Karlsruher SC:Ein Verein liegt im Clinch

KSC Karlsruher SC Fans Protest 2008

Stadt und Verein sind sich nicht immer einig: Schon 2008 verspotteten Karlsruher Fans den Slogan der Stadt "Karlsruhe - viel vor, viel dahinter".

(Foto: imago sportfotodienst)
  • Der Zweitligist Karlsruher SC führt an mehreren Fronten rechtliche Auseinandersetzungen.
  • Mit der eigenen Stadt, einem Sponsor und einem Vermarkter liegt der Klub im Clinch.
  • Der KSC spielt aber auch weiterhin Fußball: am Sonntag im Derby in Stuttgart.

Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Der öffentliche Nahverkehr in Karlsruhe galt noch vor zehn Jahren als vorbildlich. Städteplaner aus ganz Europa staunten, dass in der 320 000-Einwohner-Stadt alle zwei Minuten eine Bahn fuhr und auch das Umland glücklich und zufrieden war. Mittlerweile funktioniert immerhin noch die jährliche Fahrpreiserhöhung, Straßenbahnen und Informationstafeln liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen in der Frage, wer häufiger ausfällt.

In dieser misslichen Lage kam es alles andere als gelegen, dass am vergangenen Wochenende Stuttgarter Fans zwei Bahnen mit Fuck-Fingern, dem Slogan "Anti-KA" und der eigenen Unterschrift ("CC" für die Ultragruppe "Commando Cannstatt") vollsprühten und so die Not auf Karlsruher Schienen weiter vergrößerten. Es sind die ebenso kostspieligen wie kindischen Vorboten eines Derbys, das zu den brisantesten der Republik zählt.

Karlsruher SC Hannover 96 Deutschland Karlsruhe 192 08 2019 Fussball DFB Pokal Saison 2019 20; Wellenreuther und Schwartzer Karlsruher SC

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther (l.) mit seinem Trainer Alois Schwartz.

(Foto: imago images / Sportfoto Rudel)

Die Stadt finanziert dem Klub das neue Stadion vor. Aber der Klub verklagt die Stadt trotzdem

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther hofft derweil auf ein "friedliches Fußballfest". Er wurde im Oktober mit 40 Stimmen Vorsprung vor seinem Gegenkandidaten Martin Müller wiedergewählt und musste sich Fragen zur Außendarstellung gefallen lassen. Tatsächlich führt der Zweitligist gleich an mehreren Fronten Auseinandersetzungen, die die Gerichte beschäftigen. Im Sommer kündigte der KSC den 2016 verlängerten Vertrag mit dem Vermarkter Lagardère unter Hinweis auf ein "gestörtes Vertrauensverhältnis". Nun erklärte das Landgericht die Kündigung für unwirksam. "Wir werden wohl in die Berufung gehen", erklärt Wellenreuther. Der Streit sei ein Präzedenzfall für die ganze Branche, die Erfolgsaussichten der Klage in der zweiten Instanz seien "sehr gut".

In einem anderen Dauerstreit erzielte der CDU-Bundestagsabgeordnete einen Teilerfolg. Seit Langem liegen die Stadt und der Verein beim Stadionbau im Clinch. Viele Karlsruher wundert das, schließlich wird der Bau zu weiten Teilen von der Stadt vorfinanziert. Der KSC soll das Geld - gestaffelt nach Ligazugehörigkeit - binnen 30 Jahren zurückzahlen. Ende Oktober versuchte das KSC-Präsidium erfolglos nach einem entsprechenden Urteil mit einem Gerichtsvollzieher vorm Rathaustor die Herausgabe von Akten zu erzwingen. Erst nach dieser Drohkulisse kam ein Stick mit 1,3 Gigabyte Datenvolumen beim KSC an. Nach wie vor, so Wellenreuther, fehlten wichtige Dokumente: "Da kann man sich fragen, was an Schlimmem in diesen Verträgen zwischen Stadt und Bauunternehmen stehen könnte, dass sie uns deren Inhalt so hartnäckig vorenthält."

