Karlsruher SC:Hupen im Autokino

GES/ Fussball/ 2. Bundesliga: Karlsruher SC, Vorstellung Praesidentschaftskandidaten, 26.07.2020

Gruppenbild auf dem Messegelände: Um das Präsidentenamt beim KSC bewerben sich (von links): Martin Müller, Rolf Dohmen, Axel Kahn, Dorothée Augustin, Vizepräsident Holger Siegmund-Schultze sowie Kai Gruber.

(Foto: Markus Gilliar/GES)

Wer führt den KSC nach Ingo Wellenreuthers Weggang in die Zukunft? Der Klub hat die Wahl zwischen Vermögen, Erfahrung - und Oliver Kahns Bruder.

Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Es sind mal wieder wohltemperierte Sommertage im Badischen, Montag und Dienstag lagen die Temperaturen in Karlsruhe höher als in Marseille. Doch während die Abstände zwischen den Sonnensuchenden an den Badeseen eher bei zwei Zentimetern als bei zwei Metern lagen, funktionierte die Kandidatenvorstellung zur Präsidentenwahl beim Karlsruher SC so vorschriftsmäßig, dass selbst der strenge Talkshowgast Dr. Karl Lauterbach seine helle Freude gehabt hätte.

Wie mit dem Lineal aufgereiht standen am Sonntagabend auf einer zum Autokino umfunktionierten Brachfläche ungefähr 70 Autos in Reih und Glied. Die Frontscheiben waren dabei akkurat in Richtung Bühne ausgerichtet, wo sich die Bewerberinnen und Bewerber vorstellten. Deren Wortbeiträge wurden auf der UKW-Frequenz 103,3 übers Autoradio ins Wageninnere übertragen; wer eine Frage loswerden wollte, betätigte das Warnlicht oder schrieb eine Textnachricht.

Nun wäre die Wahl eines Präsidenten bei einem Tabellenfünfzehnten der zweiten Liga nicht unbedingt ein Politikum, wenn es nicht im Kern um die Frage ginge, wie ein Verein im 21. Jahrhundert zu führen ist. So wie in den zehn Jahren bis zum erzwungenen Rücktritt von Ingo Wellenreuther? Oder so, wie es sich der wohl aussichtsreichste Kandidat auf dessen Nachfolge, Holger Siegmund-Schultze, vorstellt? Während Wellenreuther das Organigramm eines Klubs mit ausgegliederter Profiabteilung, das die beiden Geschäftsführer und den fünfköpfigen Beirat der KgaA als Machtzentren vorsieht, als unverbindliche Empfehlung verstand, findet Siegmund-Schultze, der beste Präsident sei einer, dessen Name in der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, der aber die wichtigen Leitlinien definiert. Ins Tagesgeschäft der beiden Geschäftsführer Michael Becker (Finanzen) und Oliver Kreuzer (Sport) will er sich nicht einmischen - eine bewusste Abkehr von der jüngeren Vergangenheit, in der der Präsident oft wichtige Personalentscheidungen im Trainerteam oder auf der Geschäftsstelle traf, die dann von mal mehr, mal weniger zerknirschten Geschäftsführern verkündet wurden.

Als Wellenreuther im Mai angesichts von damals 30 Millionen Euro Verbindlichkeiten eine Planinsolvenz durchdrücken wollte, war das der entscheidende Alleingang zu viel. Auf Druck eines aus mehreren Sponsoren bestehenden Konsortiums namens "Bündnis KSC", das sechs Millionen Euro für den Fall seines Abgangs zur Verfügung stellte, trat der CDU-Politiker zurück. Kurz darauf konnte der KSC die Reduzierung der Verbindlichkeiten von 30 auf zehn Millionen Euro verkünden. Einige wichtige Gläubiger hatten Aktien gekauft.

Oberwasser haben nun also die ehemaligen Wellenreuther-Gegner, allen voran Martin Müller, der den größten Sponsor vertritt, als Vizepräsident kandidiert und am Sonntag nicht dementierte, dass er es war, der den Löwenanteil an den sechs Millionen Euro beigesteuert hatte. Das mit dem Rücktritt des Präsidenten zu verknüpfen, sei legitim gewesen, so Müller. Schließlich hätten viele potenzielle Sponsoren in der alten Konstellation das Gefühl gehabt, "dass sie ihr Geld dann auch gleich hätten verbrennen können". Heftiges Hupen auf dem Messegelände zeigte, dass Müller diese Wahrnehmung nicht exklusiv hat.

