Süddeutsche Zeitung

Kanuslalom:Lieber ganz in Ruhe

Sideris Tasiadis, 27, siegt beim ersten Teil der WM-Qualifikation in seiner Heimatstadt Augsburg im Canadier Einer.

Von Theresa Oertelt

"Komm", schrie Sideris Tasiadis in die Richtung seiner Hündin auf der Höhe von Tor 24, dann setzten beide zum Zielsprint an. Die halbe Strecke rannte sie neben ihrem Herrchen her, wartete, wenn er ein Aufwärtstor nahm, und setzte wieder zum Sprint an, wenn Tasiadis (Kanu Schwaben Augsburg) abwärts paddelte. Und nach der Zieleinfahrt zögerte sie nicht lange und sprang zum Sieger des Canadier Einer-Rennens ins kühle Nass.

Vergangenen Samstag und Sonntag starteten die Qualifikationsläufe im Kanuslalom für die Weltmeisterschaft in Rio und die Europameisterschaft in Prag. Für die U23-Starter und die Junioren ging es um die Qualifikation für die WM in Italien und für die EM in der Slowakai. Die Teilnehmer werden mittels vier Rennen ermittelt, davon fanden zwei vergangenen Samstag und Sonntag auf dem Eiskanal in Augsburg, der Olympiastrecke von 1972, statt. Die zweite Hälfte der Qualifikationsläufe wird kommendes Wochenende in Markkleeberg bei Leipzig vollzogen.

Eigentlich handelt es sich beim Kanuslalom um eine Einzelsportart - das Geheimrezept Tasiadis' scheint jedoch unter anderem in der Teamarbeit mit der ungewöhnlichen Trainingspartnerin, seiner Hündin Milou, zu liegen. Im Training belle sie ihn schon am Start an, renne immer neben ihm her und springe meist im Ziel zu ihm ins Wasser, um sich abzukühlen, erzählt er. Wenn er sie zwischendurch anschreit, gelingt es ihm, auch sich selbst noch mal zu motivieren.

Tasiadis könnte das letzte Rennen wohl auslassen, tut es aber nicht

Der Olympia-Silbermedaillengewinner von London und Fünfte von Rio hat über die Jahre eine etwas andere Art der Saisonvorbereitung für sich entdeckt. Er ließ das vierwöchige Trainingslager mit dem Team in Australien aus, verzichtete auf alle bisherigen Wettkämpfe, die viele zur Prüfung ihres Leistungsstandes zum Anfang der Saison nutzen. Lediglich für zwei Wochen Trainingslager war Tasiadis in Dubai, er absolvierte ansonsten das komplette Wintertraining zuhause in Augsburg mit Milou. "Da hab' ich mei' Ruh'", begründet der 27-Jährige das Meiden der Reisen, "und ich komme aus meinem Trainingsrhythmus nicht raus. Ich kann auch mal eine Trainingseinheit auslassen, wenn ich mich nicht gut fühle oder eine mehr machen, auch wenn es nicht auf dem Plan steht."

Diese Trainingspläne werden Tasiadis von Bundestrainer Sören Kaufmann zugeschickt, der auch erklären kann, warum es bei Tasiadis meist so aussieht, als würde er ganz locker und leicht über die Wellen tänzeln. "Er schafft es, unter großem Druck eine sehr genaue Linie, oft sogar die Ideallinie, zu fahren", sagt Kaufmann. "Daher kommt er nie so richtig in Bedrängnis, muss nicht ausbessern, wo der ein oder andere schon Mal ausbessern muss. Sideris ist vor allem einfach unheimlich nervenstark." Das bewies der gebürtige Augsburger auch am Wochenende wieder. Am Samstag fuhr Tasiadis fehlerfrei mit knappen zwei Sekunden Vorsprung auf Platz eins. Am Sonntag hatte er trotz zwei Strafsekunden, aufgrund einer Stangenberührung kurz nach dem Start an Tor zwei, knappe fünf Sekunden Vorsprung auf den Zweitplazierten Lennard Tuchscherer (LKC Leipzig).

Das Augsburger Talent Florian Breuer fährt in derselben Klasse

Aber nicht nur Tasiadis bestätigte seine bestechende Form. Einige Starter vom AKV Augsburg und den Kanu-Schwaben Augsburg lieferten vielversprechende Ergebnisse ab, darunter vor allem die Nachwuchssportler, die in die Leistungsklassen drängen und die Routiniers ärgern. Florian Breuer (AKV) fährt in derselben Klasse wie Tasiadis und steht zu seinem Unmut oft in dessen Schatten. Für die U23-WM ist Breuer fast qualifiziert, und in der Leistungsklasse hat er noch Chancen auf die WM-Teilnahme. "Ich weiß nicht, warum dieses ewige Vergleichen mit Sideris immer sein muss", sagt der 19-Jährige. "Wir sind zwei völlig unterschiedliche Typen und ich denke, ich habe die Qualität, auch als ein eigener Sportler angesehen zu werden."

Auch Nachwuchstalent Elena Apel (AKV) machte ein weiteres Mal auf sich aufmerksam. Im Canadier Einer, in Tokio 2020 auch für Frauen erstmals olympisch, hat die 19-Jährige die U23-Qualifikaktion so gut wie geschafft, auch eine WM-Qualifikation in der Leistungsklasse ist noch möglich. Im Kajak Einer wird es für sie schwer werden, sich noch für die Leistungsklasse zu qualifizieren. Sebastian Schubert (KR Hamm) wurde seiner Favoritenrolle im Kajak Einer mit jeweils zwei Siegen gerecht. Hannes Aigner (AKV Augsburg) war über seinen zweiten Platz am Sonntag kurz enttäuscht. Der Olympiadritte von London und Vierte von Rio berappelte sich aber schnell wieder: "Ob ich mich als Erster oder Dritter qualifiziere, ist Nebensache."

Die Fahrer können von den vier Rennen das schlechteste Ergebnis streichen. Tasiadis könnte das letzte Rennen vermutlich auslassen, wird es trotz seiner Überlegenheit aber fahren. "Das ist fair gegenüber den anderen", sagt er. Verzichtet Tasiadis auf den letzten Start, würde ein Fahrer mehr ins Finale kommen, das Ergebnis könnte verfälscht werden. "Wenn, dann soll man sich den Platz schon selbst erobern und sich dann dafür belohnen", sagt er und zieht die Fairness dem Privileg seiner Ausgangssituation vor. Allerdings wird er diese Rennen als Einzelkämpfer bestreiten müssen - seine Hündin Milou bleibt zu Hause.

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SZ vom 03.05.2018
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