Copa América:Wenn der Gegner plötzlich Katar heißt

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Katars Spieler feiern ihren zweiten Treffer gegen Paraguay. (Foto: REUTERS)
  • Seit 1993 nehmen an der Copa América Länder von anderen Kontinenten teil. Diesmal ist neben Japan auch Katar dabei. Im ersten Spiel gab es ein Remis gegen Paraguay.
  • Die Autokraten in Katar pflegen den Fußball schon länger als das außenpolitische "Soft-Power"-Instrument schlechthin.
  • Ende Oktober 2018 schloss Qatar Airways einen bis 2022 laufenden Vertrag mit dem Südamerikaverband ab; die Fluglinie sponsert die beiden Klubturniere des Kontinents, die Copa Libertadores und die Copa Sudamericana.

Von Javier Cáceres, Belo Horizonte

Ein wenig scheint der argentinische Trainer Eduardo Berizzo doch zu fremdeln bei dem Turnier, das den Namen Copa América trägt. Es ist das älteste, mithin traditionsreichste Kontinentalturnier des Weltfußballs; erstmals ausgetragen im Jahr 1916, seine 46. Ausgabe findet zurzeit in Brasilien statt. Berizzos Fremdeln liegt daran, dass sein aktuelles Team, die Nationalmannschaft Paraguays, im Estádio Maracanã von Rio de Janeiro gegen Katar antrat und nur ein 2:2 erzielte.

Katar? Ja, Katar, aktueller Asienmeister und Gast beim Südamerikaturnier. Die Copa América, urteilte Berizzo nach dem Spiel, sollte ausschließlich von amerikanischen Teams beschickt werden: "Ich habe nie gesehen, dass eine südamerikanische Mannschaft zur Europameisterschaft eingeladen worden wäre." Gab's ja auch noch nie. Dass an der Copa América hingegen Teams teilnehmen, deren Länder gar nicht zum Südamerikaverband Conmebol gehören, hat sogar Tradition - seit 1993.

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Damals durften zwei nordamerikanische Mannschaften mitspielen, Mexiko und die USA; um das Feld auf zwölf zu erhöhen und ein Turnierformat zu kreieren, das leichter handzuhaben ist. Die Mexikaner standen seitdem sogar zweimal im Finale, bislang blieb der Subkontinent davor bewahrt, die Trophäe in fremde Gefilde wandern zu sehen. Die Liste derer, die bei der Copa América dabei waren, ist länger geworden: Costa Rica, Honduras und Jamaika haben sich blicken lassen, ebenso die Japaner, die auch diesmal dabei sind, mit dem Kern des Teams, das bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 spielen soll. Nun also auch Katar. Sowohl Japan wie Katar erhalten ein Antrittsgeld in Höhe von jeweils 1,25 Millionen US-Dollar. Doch darum geht es für die Kataris wahrlich nicht.

Den Glanz des Fußballs lässt sich Katar Einiges kosten

"Die Copa América wird uns zeigen, wo wir stehen", sagt Félix Sánchez, der katalanische Trainer Katars, er freut sich auf die Duelle gegen Lionel Messis Argentinier und die Kolumbianer von James Rodríguez. Sánchez hat lange in der Nachwuchsabteilung des FC Barcelona gearbeitet, ging 2006 an die Aspire-Akademie, die in Doha eines der modernsten und größten Trainingszentren der Welt in den Wüstensand gesetzt hat. Dort schulte Sánchez, 47, nach Barça-Muster Nachwuchsspieler. Einige von ihnen haben es bis in die Nationalelf geschafft - und bewiesen am Sonntag, dass sie zumindest mithalten können.

Nach nervösem Beginn lagen sie durch einen Elfmeter (Óscar Cardozo/2. Minute) sowie einen Treffer von Derlis González (55.) 0:2 zurück. Durch ein prächtiges Tor von Almoez Ali, der den Ball aus 20 Metern im Winkel versenkte, sowie einen Treffer von Boualem Khoukhi (77.) kam Katar zum verdienten Ausgleich. Wie schon bei der Asienmeisterschaft, bei der es die Auswahl Japan im Finale 3:1 besiegte, gefiel es mit Kombinations- und Ballbesitzfußball. "Niemand wird jetzt sagen, dass hier ein Riesenüberraschungsteam heranwächst", urteilte der renommierte brasilianische Kolumnist Paulo Vinicius Coelho. Wohl aber, "dass ein Team ohne Talent und Tradition versuchte, im Maracanã den eigenen Stil durchzusetzen". Da wurde Mannschaften schon Schlimmeres nachgesagt.

