Süddeutsche Zeitung

Karriereende von Höfl-Riesch:Total befreit

Sie schwankte, am Ende aber verließ sich Maria Höfl-Riesch auf ihr Bauchgefühl: Nach 14 Jahren als Skirennfahrerin beendet sie ihre Karriere. Sie freut sich nun vor allem auf ihren Urlaub - dem DSV hinterlässt sie eine Lücke, die kaum zu schließen ist.

Von Michael Neudecker

Maria Höfl-Riesch an einer fies aussehenden Muskelmaschine sitzend, schwitzend, stöhnend, gequält, den Kopf schüttelnd. So ging diese Veranstaltung los, und da war dann schon klar, worauf das alles hier hinauslaufen würde.

Pressekonferenzen sind heutzutage oftmals durchchoreographierte Shows, mit Moderator, Ledersesseln, Lounge-Atmosphäre, meist wird am Anfang ein Film gezeigt, der eigens für diesen Moment geschnitten wurde, selbstredend ist das auch dann so, wenn eine Maria Höfl-Riesch ihren letzten Auftritt hat. Die erfolgreichste deutsche Skirennfahrerin bei Olympia, auf einer Ebene mit Katja Seizinger, die in den Neunzigern zweimal den Gesamtweltcup gewann; wenn die Präsenz in Funk und Fernsehen der Maßstab ist, sogar weit darüber.

Am Dienstag erst war endgültig sicher, dass sie es durchziehen will: aufhören, nicht erst in einem Jahr, sondern jetzt. Für Donnerstag lud die 29-Jährige ein in die Repräsentanz eines Sponsors des Deutschen Ski-Verbandes am Münchner Flughafen, das gab dann ein schönes Bild: Draußen Menschen mit Koffern, auf dem Weg in die Welt, und drinnen Maria Höfl-Riesch, auf dem Weg in ihr neues Leben.

Es war in den vergangenen Wochen viel spekuliert worden, ob sie weitermacht oder aufhört, es war ein Herumraten. Bis zuletzt wusste ja niemand, was passieren würde, nicht ihre Trainer, nicht ihr Servicemann, nicht ihr Umfeld. Nicht sie selbst.

Die Veranstaltung am Donnerstag war getarnt durch die Übergabe der kleinen Kristallkugel für den Gewinn der diesjährigen Abfahrtswertung, die sie beim Weltcup-Finale in Lenzerheide vergangene Woche nicht entgegennehmen konnte, weil sie da gerade mit dem Helikopter von der Strecke ins Klinikum Chur geflogen wurde. Sie haben die Hymne damals trotzdem gespielt, sie haben einfach so getan, als sei sie gar nicht verletzt, als sei alles in Ordnung, das war etwas merkwürdig, "alles andere als gelungen", sagt nun Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Hörmann war am Donnerstag da, um in seiner Eigenschaft als Council-Mitglied des Ski-Weltverbandes Fis die Kugel zu überreichen, er saß auf dem Podium neben dem Alpindirektor Wolfgang Maier, daneben saß Maria Höfl-Riesch. In Reihe eins saßen ihre Eltern, ihr Mann, ihr Management.

Und dann also der Film: Das anstrengende Trainieren vor der Saison, das Schuften, gefolgt von Bildern aus Sotschi, ihrem Olympiasieg in der Super-Kombination und ihrer Silbermedaille im Super-G. Maria Höfl-Riesch hat in den vergangenen zwei Jahren immer wieder über den Stress gesprochen, den das Leben als Leistungssportlerin mit sich bringt, über die Überwindung, im Sommer die Ski aus dem Keller zu holen, wenn andere zum Baden gehen. Sie hat immer häufiger darüber gesprochen, wie sehr sie das stört. Es gab Momente, in denen war sie sicher, dass der Winter 2013/14 ihr letzter als Skirennfahrerin sein würde, aber dann, es war irgendwann nach den Spielen von Sotschi, begann sie zu zweifeln.

Sie führte ein Gespräch mit Alpinchef Maier, der alles versuchte, sie zu halten, für ein Jahr noch wenigstens, er bot ihr an, den langjährigen Frauen-Techniktrainer Christian Schwaiger zu ihrem Individualtrainer zu machen, so etwas gab es im DSV noch nie. "Diese Heftigkeit der Angebote hat mich überrascht", sagt Höfl-Riesch. Am Ende aber hat sie sich auf das Gefühl verlassen, das sie schon länger mit sich herumträgt.

Nach ihren beiden Goldmedaillen bei Olympia 2010 wollte sie das gleiche noch einmal, Olympiagold, unbedingt, sie hat dafür noch einmal alles gegeben. Selten habe er eine Maria erlebt, die so fokussiert und ehrgeizig war wie in dieser Saison, sagte vor kurzem Christian Schwaiger, den Maria Höfl-Riesch häufiger als einmal als wichtigsten Mann in ihrem sportlichen Umfeld bezeichnet hat. In Sotschi bekam sie, was sie wollte: Sie gewann das Gold gleich im ersten Rennen.

"Es war eine Bauchentscheidung", sagt sie nun. Etwas später: "Ich bin erleichtert, dass es jetzt raus ist", da bricht ihr für einen kurzen Moment die Stimme weg.

Abschiede sind immer eine emotionale Sache, natürlich ist auch Maria Höfl-Riesch gerührt, kämpft mit den Tränen, schluckt. Aber ihr Entschluss steht, sie ist sicher, das ist auch dann zu spüren, als sie am Ende noch mal in diverse Fernsehkameras sagt, was sie als nächstes tun werde. Ende kommender Woche fliegt sie in die USA und in die Karibik, "ich kann total befreit in den Urlaub gehen", sagt sie. Dann: "Ich muss jetzt nicht mehr sofort wieder Skitesten gehen", schließlich: "Ich muss mir keine Gedanken mehr machen, wie ich mich auf die neue Saison vorbereite."

Zur Ruhe kommen, nach 14 Jahren Profisport-Karriere, das ist es, was Maria Höfl-Riesch jetzt will. Gewiss, es gebe Pläne zu ihrer Zukunft, aber dazu will sie erst später etwas sagen, jetzt nicht. "Jetzt will ich nur genießen", sagt Maria Höfl-Riesch.

Ein Abschied ist zudem immer auch der Moment, in dem die Bilanz erstellt wird, und die Bilanz von Maria Höfl-Riesch passt. In Zahlen ausgedrückt: vier Olympia-Medaillen, sechs WM-Medaillen, 27 Weltcupsiege, 81 Podestplätze, fünf kleine Disziplinkugeln und eine große für den Gesamtweltcup. "Es gab im DSV selten eine Sportlerin, die mit so viel Leidenschaft alle Disziplinen gefahren ist", so formuliert es Wolfgang Maier. Es klingt nach abschiedstypischer Lobhudelei, aber Skirennfahrerinnen, die bei jedem Rennen starten, sind tatsächlich selten geworden.

Man muss nicht über die Lücke diskutieren, die Maria Höfl-Riesch dem deutschen Skirennsport hinterlässt; es besteht ja kein Zweifel, dass die Lücke gewaltig ist. Es ist gut gemeint, als Höfl-Riesch dann noch mal Maier am Arm fasst, freundlich lächelt und sagt: "Ich drück' dem DSV die Daumen, Wolfi, da kommt schon wieder mal was nach." Sie weiß so gut wie Maier, dass es im Moment eher nicht danach aussieht.

Aber das ist jetzt nicht mehr ihre Sorge.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2014
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