Karriereenden:Schweinsteiger hat seine Götterdämmerung selbst bestimmt

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Viel Spaß in Chicago: Bastian Schweinsteiger. (Foto: dpa)

Nur wenigen Sportlern gelingt das perfekte Karriereende. Weit häufiger ist der Sturz ins Ungewisse.

Kommentar von Barbara Klimke

Ein paar Minuten durfte Wayne Rooney noch mitspielen. In Minute 86 rief ihn der Trainer aufs Feld, kurz nach dem gegnerischen Ausgleich, aber zu einem so späten Zeitpunkt, dass die Einwechslung nicht mehr als Bereicherung der Mannschaft, sondern nur noch als generöse Geste zu verstehen war: als letzter Versuch, als Gnadenakt. Manchester United, das war bei Abpfiff deutlich, hat beim Einzug ins Finale der Europa League der Mithilfe des Rekordtorschützen der englischen Nationalmannschaft nicht mehr bedurft. Für Rooney, den schon vorher Selbstzweifel quälten, wird die Frage nun akut: Muss er seinen Klub nach dreizehn langen Jahren verlassen, damit er im Alter von 31 Jahren weiter in Würde gegen den Ball treten kann?

Es gibt kaum Zweifel, dass sich Rooney im Herbst der Karriere befindet, einer Phase, die im europäischen Fußballgewerbe saisonal paradoxerweise mit dem späten Frühling zusammenfällt, wenn die Rückrunde dem letzten Spieltag zustrebt. Vielleicht verstärkt der Zusammenhang von frischem Maigrün und müden Menschenknochen noch den Grundton der Melancholie. Sportlerlaufbahnen sind sehr viel kürzer als ein Durchschnittsleben - ein gutes Jahrzehnt vielleicht vom Aufstieg, pausbäckig und sommersprossig, bis zum erschöpften Niedergang.

Wer regelmäßig auf seinem Tribünenplatz sitzt, hat, Spielzeit für Spielzeit, neben Tor- und Pfostenschüssen auch die Vergänglichkeit im Blick. Glücklich, wer da den richtigen Moment des Abschieds erwischt und wie Bastian Schweinsteiger den Zeitpunkt seiner Götterdämmerung selbst bestimmt. Der Münchner Weltmeister, der sich anders als Wayne Rooney beizeiten von Manchester absetzte, ist entschlossen, sich noch ein Weilchen kickend in Chicago zu vergnügen. Angesichts der Wunderlichkeiten, die ihm in der Major League Soccer begegnen, ließe sich allerdings vermuten, dass er gerade den Sonderfall eines Aktiv-Karriereendes erlebt.

Weit häufiger ist der Sturz ins Ungewisse. Denn den wenigsten Athleten gelingt ein Ende, das ihrer sorgfältigen Laufbahnplanung, geschweige denn ihrem Ruhm entspricht. Der Tennisspieler Björn Borg, der brillanteste Spieler seiner Zeit, war so von seiner eigenen Meisterschaft überwältigt, dass er bereits mit 26 Jahren, viel zu früh, den Rücktritt erklärte. Möglicherweise trat er tatsächlich auf dem Höhepunkt seines Könnens ab, aber welcher Sterbliche wäre in der Lage, diesen vorauszuahnen? Roger Federer, der begnadetste Spieler der Gegenwart, hat den Höhepunkt der Karriere wohl überschritten.

Federer holt mit 35 mit seinen 18. Grand-Slam-Sieg

Aber wenn er sich im Alter von 33 Jahren abgewandt hätte von seiner Kunst, hätte er sich und die Verehrer seines Spiels um das Vergnügen eines 18. Grand-Slam-Titels mit 35 gebracht. Vielleicht muss man sportliche Meisterschaft tatsächlich wie Kunst in Phasen unterteilen, in Frühwerk, Hauptwerk und Spätwerk. Der Tennis-Champion Pete Sampras, auch er ein Großer seiner Zunft, zog es vor, seine Karriere bis zur bitteren Neige auszuschöpfen. Gegen Ende der Laufbahn spielte er so erbärmlich, dass selbst die Rivalen Mitleid hatten, dann gelang ihm nach einer Reihe quälender Erstrundenniederlagen 2002 der letzte, große Sieg bei den US Open. Er trat als Vollendeter zurück.

Vor einiger Zeit hat Sampras sich zurückgemeldet, schriftlich, mit einem "Brief an mein jüngeres Selbst": Vielleicht, sinnierte er dort, hätte er den Sport mehr genießen sollen: Denn es sei der Weg, nicht der Triumph, der zählt.

Ein schöner Rat für all jene, die den Herbst ihrer Karriere fühlen. Ein paar Spiele bleiben noch. Man sollte das Beste daraus machen.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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