Eintracht FrankfurtDie Wachablösung im Eintracht-Tor naht

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Kauã Santos ballt die Fäuste auch gerne, wenn der Gegner am Tor vorbeischießt.
Kauã Santos ballt die Fäuste auch gerne, wenn der Gegner am Tor vorbeischießt. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Der 21-jährige Brasilianer Kauã Santos begeistert mit Sprungkraft, Reaktionen und positiver Ausstrahlung. Wenn Kevin Trapp seine Schienbeinverletzung auskuriert hat, muss Frankfurts Trainer Dino Toppmöller eine Entscheidung mit großer Tragweite treffen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es ist schon eine ganze Weile her, dass bei jedem Training der Profifußballer von Eintracht Frankfurt die Kiebitze am Seitenrand standen. Immer dieselben Gesichter, die sich im Schatten der Arena einfanden. Seit meist hinter blickdichten Planen geübt wird, ist es nicht mehr so einfach, die besondere Veranlagung einzelner Spieler zu erkennen. Doch immer wieder ist zu hören, dass Kauã Santos auch beim täglichen Üben auf allerhöchstem Niveau die Bälle abwehrt. Besondere Paraden hat der brasilianische Torwart regelmäßig in petto – und eine positive Ausstrahlung, die in diesem multikulturellen Kader ausgesprochen gut ankommt.

Wie zum Beleg hat der Bundesligist jetzt von einer Trainingseinheit vor dem Topspiel gegen den VfB Stuttgart (Samstag, 18.30 Uhr) eine Bilderserie über die sozialen Medien verbreitet, die zum Abschluss den Tormann Santos zeigt. Ball in der Hand, Blick nach vorn. „Voll Speed, hohe Intensität und ganz viel Motivation!“, heißt es dazu. Auf den Keeper mit der Nummer 40 auf der schwarzen Trainingshose trifft das gerade zu, auf den Torwart mit der Nummer eins allerdings nicht. Kevin Trapp hat auch in der Länderspielpause seine Schienbeinverletzung noch nicht vollständig auskuriert. Der Kapitän arbeitete bloß individuell im Kraftraum oder mit Torwarttrainer Jan Zimmermann. Was es Trainer Dino Toppmöller ein bisschen leichter machen dürfte, erneut auf Santos zu setzen.

Der Brasilianer nutzt seine zweite Chance in dieser Spielzeit eindrucksvoll. Nach einer tadellosen Vorstellung gegen Ajax Amsterdam (4:1) legte der 21-Jährige zuletzt beim VfL Bochum (3:1) eine Weltklasseleistung hin, und er feierte mit geballten Fäusten auch Bälle, die der Gegner am Tor vorbeischoss.

Nachdem der 2023 für einen Spottpreis aus Rio de Janeiro geholte 1,96-Meter-Hüne kurz vor Weihnachten im Heimspiel gegen den FSV Mainz (1:3) ein Slapstick-Eigentor produziert hatte, war nicht so ganz klar, was das mit dem jungen Familienvater machen würde. Zumal die Schwankungsbreite bei dem Torwarttalent immens war: Tollkühnen Aktionen standen in seinen neun Pflichtspielen (sechs in der Bundesliga, drei in der Europa League) krasse Aussetzer entgegen. Eben noch Weltklasse gegen Bayern München, dann Kreisklasse gegen Viktoria Pilsen oder Besiktas Istanbul. Nur: Ist das für einen jungen Schlussmann nicht völlig normal?

Nur der „ewige Oka“ Nikolov hat noch mehr Partien im Eintracht-Tor auf dem Buckel als Trapp

Außer Frage stehen bei dem mittlerweile bis 2030 gebundenen Santos die Vorzüge: seine famose Sprungkraft, sagenhafte Reaktionen, gute Technik mit dem Fuß. Es gibt einige, die in ihm den legitimen Erben sehen, wenn Ederson (Manchester City) und Alisson (FC Liverpool) mal nicht mehr für die Seleção spielen. Diese Perspektive ist gewiss noch weit weg, aber die Wachablösung im Eintracht-Tor naht. Der um die Tragweite dieser Personalie wissende Toppmöller hatte es zuletzt vermieden, Trapp uneingeschränkte Garantien zu geben – dafür hält Santos gerade zu gut.

Der Eintracht-Identifikationsfigur Trapp das Vertrauen mitten in der Saison zu entziehen, würde Brisanz bergen. Der 34-Jährige hat 378 Spiele für die Hessen gemacht. Nur der „ewige Oka“ Nikolov hat noch mehr Partien auf dem Buckel. Aber Trapp spielt keine herausragende Saison. Mit seiner Paradenquote (72 Prozent) steht er nur auf Platz zwölf der Bundesliga-Torhüter. Im Europa-League-Hinspiel in Amsterdam (2:1) kam er merkwürdig zögerlich aus seinem Kasten, was in seinen besten Zeiten beim Europa-League-Triumph 2022 kaum vorkam. Seit geraumer Zeit ist er selbst intern nicht mehr unumstritten.

Die Verdienste des gebürtigen Saarländers sind nach fast zehn Dienstjahren gleichwohl groß, zumal ihn die Eintracht ja nach einem dreijährigen Abstecher zu Paris Saint-Germain (2015 bis 2018) mit Kusshand für den abgewanderten Lukas Hradecky (Bayer Leverkusen) wieder zurückholte. Ergo reicht diese Entscheidung weit über den sportlichen Bereich hinaus. Ein Jobsharing zwischen den Pfosten ergibt auf der Zielgeraden keinen Sinn, wo es in der Bundesliga um die Champions-League-Qualifikation und in der Europa League im Viertelfinale gegen Tottenham Hotspur (10. und 17. April) geht. Es wird nicht mehr lange dauern, dann muss diese schwierige Personalie geklärt werden.

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