Karriereende beim FC Bayern:Die Philipp-Lahm-Einzelkritik

Golfschläger von Uli Hoeneß, etwas Knatsch um die Choreo - und Thomas Müller fordert mehr Applaus: So lief das letzte Spiel von Philipp Lahm.

Aus dem Stadion von Matthias Schmid

Vor dem Stadion

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(Foto: imago/Nordphoto)

Selbst Stuttgart-Fans fanden am Tag vor dem großem Aufstiegs-Spiel gegen Würzburg Zeit, um Phillip Lahm zu würdigen und in den sportlichen Ruhestand zu verabschieden. Einer trug sogar das weiße Trikot mit dem roten Brustring aus der Spielzeit 2003/04, LAHM stand in rotten Lettern auf dem Rücken. Es war eine legendäre Saison, die erste Bundesliga-Saison für den jungen Lahm im zweijährigen schwäbischen Exil, er feierte dort seinen ersten großen Sieg: gegen Manchester United in der Champions League.

Tweet vor dem Spiel

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(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

"Noch ein Mal die Schuhe anziehen, Treppen hochgehen und dann auf den Rasen - das wird ein emotionales Gefühl sein! #MiasanMia" Endlich klang der kluge Herr Lahm beim Tweeten nicht wie eine Maschine, sondern wie ein Mensch. Auch Dirk Nowitzki gefiel das.

Aufwärmen

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(Foto: REUTERS)

Philipp Lahm und Arjen Robben betraten um exakt 14.55 Uhr als erste Bayern-Profis den Rasen. Während Robben über eine kleine Bühne hüpfte, rannte Lahm rechts an ihr vorbei - auch in seinem letzten Heimspiel lief er korrekt und seriös seine Laufwege. Es folgte das letzte Mal Aufwärmen, es war wie immer, ein paar Sprints, ein paar Dehnübungen, ein paar Flanken. Auch wie immer: Lahm schoss nicht aufs Tor. Das letzte Aufwärmen endete unspektakulär. Ohne Tränen. Als Privatier werden viele aufregende erste Male auf ihn warten.

Choreographie

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(Foto: dpa)

Über die unterschiedlichen Abschieds-Choreografien Lahms gab es im Vorfeld der Partie ein bisschen Streit. "Aus unserer Sicht widersprechen bezahlte Aktionen einer gesunden Fankultur", hatte die Bayern-Gruppierung Club Nr. 12 via Facebook erregt mitgeteilt. In der Arena hingen die treuesten Fans fünf überlebensgroße Plakate des Kapitäns im Pop-Art-Stil hoch. Mehr war da nicht. Was sie so aufregte: Angeblich hatte der Verein den Abschied Lahms von einer Eventagentur organisieren lassen. Tatsächlich bekam Lahm von Klub-Chef Karl-Heinz Rummenigge ein Bild und einen Blumenstrauß überreicht, Präsident Uli Hoeneß schenkte ihm ein paar Golfschläger für den Ruhestand. Lahm streichelte seinem Sohn Julian zunächst verlegen über den Kopf. Tränen? Nein! Aber feucht waren seinen Augen schon, als die stehenden Ovationen der Zuschauer auf ihn niederprasselten. Der Abschied berührte den meist so gefasst wirkenden Lahm mehr, als er sich wohl selbst ausmalen konnte. Gut, dass Sohn Julian in seiner Nähe war, der ihn etwas ablenkte und zum Lächeln brachte.

Einlaufen

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(Foto: dpa)

Ein letztes Mal durfte Lahm als Capitano die Mannschaft aufs Feld führen und der Seitenwahl beiwohnen. Die üblichen Handshakes, der Münzwurf mit Schiedsrichter Jochen Drees, der auch sein letztes Spiel pfiff. Alles wie immer. Lahm kennt das strikte Protokoll. Auch beim letzten Mal lief alles glatt. 2011 trug er die Binde übrigens zum ersten Mal.

Erster Ballkontakt

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(Foto: REUTERS)

Lahm begann wie immer hinten rechts in der Abwehrkette. Auf der Sonnenseite, die linke lag schon im Schatten. Exakt eine Minute und 20 Sekunden dauerte es bis zu seiner ersten Ballberührung. Den Ball spielte er schnell und schnörkellos zu Vidal. Ein einfacher Pass. Wie meistens in seiner Karriere. Lahm konnte mit den Allerbesten mithalten, weil er sehr oft einfache Lösungen in schwierigen Situationen fand. Legendär ist auch seine Drehung, um die eigene Körperachse, weltweit wurde sie von den Kickern nachgeahmt, seitdem wissen die Menschen auf dem Planeten, dass deutsche Abwehrspieler auch Fußball spielen dürfen und keine wilden Ochsen sein müssen. Gegen Freiburg war sie nicht nötig. Dafür verlor er einmal den Ball, sogar recht früh, nach 1:47 Minuten. Eine These über Lahm lautete ja: Fehlpässe spielt er nie. Im letzten Spiel waren sie erlaubt.

Erster Sprint

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(Foto: dpa)

Ein Argument Lahms, warum er seine Karriere beendet, ist seine Fitness. Er könne sich nicht mehr dauernd als Außenverteidiger in 50- bis 60-Meter-Sprints gegen 18- bis 25-Jährige schmeißen. "Wenn ich heute so einen Sprint anziehe, muss ich mich gefühlt erst mal bis zur Halbzeit regenerieren", hat er festgestellt. Gegen Freiburg musste er nach einer halben Stunde seine Sprintfähigkeit testen, rund zehn Meter lang, er kam früher an den Ball als Florian Niederlechner. Niederlechner ist 26 Jahre alt, Lahm 33. Wer ist hier alt und geht nach dem Spiel in Rente?

Halbzeitpause

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(Foto: dpa)

Lahm lief fit und bei bester Gesundheit in die Kabine, dort traf er auf jemand, der noch kleiner gewachsen ist als er: auf Anastacia, die US-Sängerin misst vom Scheitel bis zur Sohle nur 1,57 Meter. Zu der Begegnung muss man wissen: Lahm steht eher auf die Spider Murphy Gang, sein Lieblingslied lief vor dem Anpfiff: "I will wieder hoam, nach Fürstenfeld".

Zweite Hälfte

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(Foto: REUTERS)

Die Pause dauerte etwas länger, nicht weil Lahm noch verschnaufen musste, sondern weil die Bühnenarbeiter von Anastacia länger brauchten, um die Bretter vom Rasen zu tragen.

Auswechslung

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(Foto: REUTERS)

In der 86. Minute legte Lahm Thomas Müller die Spielführerbinde um den Arm. Seinen legitimen Nachfolger, Oberbayer wie er. Der große Moment des Abschieds stand an. Alle Zuschauer in der Arena erhoben sich von ihren Sitzen, auch die Auswechselbank stand. Sie klatschten, sie schrien. Doch Müller war das viel zu leise. Er animierte das Publikum mit rudernden Armen, bitteschön lauter zu sein. Lahm war nie der Fußballgott, der absolute Liebling der Kurven, er wurde respektiert, aber nie so geliebt wie Ribery oder Schweinsteiger. Und Lahm? Umarmte alle seine Mitspieler, klatschte in die Hände und kurz vor der Seitenlinie blieb er stehen und verteilte Kusshändchen. Gefasst. Ohne Tränen. So wie man Philiipp Lahm halt kennt, man wird ihn nicht als Selbstdarsteller in Erinnerung behalten, sondern als einen großartigen Fußballer.

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