Leichtathletik:Staatsexamen abgelegt, Bestzeit gesteigert

Sondersportfest WM Qualifikation Pfungstadt 21 08 2019 Katharina Trost LG Stadtwerke Muenchen GER; Katharina Trost

Läuft bei ihrer ersten WM: Katharina Trost

(Foto: imago images / Beautiful Sports)
  • Seit fast einem Jahr trainieren die Münchner 800-Meter-Läuferinnen Christina Hering und Katharina Trost auf die WM in Doha hin.
  • Trost will sich keinen Kopf machen bei ihrer ersten WM, Hering ihre Erfahrung aus zwei WM-Teilnahmen nutzen.
  • Hier geht's zum Zeitplan der Leichtathletik-WM.

Von Andreas Liebmann

Katharina Trost schwankte. Nicht etwa wegen der schwindelerregenden Aussicht aus dem 41. Stock jenes Hochhauses in Doha, in dem sie zurzeit wohnt. Die 24-Jährige schwankte zwischen Rosa und Rot. Wahrscheinlich werde es Dunkelrot, kündigte sie an, das passe auch besser zur Nationalfahne. Rosa habe ihr zuletzt kein Glück mehr gebracht. Viele Kleinigkeiten wollen bedacht sein vor dem Start bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft, gerade wenn man zum ersten Mal an einem solchen Ereignis teilnimmt. Und sei es nur die Frage nach dem geeigneten Nagellack.

Natürlich hat die aktuelle deutsche Hallenmeisterin über 800 Meter andere Ziele für die WM, als hübsch auszusehen, sie will ins Halbfinale vorstoßen. Nach dem Nagellack war sie einfach nur gefragt worden. Aber vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, vorab eher über solche Nebensächlichkeiten nachzudenken als zu viel über das große Ganze. Das ist nämlich die Lehre, die sie aus ihrem ersten großen Auftritt dieses Jahres gezogen hat, der Universiade in Neapel Anfang Juli, als sie im Halbfinale überraschend ausschied: sich vorher nicht wieder so viele Gedanken darüber zu machen, wie schnell wohl all die anderen wären, was sie vorhaben könnten, um wie viel erfahrener sie wohl sind, oder dass sie vielleicht eingekesselt wird. "Ich will einfach mutig anlaufen und mein Ding machen", sagt Trost, "ich weiß, dass ich fit bin und dass ich das kann - ich bin ja nicht umsonst die WM-Norm gelaufen."

Trost will sich keinen Kopf machen

Das war ihr ebenso wie Christina Hering, ihrer gleichaltrigen Trainingskollegin bei der LG Stadtwerke München, erst auf den letzten Drücker gelungen, bei einem kurzfristig zu diesem Zweck angesetzten Rennen im hessischen Pfungstadt, das Hering in 1:59,41 Minuten gewann, vor Trost, die mit 2:00,36 Minuten auf Rang zwei folgte - beides neue Bestzeiten. Auch Hering will ins Halbfinale, traut sich bei ihrer dritten WM aber auch zu, das Finale als Traum zu nennen, um das sie "definitiv kämpfen" wolle. Es war erst das zweite Mal in ihrer Karriere, dass sie unter zwei Minuten für diese Strecke brauchte, "mittlerweile habe ich realisiert, was ich da geschafft habe".

In Peking und in London war Hering nach den Halbfinals jeweils 22., diesmal startet sie mit der elftbesten Zeit ins Turnier, "das ist eine neue Ausgangsposition", sagt sie. Das hängt nicht unwesentlich damit zusammen, dass die Südafrikanerin Caster Semenya wegen der Testosteron-Auflagen durch den Weltverband IAAF ebenso fehlen wird wie Francine Niyonsaba aus Burundi und Margaret Wambui aus Kenia - die drei Schnellsten der vergangenen Olympischen Spiele. Sie finde es wichtig, dass endlich eine Entscheidung getroffen worden sei, sagt Hering, zu offenkundig seien die unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen gewesen. Ob diese Entscheidung richtig ist, will sie nicht beurteilen. Jedenfalls sei der Ausgang der Rennen nun "weitaus offener, und auch meine Bestzeit liegt nun näher an der Weltspitze".

"Da bin ich ein bisschen an meine Grenzen gekommen"

Die Saison der beiden Münchnerinnen, die es als einzige bayerische Athleten nach Doha geschafft haben, lief recht unterschiedlich. Hering war zunächst durch einen Außenbandriss gebremst worden, Mitte Juni kam zur Unzeit noch ein Magen-Darm-Virus daher. Sie sei nun "einfach total froh, dass alles noch so gut geklappt hat". Die 1,85 Meter große Athletin holte bei der deutschen Freiluft-Meisterschaft in Berlin den Titel vor ihrer Trainingskollegin, und bei der Universiade übertraf sie mit der Silbermedaille sogar die eigenen Erwartungen. Katharina Trost war fast durchweg fit, sie verbesserte ihre Leistung in diesem Jahr um mehr als zwei Sekunden. Dabei legte sie im Sommer nebenher noch die Prüfungen fürs erste Staatsexamen als Grundschullehrerin ab. Zuletzt habe sie deutlich gespürt, dass diese Saison von der Vorbereitung bis zu dieser späten WM doch schon fast ein Jahr ohne Pause andauert. Nach der Normerfüllung sei ihr das Training zum Teil "echt schwergefallen, da bin ich schon ein bisschen an meine Grenzen gekommen", gibt sie zu.

Auch Andreas Knauer, einer der beiden Trainer in München, berichtet von den Schwierigkeiten der Trainingssteuerung, von der Herausforderung, "den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten", speziell vom letzten Wettkampf im August bis zum Abflug nach Doha, während sich die anderen Münchner Athleten inzwischen ja schon auf die nächste Saison vorbereiten.

Auch wenn sich Katharina Trost "keinen großen Kopf machen" will, über die mögliche Taktik haben natürlich beide mit Knauer beraten. Trost, die gerne ein gleichmäßig hohes Tempo läuft, will versuchen, sich dafür eine freie Position zu erobern, und mit Hering, die gerne auf ihren starken Schlussspurt setzt, haben die Trainer daran gearbeitet, diesen nicht zu spät zu beginnen. Zwar habe sie dort in den vergangenen Wochen viel herausgeholt, sagt Hering, aber inzwischen wisse sie auch, dass an der Weltspitze "jede eine starke Zielgerade hat". Sie will ihre Erfahrung, die sie bei den vergangenen Weltmeisterschaften gemacht hat, nutzen, will speziell im Vorlauf an diesem Freitag (16.10 Uhr) "ein taktisch schlaues Rennen laufen" und "möglichst clever durch dieses Turnier kommen". Vor der Hitze in Doha hat sie übrigens keine Angst. Und geschwankt hat sie auch nicht - die Fingernägel werden rot, "definitiv".

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