Basketballer Kawhi Leonard:Eiswasser im Chaos

Toronto Raptors - Milwaukee Bucks

Kawhi Leonard "regiert" nachdem seine Mannschaft gewonnen hat. So reagiert er meistens, wenn er gut Basketball spielt.

(Foto: Nathan Denette/dpa)
  • Basketballer Kawhi Leonard zeigt in den NBA-Playoffs starke Leistungen - in Spiel drei der Serie gegen Milwaukee gewihnnen seine Raptors nach zwei Verlängerungen.
  • Leonards besondere Fähigkeit besteht darin, selbst im größten Getöse cool zu bleiben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hilft natürlich, wenn einem die Natur einen Humor geschenkt hat, der so trocken ist wie zehn Salzstangen. 103:125 hatten die Toronto Raptors am vergangenen Freitag bei den Milwaukee Bucks verloren. Sie lagen in der Best-of-seven-Serie nach den beiden Auswärtsspielen zwar nur mit 0:2 zurück, doch hatte der Verlauf der beiden Partien eher Chancenlosigkeit, eine Blamage und ein mögliches 0:4 im Halbfinale der NBA-Playoffs angedeutet denn ein Comeback. Torontos Flügelspieler Kawhi Leonard wurde also nach dieser Partie gefragt, wohin es denn nun gehen würde mit seiner Mannschaft. Die Antwort: "Nach Toronto, zu Spiel drei."

Es ist die wohl schönste Antwort eines Promis, seit John Lennon auf die Frage eines Reporters ("Wie habt Ihr Amerika gefunden?") gesagt hat: "Wir sind bei Grönland links abgebogen."

Zur Erinnerung: Leonard hatte seine Mannschaft überhaupt erst ins Halbfinale geführt mit diesem Wahnsinns-Wurf am Ende der entscheidenden siebten Partie gegen die Philadelphia 76ers, als der Ball in nur für Physikprofessoren verständlichen Richtungen über dem Korb tanzte, vier Mal vom Ring nach oben prallte und schließlich doch ins Netz zum Sieg für die Raptors tropfte. Das Foto von Leonard und Gegenspieler Joel Embiid, wie sie die Flugkurve des Spielgerätes betrachten, sollte irgendwann als Fresko in der Ruhmeshalle dieser Sportart zu sehen sein.

Leonard liefert derzeit in beinahe jeder Partie der Playoffs den Beweis, dass im Sport nicht immer nur Lautsprecher und Brusttrommler und Grimassenschneider den Gegner beeindrucken - sondern dass es oftmals noch viel einschüchternder wirkt, wenn einer auf großartige Leistungen so reagiert, als wäre das völlig normal. Für den der Begriff "ein Zeichen setzen" nicht unbedingt ein brutales Foul oder ein krachender Dunking ist, sondern ein stibitzter Ball mit anschließendem leichten Korbleger. Von dem die Mitspieler wissen, dass es selbst im schlimmsten Chaos einen gibt, dem die Natur nicht nur trockenen Humor geschenkt, sondern auch Eiswasser in die Adern gefüllt hat. Oder, wie Leonard es sagt: "Meine Kollegen wissen, dass sie mir vertrauen können."

"Jeder hat ein paar Wehwechen"

Am Sonntagabend war es mal wieder so weit, am Ende der dritten Partie zwischen Toronto und Milwaukee wurde es chaotisch: Die beiden Stamm-Aufbauspieler der Raptors, Kyle Lowry und Norman Powell durften von Mitte des vierten Spielabschnittes wegen jeweils sechs Fouls nicht mehr mitspielen, Leonard humpelte nach einem Zusammenstoß mit einem Gegenspieler mit einer Blessur am rechten Fuß über das Spielfeld - später sollte er darüber sagen: "Ach, das sind nun mal die Playoffs, da hat jeder ein paar Wehwehchen."

Leonard führte sein dezimiertes Team zu zwei Verlängerungen; als Giannis Antetokounmpo den Bucks von Beginn des zweiten Nachsitzen an wegen seines sechsten Fouls fehlte, übernahm Leonard die Kontrolle über die Partie, und wer wissen möchte, wie er das getan hat, der sollte sich das Highlight-Video ansehen, das die NBA für ihn ganz persönlich erstellt hat.

Zu sehen sind lediglich zwei Dunkings, beide nicht sonderlich spektakulär, ansonsten: ein schönes Zuspiel auf Kollege Marc Gasol, zwei herausragende Aktionen in der Defensive, zwei Sprungwürfe aus der Mitteldistanz und ein erfolgreicher Drei-Punkte-Versuch. Als wertvollste Spieler der regulären Saison (MVP) mögen andere nominiert sein (Antetokounmpo, James Harden von den Houston Rockets und Paul George von Oklahoma City Thunder), Leonard ist jedoch der derzeit vielseitigste Akteur dieser Liga und bislang der MVP der Playoffs.

Acht seiner insgesamt 36 Punkte erzielte Leonard in der zweiten Verlängerung, die Raptors gewannen diese Partie mit 118:112 und verkürzten in der Serie auf 1:2. Natürlich hätte nun jemand fragen können, wie es mit den Raptors nach diesem so wichtigen Sieg weitergeht, aber natürlich kann es darauf nur eine Antwort geben: Dienstag, Spiel vier, in Toronto.

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