Karriereende von Martin Schmitt:Alles probiert, nichts mehr zu machen

Martin Schmitt

Abschied: Martin Schmitt beendet nach 17 Jahren seine Skisprung-Karriere.

(Foto: dpa)

Er bekam 300 Briefe Fanpost pro Tag, die Illustrierten berichteten ganzseitig, Skispringen wurde zum Publikumssport. Nun beendet Martin Schmitt seine Karriere. Nach großen Erfolgen und ebenso großen Misserfolgen.

Von Lisa Sonnabend

Am Ende hat es noch gereicht für eine Meldung in der Bunten. "Martin Schmitt bekommt am 1. Februar beim Weltcup-Springen in Willingen eine große Abschiedsparty", heißt es in der aktuellen Ausgabe auf Seite 109. Darunter ist zu lesen, dass Jenny Elvers das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn behält. Und wenige Zeilen darüber, dass Cosima Shiva Hagen auf Facebook ihren Status von Single auf verheiratet geändert hat. Allerdings nur zum Spaß.

Sogar die Bunte-Leser haben Martin Schmitt also nicht vergessen. Jenen jungen Mann, der gemeinsam mit Sven Hannawald Ende der Neunziger dafür sorgte, dass Skispringen eine der populärsten Sportarten in Deutschland wurde. Jener Mann, der auch als der Erfolg ausblieb, weiter und immer weiter sprang.

Bis zu diesem Freitagmittag. Denn nun hat der 36-Jährige seine lange Skisprungkarriere offiziell beendet. "Es war eine tolle Zeit, und es fällt mir nicht leicht. Ich habe schon während der Tournee gesehen, dass es einfach nicht gereicht hat. Es gibt keine Ziele mehr in der Saison", sagte der 36-Jährige auf einer Pressekonferenz in Willingen. Kein Sprung mehr, nur ein paar Worte.

Schmitt hätte den Rücktritt auch nach dem Neujahrsspringen der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen verkünden können. Bei seinem letzten großen Auftritt, als er noch einmal die Schanze hinabglitt und ihm zwanzigtausend Skisprungfans zubrüllten: "Ziiiiiiiiieh!" Auch wenn es vergebens war und nur für einen 27. Platz reichte.

Nein, Schmitt wollte noch ein wenig warten. Bis das Springen in Willingen anstand. Vielleicht, weil er hier in Nordhessen, wie er sich erinnerte, um die Jahrtausendwende "so tolle Wochenenden" erlebte hatte, Wettkämpfe, "die in Erinnerung bleiben". Vermutlich aber wollte er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ob nun nach 18 Jahren Profisport wirklich Schluss sein sollte.

Ein Zimmer nur für Fanpost

Mit drei Jahren stand Martin Schmitt erstmals auf Skiern, mit sechs absolvierte er seinen ersten Sprung-Wettbewerb. 1998 gewann er im Alter von 20 Jahren in Lillehammer seinen ersten Weltcup. Es folgten 27 weitere Siege bei Weltcupspringen, zweimal sicherte Schmitt sich den Gesamtweltcup, er wurde viermal Weltmeister, in Salt Lake City gewann er mit der Mannschaft Gold bei Olympia. Nur die Vierschanzentournee, die gewann er im Gegensatz zu Hannawald nie.

Um die 300 Briefe von Anhängern erhielt Schmitt in dieser Zeit täglich per Post. Um die Fanpost zu lagern, richtete er sich ein eigenes Zimmer ein. Die Bravo druckte in der Heftmitte Poster von ihm, die Bunte berichtete nicht nur in der Meldungspalte, sondern ganzseitig. Skisprung-Experten entzückte seine Sprungkraft, Wissenschaftler vermaßen seinen Körper und waren fasziniert, wie nahe die Parameter den Idealdaten kamen.

Doch dann verlor Martin Schmitt erst seine Form, dann seine Unbekümmertheit. Ihn plagten Probleme mit der Patellasehne und dem Knie. Er hätte schon damals seine Karriere beenden können, ausgesorgt hatte er dank lukrativer Werbeverträge längst. Schmitt kämpfte sich allerdings zurück, gewann Silber bei der WM 2005 in Oberstdorf, stürzte erneut ab, ehe er 2009 noch einmal zurück in der Spitze war, wenn auch nicht mehr ganz vorne mit dabei.

Mehr Autogramme als alle Deutschen zusammen

In diesem Winter nahm Schmitt zum 18. Mal an der Vierschanzentournee teil. Nach den Plätzen 36 und 27 bei den Springen von Oberstdorf und Garmisch strich Bundestrainer Werner Schuster ihn vorzeitig aus der Mannschaft. Es machte Schmitt offenbar wenig aus. Nach den verkorksten Sprüngen lächelte er, gab geduldig Interviews, schrieb mehr Autogramme als alle anderen deutschen Springer zusammen.

"Ich will nicht irgendwann aufhören und denken, das hätte ich noch probieren sollen", hat Schmitt einmal gesagt. Nun hat der 36-Jährige, der eine Ausbildung zum Trainer begonnen hat, offenbar erkannt: Er hat alles probiert. Doch es ist nichts mehr zu machen.

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