Tatsächlich wirkt es, als wolle die Stadt das Stadion am liebsten geräuschlos ohne die Einbeziehung des KSC weiterbauen, während der Verein sich um die Vermarktbarkeit und die Funktionalität der Arena sorgt. Dass bei einem 120 Millionen Euro teuren Großprojekt plötzlich darum gestritten wird, ob im VIP-Raum vier Säulen die Sicht verstellen oder ob eine Toilette in der Gästekabine genügt, führt bei vielen Bürgern zu Kopfschütteln. "Auch uns fällt es nicht leicht, unsere eigene Stadt zu verklagen", sagt Wellenreuther: "Wir versuchen seit Monaten, die Konflikte harmonisch auf der Arbeitsebene zu bereinigen. Aber die Stadt verweigert sich." Fast gleichlautend sind die Vorwürfe, die die Kommune gegen den KSC erhebt, längst scheint es im Kleinkrieg nur noch vordergründig um die Sache zu gehen.

Der KSC betont, ein klassischer Ausbildungsverein zu sein - meldet aber seine U21 ab

Seit Wochen gibt es eine weitere Baustelle. Im Präsidentschaftswahlkampf hatte Wellenreuther seinen Gegenkandidaten attackiert; Immobilienmanager Müller sei eine "Heuschrecke", dem echte Verbundenheit zum KSC fehle und der Getreue in Führungspositionen bringen wolle. Das war insofern mutig, als Müller auch Vertreter eines wichtigen Sponsors ist und dem KSC jüngst mit einer Million Euro zusätzlich aus der Patsche half. Der Sponsor verlangt jetzt eine öffentliche Entschuldigung.

Dabei sprechen selbst die größten Kritiker dem Präsidium den guten Willen nicht ab. Wellenreuther opfert viel Zeit für das Ehrenamt, Vize Günter Pilarsky stopfte in der Vergangenheit immer wieder mit Millionendarlehen die Löcher. Doch die Omnipräsenz des Präsidiums sorgt zuweilen für fatale Entscheidungen. So wurde im Sommer 2018 auf Betreiben von Pilarsky die U21 abgemeldet. Dabei betont der KSC immer wieder, dass er nicht mit den Prachtbauten für den Nachwuchs in Hoffenheim oder Stuttgart mithalten könne, dafür aber als klassischer Ausbildungsverein eine hohe Durchlässigkeit in die erste Mannschaft habe. Ein Modell, das zum Scheitern verurteilt ist, wenn es keine zweite Mannschaft mehr gibt, aus der heraus an der Tür zur ersten gerüttelt werden könnte.

Jüngst beschloss man die Ausgliederung der Profiabteilung in eine GmbH & Co. KGaA. Damit sollen die Entscheidungswege professioneller werden. Überhaupt findet Oliver Kreuzer, einst FC-Bayern-Profi und aktuell KSC-Sportvorstand, dass der Klub "so gut dasteht wie schon lange nicht mehr: Wir haben mehr als 9000 Mitglieder, eine neue Struktur und spielen bald in einem brandneuen Stadion". Auch sportlich läuft es, wenngleich der risikoarme, auf hohen, weiten Bällen beruhende Fußball, den Trainer Alois Schwartz so schätzt, jüngst auch von einigen Spielern angezweifelt wurde. Doch der Punktestand spricht für den Coach, der mit dem KSC im Sommer souverän aus der dritten Liga aufstieg und mit einem kampfstarken und physisch fitten Team auf Platz zehn liegt.

Wenn nach sieben Remis in Folge ausgerechnet im Derby ein Sieg gelingt, wäre das für Schwartz ein doppelter Triumph. Schließlich lässt Stuttgarts beim KSC sozialisierter Trainer Tim Walter einen hochriskanten Offensivfußball mit minimaler Absicherung spielen. Schwartz würde so nicht mal gegen einen Kreisligisten testen. Bei einem Sieg hätte er den Beweis erbracht, dass man das in der zweiten Liga auch nicht tun sollte.

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