Karriereende von Zé Roberto:Abschied mit sechs Prozent Körperfett

Palmeiras v Botafogo - Brasileirao Series A 2017

Es wären nur noch sieben Jahre bis zum 50. Geburtstag auf dem Platz gewesen: Zé Robert hört mit 43 auf.

(Foto: Alexandre Schneider/Getty Images)
  • Zé Roberto beendet mit 43 Jahren seine Karriere. Er spielte in Deutschland für Bayer Leverkusen, Bayern München und den Hamburger SV.
  • Noch im vergangenen Jahr gehörte er zu den fittesten Fußballern der brasilianischen Liga. Er wurde mit seinem Team Meister und erzielte das Tor des Jahres.
  • Eigentlich wollte er damals aufhören - aber dann starb ein Freund beim Flugzeugabsturz von Chapecoense.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Das (vermutlich) letzte Spiel des Fußballers Zé Roberto begann mit beklemmender Stille. Mit einer Schweigeminute für die Opfer des Flugzeugabsturzes von Chapecoense. Genau ein Jahr ist es her, als nahezu der gesamte Kader des brasilianischen Erstligisten ums Leben kam. Unter den Toten war auch Matheus Biteco, ein guter Freund Zé Robertos. Am Tag vor dem Absturz hatten die beiden noch gegeneinander gespielt. Der Traditionsklub Palmeiras aus São Paulo sicherte sich in dieser Partie seinen ersten brasilianischen Meistertitel nach 22 verflixten Jahren. Statt zur Meisterfeier ging Zé Roberto aber zur Beerdigung. Und wenn man der Frage nachgeht, weshalb der damals 42-jährige Palmeiras-Kapitän den Titel nicht wie allgemein erwartet zum Anlass nahm, seine erstaunliche Karriere zu beenden, dann landet man auch bei Biteco. Aus dem plötzlichen und unfassbaren Tod des Freundes zog er die Erkenntnis: "Ich glaube, dass wir in diesem Leben jeden Moment würdigen müssen."

Für den ewigen Zé Roberto hieß das: Weiterspielen, solange es geht.

Jetzt geht es offenbar nicht mehr. Nach 23 Profijahren mit insgesamt 1075 Pflichtspieleinsätzen macht auch der unerschütterlichste aller Brasilianer irgendwann schlapp. Man tritt ihm sicher nicht zu nahe, wenn man sagt, dass seine letzte Saison nicht seine beste war. Es zwickte mal hier und klemmte mal da, wie bei jedem 43-Jährigen. Seit August war Zé Roberto deshalb kaum noch zum Einsatz gekommen. Am Montagabend im letzten Heimspiel der Saison durfte er sich aber noch einmal 90 Minuten lang verausgaben, die linke Seite beackern, seine berühmten Pirouetten drehen. Palmeiras gewann 2:0 gegen Botafogo, aber das Publikum spürte, dass das an diesem Abend zweitrangig war. Im Vordergrund stand ein durchaus historisches Ereignis: die letzte Zé-Roberto-Show.

Auf die Schweigeminute folgten gut anderthalb Feierstunden, inklusive fernsehtauglicher Abschiedstränen und einer Ehrenrunde des Protagonisten. Der sagte, er habe vor Aufregung drei Nächte lang nicht schlafen können und im Übrigen festgestellt, dass es nicht mehr so einfach ist, "den Jungspunden 90 Minuten lang hinterherzurennen". Tatsächlich waren viele, die am Montagabend auf dem Platz standen, noch gar nicht geboren, als Zé Roberto 1994 bei Portuguesa São Paulo seinen ersten Profivertrag unterschrieb.

Mit dem FC Bayern wurde er je vier Mal Meister und Pokalsieger

Man muss aber keineswegs das Langzeitgedächtnis bemühen, um sich an einen Zé Roberto zu erinnern, dem die meisten Jungspunde hinterherhechelten. Noch in der vergangenen Saison gehörte er zu den absoluten Leistungsträgern der Liga, mit Fitnesswerten und Laufstatistiken weit über dem Durchschnitt, von seinem marktführenden Waschbrettbauch ganz zu schweigen. Nebenbei schoss er als 42-jähriger Linksverteidiger das Tor des Jahres in Brasilien, ein Lupfer aus vollem Lauf, den selbst im Land der Fußballkunst sonst kaum einer hinbekäme. Mit jedem Lebensjahr schien Zé Roberto wieder ein bisschen jünger zu werden.

Diesen nimmermüden Dauerrenner würdigten am Montagabend auch die Palmeiras-Fans, als sie ihr Abschiedslied anstimmten: "Al, al, al, Zé Roberto é animal" - ein Tier also soll er sein.

Aber selbst im Tierreich muss man lange suchen, um ein derart durchtrainiertes Wesen zu finden. Führende Vertreter der Fußball-Altersforschung erklärten das Phänomen mit einer besonders günstigen Mischung aus weißen und roten Muskelfasern sowie mit Körperfett-Vergleichstabellen. Bei Vierzigjährigen ist demnach ein Wert von 22 Prozent nicht untypisch. Der Mittelwert aller aktuellen brasilianischen Profis liegt etwa bei 11,5. Bei Zé Roberto waren es zuletzt sechs Prozent. Der Chef der Leistungsdiagnostik bei Palmeiras sagte einmal: "Wenn ich seine Gene hätte, würde ich meine Karriere auch nicht beenden."

Zé Roberto selbst erklärt seinen langen Atem vor allem mit himmlischem Beistand, etwa in seinem Buch "Traumpass ins Leben - Mit Gott auf der Außenbahn". Auf diesem Weg gelangte er Ende der Neunziger über zwei harte Lehrjahre bei Real Madrid zu Bayer Leverkusen, wo der damalige Manager Rainer Calmund den eingedeutschten Rufnamen "der Zeh" prägte. Mehr als die Hälfte seiner Profi-spiele bestritt er in der Bundesliga, neben Leverkusen beim Hamburger SV, vor allem aber beim FC Bayern, mit dem er je vier Mal Meister und Pokalsieger wurde. Gemessen an seiner überaus erfolgreichen Vereinslaufbahn spielte er in der brasilianischen Seleção eher eine Nebenrolle, auch weil die linke Außenbahn dort lange Zeit vom unantastbaren Roberto Carlos besetzt war.

Nach seinem Abschiedsspiel am Montag sagte er: "Ich gehe heute vom Platz in dem Wissen, dass ich mein Maximum gegeben habe und etwas hinterlasse." Das kann man so stehen lassen.

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