Ebenso wie Siegmund-Schultze und der weitere Kandidat Kai Gruber will Müller die sportliche Kompetenz im Verein erhöhen; die Rede ist von einem externen Gremium aus ehemaligen Spielern, die die oft kostspieligen Fehleinkäufe der vergangenen Jahre in Zukunft verhindern sollen. Zudem soll das Verhältnis zur Stadt weiter verbessert werden. Unter Wellenreuther ähnelte die Kommunikation mit dem Rathaus tatsächlich einem Rosenkrieg; seit dessen Weggang gerieren sich Verein und Stadt wie frisch Verliebte, die gemeinsam ein 150 Millionen Euro teures Stadion bauen, das in zwei Jahren in voller Pracht bespielbar sein soll. Bis dahin, so Siegmund-Schultze, müsse man allerdings wesentlich besser mit den knappen Ressourcen umgehen als in der Vergangenheit, dank eigener Versäumnisse sei man sogar gegenüber viel kleineren Standorten wie Heidenheim ins Hintertreffen geraten.

Bewerber Axel Kahn verspricht Synergien mit dem FC Bayern

Dass die Vorstellungen von Siegmund-Schultze und Müller sich so ähneln, nährt allerdings auch bei ehemaligen Wellenreuther-Gegnern die Angst, sich erneut in die Abhängigkeit weniger Gleichgesinnter zu begeben. Besonders der millionenschwere Unternehmer Müller polarisiert.

Viele Fans rechnen ihm hoch an, dass er als erster den Mut aufbrachte, offen gegen den demokratisch gewählten Wellenreuther zu opponieren. Dass er jüngst die Vermögensverhältnisse des Verwaltungsratsvorsitzenden offenlegte, haben viele im Klub aber als unverzeihliche Stillosigkeit empfunden. Sollte der bisherige Vize Siegmund-Schultze am Donnerstag zum Präsidenten gewählt werden, hätte Müller wohl dennoch die besten Chancen, Vize zu werden und damit einen wichtigen Sitz im Beirat zu erlangen.

Gefährlich könnte den beiden dabei am ehesten Rolf Dohmen werden. Der 68-Jährige kann auf seine erfolgreiche Arbeit als Manager im Präsidium von Hubert H. Raase verweisen, zu einer Zeit, als sich der KSC wirtschaftlich konsolidierte und von 2007 bis 2009 in der ersten Liga spielte. Zahlreiche Ex-Spieler wie der Volksheld "Iron Maik" Franz sprechen sich für Dohmens Wahl aus. Die Polizeibeamtin Dorothée Augustin, die aus der Fanszene stammt und ebenfalls für beide Ämter kandidieren würde, blieb am Sonntag in ihren Antworten zu allgemein, um sich zu positionieren.

Nicht als Vize, sondern nur als Präsident will derweil ein anderer ehemaliger KSC-Spieler kandidieren: Axel Kahn, der sich als "Unternehmer und Netzwerker" sowie als "Kind des Wildparks" vorstellte, 1986/87 fünf Zweitligaspiele für den KSC bestritt und am Sonntag auch die Familienverhältnisse nicht unerwähnt ließ. Kahn war dreieinhalb Jahre alt, als ihm ein späterer "Titan" zum jüngeren Bruder geboren wurde. Dass dieser, Oliver Kahn, seine KSC-Karriere beim FC Bayern und nicht wie sein Bruder beim VfB Gaggenau fortsetzte, war für Axel Kahn nicht immer leicht. Mittlerweile haben sich die Dinge entspannt. Darauf deutete neben dem Buch "Das Kahn-Gen" ("wie ein Mann mit fünfzig Jahren endlich erwachsen geworden ist und zu sich gefunden hat"), das er am Eingang verteilen ließ, auch sein rhetorisch ordentlicher Auftritt hin. Für den Fall seiner Wahl, so Kahn, könne es zu interessanten Synergien mit dem Arbeitgeber des Bruders kommen - Oliver Kahn ist ja jetzt Vorstand beim FC Bayern.

Man könne dann "Spieler zum KSC holen, die vielleicht keine Ablöse kosten, sondern nur Gehalt". Warum, so der 54-Jährige weiter, solle man die aus der Familienkonstellation resultierenden "Möglichkeiten, die gerade im sportlichen Bereich exorbitant gut sind", nicht für den Verein nutzen? Freundliches, aber nicht überschwängliches Hupen im Autokino.

Angesichts des modernen Settings wirkte der Moderator, den der übertragende Privatsender gestellt hatte, derweil umso antiquierter. Offenbar fassungslos über die Tatsache, dass neben ihm nebst lauter Männern auch eine Frau saß, entblödete er sich nicht, Augustin, die am Tag zuvor geheiratet hatte, erst mal auf ihre Hochzeit anzusprechen, um dann nachzuschieben, er werde nach der Veranstaltung fragen, wie die Hochzeitsnacht war. In Karlsruhe hat eben nicht nur der größte Fußballverein so seine Schwierigkeiten, im Jahr 2020 anzukommen.

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