zu erwarten.

Ismaik könne die Löwen selbstredend auch künftig unterstützen, betonte Reisinger: "Wir freuen uns über jede Art des Sponsorings." Ob sich Ismaik über dieses Angebot freut, ist allerdings anzuzweifeln. Will er kein Sponsor sein, wird das Budget für die Drittliga-Mannschaft deutlich sinken; über eine Abmeldung der U21 aus Kostengründen wird ohnehin schon lange nachgedacht. Gorenzel und Scharold brauchen jedenfalls erst einmal keine neuen Spieler suchen, sondern Einsparpotenziale.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: