Kasachstan:Eine Schule als Vermächtnis

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In Almaty hat der Prozess um den tödlichen Messerangriff auf den Eiskunstläufer Denis Ten begonnen. Er starb im vergangenen Juli.

Von Barbara Klimke

In Almaty wird im Laufe des Jahres 2019 eine Eislauf-Akademie eröffnet. Diesen Plan hat die Mutter von Denis Ten kürzlich bekanntgegeben. Es sei der Traum ihres verstorbenen Sohnes gewesen, eine Schule für begabte Schlittschuhläufer in Kasachstan zu gründen, so wird Oksana Ten im Onlineportal Kazpravda zitiert. Das Trainingszentrum, das es zu Lebzeiten des besten Eiskunstläufers des Landes in seiner Heimatstadt nicht gab, soll nun sein Vermächtnis werden.

Am Donnerstag hat am Kriminalgericht in Almaty der Hauptprozess gegen jene Verdächtige begonnen, denen vorgeworfen wird, für den Tod von Denis Ten, dem Olympia-Dritten von 2014, verantwortlich zu sein. Er starb im vergangenen Juli, niedergestochen an einer Straßenkreuzung. Er wurde nur 25 Jahre alt.

Laut den Ermittlungen, die die Zeitung Astana Times kurz nach der Tat veröffentlichte, hatte Denis Ten an jenem Donnerstagnachmittag zwei Männer überrascht, die sich an seinem Auto zu schaffen machten und versuchten, die Außenspiegel zu stehlen. Als er sie zur Rede stellte, griffen sie ihn mit einem Messer an. Ein Stich verletzte die Beinschlagader, Denis Ten wurde per Rettungswagen in eine Klinik gebracht, aber sein Blutverlust war so groß, dass er wenige Stunden später starb. Die Polizei verhaftete kurz darauf zwei mutmaßliche Täter; beide, so erklärte damals ein Regierungsbeamter, seien wegen ähnlicher Diebstähle vorbestraft gewesen. Auch eine Frau ist wegen Komplizenschaft festgenommen worden.

Der gewaltsame Tod von Denis Ten, einem der berühmtesten Sportler des Landes, löste eine Debatte über die öffentliche Sicherheit und die Arbeit der Polizeibehörden aus, wie kasachische Medien berichteten. Noch in seiner Neujahrsansprache hat Präsident Nursultan Nasarbajew, Staatsoberhaupt seit 1990, auf den Tod des populären Eiskunstläufers Bezug genommen, um Reformen im Innenministerium anzukündigen. Der Fall habe "jeden erschüttert", sagte er.

Denis Ten, WM-Zweiter von 2013, hatte Geschichte in Kasachstan geschrieben: Er war der erste Athlet, der für sein Land als Eiskunstläufer eine olympische Medaille gewann. Vor allem aber diente sein Werdegang all jenen als Vorbild, die auf Kufen einem großen Ziel nachjagen, obwohl sie dabei oft nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben. Kurz vor den Winterspielen in Pyeongchang hatte Denis Ten, dessen Familie koreanische Wurzeln hat, in einem Interview mit den Olympia-Veranstaltern über seine Anfänge auf dem Eis gesprochen. Als er das erste Mal auf Schlittschuhen stand, so erzählte er, habe es in Kasachstan keine Eishallen gegeben: "Man konnte nur draußen laufen." Eine halbwegs professionelle Ausrüstung habe er erst mit neun Jahren erhalten. Seine Mutter, so berichtete er der Zeitschrift Pirouette, hätte ihn als Knirps wegen der Kälte in mehrere Schichten Kleidung gesteckt: Er habe sich damals wie ein kleiner Kohlkopf auf dem Eis gefühlt.

Er ging nach Moskau, um sich ausbilden zu lassen, später eine Zeitlang zum Training in die USA. In Kasachstan hat er dann als Olympia-Dritter nach eigenen Worten "die Geburt der Eislaufkultur" beobachten können und ist zum Idol einer Generation geworden. Oksana Ten hat eine Stiftung zum Andenken an ihren vielfältig talentierten Sohn gegründet: Sie will die Songs, die er komponierte, herausgeben und die Gedichte, die er schrieb. Aber zunächst muss die Familie den Prozess überstehen.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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