Fan-Initiative für Gastarbeiter:Der DFB soll zahlen

Fan-Initiative für Gastarbeiter: Empfänger des Offenen Briefs: DFB-Präsident Bernd Neuendorf.

Empfänger des Offenen Briefs: DFB-Präsident Bernd Neuendorf.

(Foto: Thomas Eisenhuth/Getty Images)

Am Tag der Kaderbekanntgabe für die WM in Katar erreicht den Verbandspräsident Neuendorf die Aufforderung einer Fan-Initiative, zugunsten eines Entschädigungsfonds für Gastarbeiter auf Prämien zu verzichten. Hansi Flick sagt: Die Bereitschaft zu spenden, sei hoch.

Von Christoph Ruf

Eigentlich wollte Bernd Beyer in diesem Herbst seinen Ruhestand genießen und mehr Zeit mit dem Enkelkind verbringen. Doch derzeit hat der Göttinger Politologe und Buchautor neun Stunden am Tag damit zu tun, Interviewanfragen und Vortragstermine zu organisieren. Die unter anderem von ihm gegründete und von Dutzenden Initiativen unterstützte Kampagne "Boycott Qatar 2022" hat seit einigen Wochen richtig Fahrt aufgenommen. In den kommenden Tagen dürfte der Rummel noch zunehmen. Denn die Initiative hat gerade einen offenen Brief an DFB-Präsident Bernd Neuendorf geschrieben, der just am Tag der Kaderbekanntgabe per Einschreiben in Frankfurt eintraf.

"Damit", sagt Beyer zwischen zwei Terminen am Telefon, "wollen wir die Forderung der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch nach Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Arbeitsmigranten und deren Angehörige aufgreifen."

Die WM in Katar, so heißt es im offenen Brief, sei schließlich nur möglich gewesen "durch den Einsatz von Hunderttausenden Arbeitsmigranten, die größtenteils unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften mussten und von denen unzählige zu Tode kamen". Besonders in Nepal, der Heimat der meisten Arbeitsmigranten, hätten viele Familien ihren Haupternährer verloren und lebten nun erst recht in bitterer Armut.

Deshalb sei es nur recht und billig, dass der DFB Druck auf den Weltverband ausübe, damit die Fifa der Forderung nachkomme, die gleiche Summe, die sie als Preisgelder für die 32 teilnehmenden Länder ausschüttet - also 440 Millionen Dollar -, noch einmal in den Fonds zu zahlen. Allerdings gehen auch die Initiatoren des offenen Briefes, den neben Fanorganisationen auch Flüchtlingsinitiativen und die KZ-Gedenkstätte Dachau unterschrieben haben, davon aus, dass die Fifa sich ebenso verweigert wie Katar, dessen Arbeitsminister Ali Al Marri die Forderung bereits als "Werbegag" bezeichnet hat.

Dann, so die Initiative, müsse eben der DFB jetzt selbst Verantwortung zeigen, indem er seine Preisgelder, die je nach Endplatzierung zwischen neun und 41 Millionen Dollar liegen werden, spendet. Das Gleiche gelte für die Spieler, die, falls sie die Gruppenphase nicht auf Platz zwei bis vier beenden, jeweils zwischen 50 000 und 400 000 Euro einstreichen werden.

"Wir finden es auch positiv, dass sich der DFB der Diskussion mit Menschenrechtsorganisationen stellt."

Dass der DFB die Forderung in Bausch und Bogen ablehnen wird, hält Beyer für unwahrscheinlich. In den vergangenen Monaten seien aus Frankfurt durchaus Signale gesandt worden, dass man die zumindest in den Fankurven recht einhellige Kritik an der Menschenrechtslage in Katar nachvollziehen könne. "Wir finden es auch positiv, dass sich der DFB der Diskussion mit Menschenrechtsorganisationen stellt, auch wenn er dabei oft im Abstrakten geblieben ist." Würde sich der DFB an der Initiative beteiligen, glaubt Beyer, würden sich auch andere Nationalverbände anschließen müssen.

Er hofft nun jedenfalls auf eine positive Antwort aus Frankfurt. Und vielleicht hat es ihn hoffnungsvoll gestimmt, dass Bundestrainer Hansi Flick vor der Bekanntgabe des Kaders betonte, dass der DFB sich in Katar zwar aufs Sportliche konzentrieren, aber "auch klar ansprechen" müsse, "was die Menschenrechtssituation in Katar ist. Da müssen wir unsere Augen und Ohren offen halten. Wir wollen uns nicht wegducken und ganz klar auf die Missstände aufmerksam machen", so Flick.

Auf eine konkrete Nachfrage zur Beteiligung des Verbands am Fonds, sagte Flick, dass grundsätzlich beim DFB "die Bereitschaft zu spenden sehr hoch" sei. Mehr könne er nicht sagen, betonte der Bundestrainer: "Ich habe heute Morgen noch ein bisschen andere Dinge zu tun gehabt."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSerge Gnabry
:Deutschlands bester Stürmer, von außen

Die "Schwierigkeiten" sind passé, kurz vor der WM befindet sich Serge Gnabry in exzellenter Form. Doch wo soll der Bundestrainer ihn hinstellen? Und sollte er nicht gleich das ganze Bayern-Mittelfeld übernehmen?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: