Karriereende von Bernd Schneider:Er wollte nur spielen

Fußball-Profi Bernd Schneider verkörperte die Freude am Spiel, die Freundschaft mit dem Ball. Dass er mit 35 Jahren seine Laufbahn beenden muss, ist eine Tragödie.

Thomas Hummel

Es ist vielleicht eines der größten Tragödien des deutschen Fußballs, dass Bernd Schneider nie einen großen Titel gewonnen hat. Er ist oft an den Pokalen und Schalen im Stadion vorbeigegangen, doch hochstrecken durfte er sie nie. Immer wieder scheiterte Bernd Schneider mit seinen Mannschaften in einem Finale oder rutschte noch auf Platz zwei der Bundesliga. Doch während einem Spieler wie Michael Ballack so etwas als Schwäche ausgelegt wird, als Schatten über der Karriere, denkt bei Bernd Schneider niemand an die gesammelten Finaldramen.

Karriereende von Bernd Schneider: Held der Freunde filigranen Fußballs: Bernd Schneider, genannt Schnix.

Held der Freunde filigranen Fußballs: Bernd Schneider, genannt Schnix.

(Foto: Foto: imago)

Bei Bernd Schneider kommt die Freude am Spiel in den Sinn, die Freundschaft mit dem Ball, die Schwerelosigkeit der Körpertäuschung und die Unlust, beim Interview den Mund aufzumachen. Am Freitag hat Bernd Schneider mit 35 Jahren seine Karriere als Profi-Fußballer beendet. Und das ist für den deutschen Fußballkosmos nun wirklich ein Trauerfall.

Über den Nationalspieler aus Jena kursiert eine Geschichte, die viel aussagt über ihn. Nach dem Confederations Cup 2005 fuhren die DFB-Spieler in einen kurzen Urlaub, endlich ausspannen, endlich kein Ball, kein Tor mehr. Auch Bernd Schneider lag in irgendeinem Klub auf der Strandliege - bis er ein paar Engländer sah, die auf dem hoteleigenen Platz Fußball spielten. Und weil ihm ohnehin schon langweilig war, ging er hinüber und fragte, ob er nicht mitkicken dürfe.

Well, okay, antworteten die nichtsahnenden Briten. Bernd Schneider war nie ein besonders muskulöser Athlet, er trug die Haare nach einem verwegenen Vokuhila zu Karrierebeginn nie extravagant. Bernd Schneider sah aus wie ein gewöhnlicher Klub-Besucher aus Deutschland. Kein Brite ahnte, dass da ein WM-Finalist um Einlass bat.

Als ihnen dann der Ball pausenlos durch die Beine geschoben und über den Scheitel gelupft wurde, "haben sie sich schon ein bisschen gewundert", erzählte Schneider. Doch für ihn war das Wichtigste, endlich wieder den Ball streicheln zu dürfen. Endlich wieder spielen.

Da legte einer keinen Wert auf die Show, auf die Selbstvermarktung und Positionierung als Star. Da wollte einer nur spielen, am besten immer und überall. "Der letzte Straßenfußballer" hieß er, oder "Lustfußballer". Schon zu Jugendzeiten in Jena zeigte er den Kameraden, dass er richtig gut schnixeln konnte. Im Thüringischen bedeutet schnixeln, dass da einer gut mit dem Ball umgehen kann. Bei den Profis später hieß Bernd Schneider bisweilen nur "Schnix".

Der frühere Leverkusener Mitspieler Emerson aus Brasilien nannte ihn einmal "weißen Brasilianer", Roberto Carlos wusste nach dem WM-Finale 2002, warum. In Yokohama hatte ihn dieser unscheinbare Bernd Schneider fast um den Verstand gebracht mit seinen Dribblings und Finten und schlauen Pässen.

Trotz seines Könnens zog es Bernd Schneider nie zu einem ganz großen Verein. Für einen wie ihn wäre das auch viel zu laut gewesen, zu glitzernd, zu aufregend. Er wollte sich auch zurückziehen können, mal ein Bier trinken oder eine Zigarette rauchen. Nach Eintracht Frankfurt schnixelte er zehn Jahre im beschaulichen Leverkusen. Dort hat er in 263 Bundesliga-Einsätzen 35 Tore erzielte, wurde zweimal Bundesliga-Zweiter, stand in einem DFB-Pokal-Finale, in einem Champions-League-Finale. 81 Mal spielte er für die Nationalmannschaft, wurde einmal WM-Zweiter und einmal WM-Dritter.

Zum Ende der Laufbahn, so in ein, zwei Jahren, wollte er eigentlich wieder zurück nach Jena und seinem darbenden Heimatverein noch ein wenig helfen. Doch ein Sportunfall im April 2008 verhindert das. Wegen eines Bandscheibenvorfalls und einer Rückenmarksverletzung musste er am Freitag sein Karriereende bekanntgeben. Zum Abschied sagte er. "Diese Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen." Diese Aussage ist uneingeschränkt glaubhaft.

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