Solches Lob dürfte den Autoritäten in Katar gefallen. Die Herrscher des Emirats pflegen den Fußball schon seit einiger Zeit als das außenpolitische "Soft-Power"-Instrument schlechthin, nicht umsonst pumpten sie offenkundig einige Millionen in die Funktionärsszene des Weltverbandes Fifa, um die Ausrichtung der WM 2022 an Land zu ziehen. Zuletzt ist die Bedeutung des Spitzensports als Propagandamittel noch einmal gestiegen: Katar ist in der Region seit 2017 isoliert, Saudi-Arabien, Bahrain und Ägypten blockieren den Zwergstaat, werfen ihm unter anderem vor, islamistischen Terror zu finanzieren, was Katar vehement bestreitet. Und die Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen und der Ausbeutung von Arbeitern beim Bau der WM-Stadien für 2022 begleiten Katar gewissermaßen, seitdem sie sich die WM-Ausrichtung gesichert haben.

Den Glanz des Fußballs, der dem entgegenstrahlen soll, lässt sich Katar einiges kosten - etwa durch direkte Engagements bei Paris Saint-Germain oder dem belgischen Profiklub KAS Eupen, wo talentierte katarische Fußballer europäische Erfahrungen sammeln sollen; durch Sponsoring-Partnerschaften von Qatar Airways bei traditionsreichen Vereinen wie Argentiniens Kultklub Boca Juniors, dem FC Bayern, bis vor wenigen Jahren dem FC Barcelona - oder in diesen Tagen bei der Frauenfußball-WM und eben mit Conmebol. Ende Oktober 2018 schloss die Fluggesellschaft einen bis 2022 laufenden Vertrag mit Südamerikas Verband ab; demnach sponsert sie die beiden Klubturniere des Kontinents, die Copa Libertadores und die Copa Sudamericana.

Als im vergangenen Dezember das Libertadores-Finale wegen der Ausschreitungen beim Spiel zwischen River und Boca von der Conmebol ins Ausland verlegt wurde, träumte der Verband gar davon, das Endspiel in Doha zu beherbergen. Das war des Traditionsbruchs dann doch zu viel, das Finale fand in Madrid statt. Die Zahlen der Katar-Deals behält die Conmebol übrigens lieber für sich. Dass beide Finalisten der Asienmeisterschaft dabei seien, verleihe der Copa América "sportliches Prestige", sagte Conmebol-Präsident Alejandro Domínguez, als er gefragt wurde, welche Vorteile die Teilnahme Katars seinem Verband bringe.

Dennoch lockte die Partie gegen Paraguay nur 19 162 Zuschauer ins Estádio Maracanã, das beim letzten Spiel der WM 1950 gleich 200 000 Leute beherbergte. Die Zeitung O Estado de São Paulo fühlte sich an die Kulisse eines Durchschnittsspiels der Meisterschaft des Bundesstaats Rio de Janeiro erinnert. Das lag aber eher an den überteuerten Tickets, die auch dazu führten, dass das 4:0 Uruguays gegen Ecuador kaum jemand im Stadion verfolgte.

Im Mineirão von Belo Horizonte, der Stätte des 7:1-Erfolgs der deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien bei der WM 2014, waren nur 13 611 Menschen dabei, als der 18-malige Südamerikameister durch Treffer von Nicolás Lodeiro, Edinson Cavani, Luis Suárez und ein Eigentor von Verteidiger Mina die Ecuadorianer überrollte. Das Fußballentwicklungsland Katar konnte, immerhin, eine solch desaströse Niederlage vermeiden.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass Qatar Airways keine Ziele in Südamerika anfliegt. Richtig ist, dass von Doha aus täglich nach Buenos Aires via São Paulo und zurück geflogen wird.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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